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Quedlinburg Quedlinburg: Ersehnter Neuanfang

Von KERSTIN BEIER 22.04.2011, 18:50

QUEDLINBURG/MZ. - Monatelang haben im Augustinern 5 die Bauleute regiert. An diesem Wochenende übernehmen Franca und Steven Hesse mit ihren vier Kindern wieder das Zepter. Knapp ein Jahr, nachdem das Fachwerkhaus in der stillen Straße in Quedlinburg bei einem Brand schwer zerstört wurde, kann die Familie die vollständig und liebevoll hergerichteten Räume nun wieder beziehen.

Ortstermin: Noch sind die Zimmer leer, unermüdlich rennt Jacob die frisch aufgearbeiteten Treppen hoch und runter. Stolz zeigt er sein Zimmer, in dem er mit der achtjährigen Lotti wohnen wird. Das Wort "Brandmelder" kennt er jetzt, obwohl er erst fünf ist. Er zeigt an die Decke auf das kleine weiße Teil, das in jedem Zimmer angebaut worden ist. Besonders bei den Kindern war in der ersten Zeit nach dem Brand, den ein Obdachloser mit einer achtlos in einen Sperrmüllhaufen auf einem Nachbargrundstück geworfenen Zigarette ausgelöst hatte, "viel Trauer. Wenn ihnen bewusst geworden ist, dass verschiedene Dinge einfach nicht mehr da waren", blickt die 36-jährige Franca Hesse zurück. Die Kinder konnten nur schwer allein sein, haben viel stärker als vor dem traumatischen Ereignis die Nähe zu den Eltern gesucht. "Inzwischen haben sie das alles aber ganz gut weggesteckt und freuen sich, wieder hier zu sein", sagt der Vater. Beide Eltern sind dankbar, dass die ganze Familie heil davongekommen ist. Dankbar sind sie auch der Feuerwehr, "die hier so gekämpft hat", wie Franca Hesse weiß. Als sie die Bilder vom Einsatz in der Zeitung sah, sei ihr die Leistung der Männer erst richtig bewusst geworden. Bis heute beeindruckt sind die beiden von der Hilfsbereitschaft so vieler Leute. "Wir sind regelrecht durch diese schlimme Zeit getragen worden", sagt die gelernte Krankenschwester - von Eltern, Schwiegereltern, von Stadtmitarbeitern, Schule, Kindergarten, Nachbarn und Freunden. "Mir standen andauernd die Tränen in den Augen", erinnert sich die junge Frau. Erst recht, als kurz nach dem Brand ein Feuerwehrmann aus Thale eine neue, rote Playmobil-Feuerwehr für den elfjährigen Paul schicken ließ. Beim Einsatz hatte er gesehen, dass das Spielzeug des Jungen geschmolzen und nicht mehr zu gebrauchen war. Bei solchen Gesten geht einem das Herz auf, finden die Eltern.

Den Umzug bewältigt die Familie mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Von Anfang an sei klar gewesen, dass sie zurückkehren möchten. Das Haus gehört ihnen nicht, sie wohnen "nur" zur Miete hier, doch sie haben ihr Herz an die gemütlichen Räume gehängt. Die Kinder können von der Küche aus direkt in den kleinen Garten hinter dem Gebäude mit Schaukel, Sandkasten und Rasenfläche. Und: Die Nachbarn Olli und Constanze warten schon, um beim Umzug zu helfen. Doch auch die Ausgleichswohnung in der Brechtstraße hatte ein großes Plus: die Nähe zu den Großeltern und "auch hier unheimlich liebe Nachbarn". Aber drei, wenn auch große, Zimmer seien für eine sechsköpfige Familie einfach zu wenig.

Für die Hesses ist der Umzug zurück in den Augustinern wie ein Neuanfang. "Nach dem Umbau ist die Wohnung fast noch schöner als vorher", findet Franca Hesse. Sie hofft, an diesem Wochenende schon das erste Mal hier schlafen zu können. Auf jeden Fall will Paul nach den Osterferien von hier aus wieder zu seiner Schule, der Neustädter Grundschule, gehen. Zwei Minuten Weg, mehr nicht. Für ihn ist das ein unschätzbarer Vorteil. Als Zimmerpartnerin hat er sich seine Schwester Susi, neun, ausgesucht. "Weil die nicht so ein Frühaufsteher ist wie Jacob", erklärt er im Brustton der Überzeugung. Wo in diesem Jahr die bunten Eier versteckt werden? Franca Hesse zuckt mit den Schultern und lacht ihr sympathisches Lachen. Mal sehen. Die Kinder machen lange Hälse, aber aus ihrer Mutter ist nichts herauszubekommen. Auf jeden Fall wird es bald eine Grillparty für alle Helfer geben, versprechen die Hesses schon mal. Und Paul weiß, was er werden will: Feuerwehrmann.