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Anhaltisches Theater Dessau Anhaltisches Theater Dessau: Der Staatsanwalt hat das Wort

Von Corinna Nitz 16.12.2014, 10:18
Der Staatsanwalt hat das Wort: David Ortmann (l.) und Gunnar von Wolffersdorff sind bei dieser unterhaltsamen Reihe ein prima Team.
Der Staatsanwalt hat das Wort: David Ortmann (l.) und Gunnar von Wolffersdorff sind bei dieser unterhaltsamen Reihe ein prima Team. Sebastian Lizenz

Dessau - Am Ende gibt es wieder kein Urteil und schon gar keine Höchststrafe. Dafür die Empfehlung, David Ortmann unter engmaschige Aufsicht durch Familien und durch die Theaterleitung zu stellen.

Zudem erhält der Regisseur die Auflage, im Waldkindergarten Sozialstunden abzuleisten - in Form von Theaterbeiträgen, was ja naheliegend ist. Jedoch müssten die unbedingt frei von Gewalt sein. Dass Gunnar von Wolffersdorff die Gewaltfreiheit betont, liegt an dem Fall, den er gerade aufgedröselt hat: das Weihnachtsmärchen „Der gestiefelte Kater“ nach den Brüdern Grimm, zu sehen im Großen Haus des Anhaltischen Theaters.

„Der Staatsanwalt hat das Wort“

Es ist Sonnabend und in der kleinen Spielstätte des Hauses läuft eine neue Folge von „Der Staatsanwalt hat das Wort“. Deren Prä ist es, dass kein Schauspieler in die Rolle des Ermittlers und Anklägers schlüpfen muss. Denn mit von Wolffersdorff hat sich ein „echter“ Staatsanwalt gefunden, der regelmäßig Stückefiguren aus aktuellen Inszenierungen auf die Anklagebank bringt. Das zieht - wieder einmal ist das Foyer des Alten Theaters voll besetzt. Und das, wo gerade „Wetten, dass...“ aus der Fernsehgeschichte verabschiedet wird. „Wir haben die Primetime in Dessau erobert“, frohlockt der Jurist. Was nun das Grimm'sche Märchen betrifft, so gebe es da kaum Kriminalität.

Rechtsfortbildung statt Urteil

Aber wenn es schon an Straftaten mangelt, soll es wenigstens viel Rechtsfortbildung geben. Beispiel Erben: Ist es etwa gerecht, dass der eine Müllersohn die Mühle bekommt und der andere nur den vermeintlich altersschwachen Kater? Jawoll! Nach damals geltendem Recht war nun mal der Erstgeborene Haupterbe. Drollig wird es, als sich von Wolffersdorff die Rebhuhnjagd des Märchenkaters vorknöpft. Hier könnte der Tatbestand der Jagdwilderei erfüllt sein, was mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden kann. Was die Sache im Fall der Dessauer Inszenierung besonders schlimm macht, sei der von David Ortmann und Sabeth Braun, die auch das Drehbuch zur Inszenierung geschrieben haben, erfundene „Rebhuhnterminator 3000“. Ein Fangapparat, der alles andere als waidmännisch korrekt sei und die Sache für den Juristen zu einem besonders schweren Fall mache.

Lügen und Umweltstraftaten

Schwer wiegt auch die Müllhalde der Zauberin, auf der sie ihre missglückten Zaubertränke entsorgt. Dies sei eine Umweltstraftat, und sie ist umso schlimmer, als es sich offenbar um erbgutverändernde Tunken handelt - wie die nachhaltigen Veränderungen am Kater, der einst davon naschte, belegen.

So geht das immer weiter. Hinter einer Schattenwand tragen die Schauspieler Illi Oehlmann und Mario Klischies Sequenzen aus dem Märchen vor, von Wolffersdorff reagiert, erklärt. Irgendwann will Ortmann wissen, ob er nicht moralische Bedenken wegen der Lügen im Märchen hätte. „Es kommt drauf an“, sagt der Staatsanwalt - und holt aus zum Exkurs über das Verhältnis von Recht und Moral. Im Grunde beginne doch alles bei Eva, „die von der Schlange belogen wurde“, worauf es zum Sündenfall kam - mit den bekannten Folgen. Doch ohne den „säßen wir nicht hier“.

Gebrüder Grimm übern schlechten Einfluss aus

Vorsicht sei indes bei Falschaussagen vor Gericht geboten. Am Ende sind es auch besagte Lügen im Märchen, mit denen Ortmann „in Tausenden Kindern Unrechtsbewusstsein angelegt hat“ (von Wolffersdorff). Gleichzeitig hat er die lieben Kleinen zum Lachen gebracht, was ebenso zu seiner Entlastung beiträgt wie etwa die Tatsache, dass er dem „schlechten Einfluss der Gebrüder Grimm ausgesetzt“ war.

Für die Staatsanwalt-Show hat Dramaturg Andreas Hillger die Weihnachtsmärchenhandlung auf 120 Zeilen gekürzt. Am heutigen Dienstag, 16. Dezember, ist der „Gestiefelte Kater“ wieder in voller Länge im Anhaltischen Theater zu erleben, 19 Uhr. Ticketinfos gibt es unter Tel. 0340/2 51 13 33. (mz)