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Rolle rückwärts mit "Tutti Frutti"

13.10.2016, 13:51
Monique Sluyter ist bei der Neuauflage von „Tutti Frutti” dabei. Foto: Jörg Carstensen
Monique Sluyter ist bei der Neuauflage von „Tutti Frutti” dabei. Foto: Jörg Carstensen dpa

Berlin - Netflix, Amazon, nur noch neues Streaming statt alte Mattscheibe? Das neue Bewegtbild-Zeitalter überschwemmt den Verbraucher auch mit neuen Ideen und Angeboten.

Doch es gibt auch das Gegenteil, die Rolle rückwärts: Die alte Fernsehszene schwört teilweise im Sinne des konventionell denkenden Konsumenten auf bewährte und immer noch bekannte Titel.

Das neueste Beispiel: Am Donnerstag kündigte der Spartensender RTL Nitro an, den Fernsehklassiker „Tutti Frutti” 25 Jahre später neu aufzulegen. Retro-TV statt digitales Füllhorn. Was früher Millionen vor die Bildschirme lockte, muss heute doch auch noch funktionieren, ist die einfache, aber einleuchtende Denke. Hier die aktuellen Beispiele:

TUTTI FRUTTI: Der neueste Coup aus dem Hause RTL. Von 1990 bis 1993 stand Hugo Egon Balder knapp 100 Mal vor der Kamera, um die männeraffine Show mit schwer verständlichen, aber auch nicht ganz so wichtigen Regeln zu produzieren. Das war noch zu einer Zeit, als der noch junge Privatsender in der Findungsphase sein Publikum mit einigen Experimenten konfrontierte - dazu gehörte auch das Tortenschlachtspektakel „Alles Nichts Oder?!”. Das Wichtige an „Tutti Frutti”: Der augenzwinkernde Hahn im Korb Balder verteilte Punkte - solange bis die Damen des Cin-Cin-Balletts fast nackt dastanden. Die Neuauflage ist wohl ab Jahresende zu sehen - aber ohne Balder, dafür unter anderem mit der blonden Assistentin Monique Sluyter.

GLÜCKSRAD: Es drehte sich rund 4000 Mal zwischen 1988 und 2002, zumeist auf Sat.1 mit dem Trio Maren Gilzer als stumme Buchstabenfee, Frederic Meisner und Peter Bond als Moderatoren. Die Kandidaten mussten Begriffe erraten, von denen sie zunächst nur die Anzahl der Buchstaben erfuhren. Die Konsonanten waren zu erraten, die Vokale mussten gekauft werden. Ein berühmtes Jux-Beispiel hing als Karikatur noch jahrelang am Schwarzen Brett bei Sat.1: „D..f bl..bt d..f” - und was sagt der Kandidat? „Ich kaufe ein „a”! Zu gewinnen gab es Staubsauger, Kühlschränke und so weiter. RTLplus bringt die Show ab Montag (19.25 Uhr) neu mit Jan Hahn (43) und Isabel Edvardsson (33).

„WETTEN, DASS..?”: 2014 musste Markus Lanz nach einer nicht enden wollenden Quoten-Talfahrt den ZDF-Showklassiker aufgeben. Thomas Gottschalk, der lange als gewandter und populärer Gastgeber durch das Aushängeschild der deutschen TV-Unterhaltung führte, hatte mit den Tränen in den Augen 2011 seinen Abschied gegeben. Und jetzt? Der Satiriker Jan Böhmermann (35) hat an diesem Donnerstag eine Ausgabe seines „Neo Magazin Royale” ganz dem guten, alten „Wetten, dass..?” gewidmet und will die Show ernsthaft und ohne den üblichen Schalk im Nacken durchziehen: Es werde keine „Verarsche-Show und auch nicht die große Gag-Gala”, kündigte er an. Ob es bei einer Ausgabe bleibt?

JEOPARDY und FAMILIEN DUELL: Auch für diese Renaissance ist RTLplus verantwortlich. Die beiden Shows der Neunziger laufen bereits seit einigen Wochen dort, allerdings mit neuem Personal: Tanzjuror Joachim Llambi macht „Jeopardy” (früher: Frank Elstner) und Inka Bause das „Familien Duell” (früher: Werner Schulze-Erdel). Besonders das „Familien Duell”, 1992 bis 2003 auf RTL, ist noch im kollektiven Gedächtnis verhaftet. Die Sendung, in der Begriffe erraten werden mussten, gebar solch kuriosen Beispiele wie: „Nennen Sie ein Land, in dem Oliven wachsen”. Die Antwort: „Bolivien”. Oder: „Nennen Sie ein Tier, das Stacheln hat.” Die Antwort: „Ein Stachelbär”.

OGOT: Auch das ist der Kategorie Retro-TV zuzuordnen. Vor kurzem brachte der Nischensender Tele 5 die über 1000 Minuten Road-Dokusoap „Old Guys On Tour” (OGOT) mit fünf alten Hasen des Showgeschäfts auf dem Jakobsweg, die alle ihre Blütezeit in den neunziger Jahren erlebt hatten. Karl Dall (75), in Erinnerung als altes Lästermaul unter anderem aus „Dall-As”, Frederic Meisner (63), bekannt aus dem „Glücksrad”, Björn-Hergen Schimpf (72), der immer der frechen Stoffpuppe Karlchen auf RTL seine Stimme gab, Jörg Draeger (71), der fünf Jahre „Geh aufs Ganze” präsentierte, und Harry Wijnvoord (67), die Galionsfigur der alten Spielshow „Der Preis ist heiß”. Pech für Tele 5: Das TV-Publikum ging auf das Retro-Kabinett kaum ein. (dpa)