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Vor 40 Jahren: Das letzte Konzert von The Band

16.12.2016, 12:00
The Band tanzen mit zahlreichen Gaststars den letzten Walzer. Foto: Steve Gladstone/Brian D. Hardin/theendofpictures.com
The Band tanzen mit zahlreichen Gaststars den letzten Walzer. Foto: Steve Gladstone/Brian D. Hardin/theendofpictures.com dpa

Berlin - 16 Jahre waren sie ohne Unterlass „on the road” gewesen, dann hatten The Band - ausgelaugt und von den Exzessen erschöpft - die Nase voll. „Es ist ein total unmöglicher Lebensstil”, lautete das Fazit von Gitarrist Robbie Robertson.

An Thanksgiving 1976 gaben die „Huckleberry Finn des Rock” im Winterland Ballroom in San Francisco vor 5000 Fans ihr Abschiedskonzert - inklusive eines üppigen Truthahnessens. Der letzte Auftritt von Rick Danko, Levon Helm, Garth Hudson, Richard Manuel und Robbie Robertson sollte ein Meilenstein der Rockgeschichte werden.

Auch für Martin Scorsese, der den epochalen Auftritt für eine Dokumentation im Bild festhielt. Jetzt ist „The Last Waltz” zum 40-jährigen Jubiläum in einer üppigen Deluxe-Edition (4 CDs und eine Blu-ray) erschienen. Neben dem Live-Mitschnitt, Probenaufnahmen und einigen Outtakes ist natürlich Scorseses Film, der 1978 in die Kinos kam, das Herzstück der Prachtausgabe.

„Es war das Perfekteste, was ich bis dahin zustande gebracht habe”, sagte Scorsese - und da hatte er mit „Hexenkessel” (1973) und „Taxi Driver” (1976) schon Filmgeschichte geschrieben. Geschichte sollte er auch mit „The Last Waltz” schreiben - ein Meisterwerk der „Rockumentary”. So einen Konzertfilm hatte es bis dahin noch nicht gegeben, und danach auch nur noch selten. The Band wollten aus ihrem letzten Auftritt ein Fest machen, was es auch wurde. Ein Fest für alle Sinne.

Nichts wurde dabei dem Zufall überlassen: Zusammen mit seinem Freund und zeitweiligen Mitbewohner Robbie Robertson legte Scorsese auf 200 Seiten alle Einstellungen fest. Einen Einblick in diese akribische Geometrie gibt das viele Seiten starke Begleitbuch. Ohne diese Aufzeichnungen wäre er verloren gewesen, sagte Scorsese. Wer sich in alle Original-Shooting-Scripts vertiefen möchte, muss allerdings auf die Collector's Edition zurückgreifen, die auf 2500 Exemplare limitiert ist.

Zum Festcharakter des Abschiedskonzertes trugen auch die zahlreichen Gaststars bei: Neil Young, Dr. John, Van Morrison in einem bizarren Glitzeranzug, Eric Clapton, Joni Mitchell, Neil Diamond und Muddy Waters veredelten neben vielen anderen mit ihrer Performance das Konzert.

Und einer durfte natürlich nicht fehlen: Bob Dylan, dessen Begleitband The Band eine Zeit lang waren. Mit seinem weißen - mit einer Feder verzierten - Hut sorgte er als Bohème-Robin-Hood mit Jesus-Touch für einen der vielen Höhepunkte des Konzertes, das auch ein wunderbares Dokument exzentrischer Rockstar-Mode der 70er Jahre ist. Zum großen Finale mit „I Shall Be Released” wurde es auf der Bühne mit allen Teilnehmern noch einmal rappelvoll.

Und die 5000 Fans? Man sieht sie kaum. Scorsese geht es bei dem Mega-Event um Intimität, um die Lust an der Musik und um Spielfreude. Dazu fängt er die kleinste Regung ein, bleibt immer am Ball und stellt allein durch die Kameraarbeit eine Art Club-Atmosphäre her. Bei dem Auftritt von Neil Young fühlte er sich an einen Haufen Jungs erinnert, die an einer Straßenecke stehen - und so sieht auch der Film aus.

Neben zusätzlich gedrehten Auftritten (Emmylou Harris) zeichnet Scorsese darüber hinaus mit Interviews das Psychogramm einer Band, die mit Geschichten über Supermarktdiebstähle, Partys, Drogen und Frauen nicht nur Anekdoten zum Besten gibt.

Auch eine gewisse Art von Ratlosigkeit wird zum Ende deutlich. „Was machst du jetzt, wo 'The Last Waltz' vorbei ist”, fragte der Regisseur den Bassisten Rick Danko, der nach einer langen Pause antwortete: „Musik machen, weißt du. Sich beschäftigen. Das ist gut, das ist gesund.”

Mit ihrem Mix aus Blues, Folk, Hillbilly, Country und Rock schlugen The Band mit einer mythischen Apalachen-Sehnsucht inmitten der lärmenden Rockmusik der 60er und 70er Jahre leisere Töne an. Ihr letztes Konzert hätten The Band kaum besser planen können: „Das Ende einer Ära”, hat Martin Scorsese den großen Abschied genannt. Im New Yorker und Londoner Underground wurde derweil längst an neuen Tönen gebastelt. (dpa)