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Wirtschaft: Jeder Fünfte nicht ausbildungsreif

08.04.2010, 13:35

Berlin/dpa. - Die Wirtschaft hält jeden fünften Schulabgänger für nicht ausbildungsreif. Neben schlechten Kenntnissen in Deutsch und Mathematik kritisieren immer mehr Betriebe fehlende Disziplin und Belastbarkeit.

Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bei 15 000 Unternehmen. Viele Eltern seien offenbar nicht mehr in der Lage, ihren Kindern Kompetenzen wie regelmäßiges Aufstehen, Pünktlichkeit und Leistungsbereitschaft zu vermitteln, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben am Donnerstag bei der Vorstellung der Befragung.

Laut Umfrage organisiert inzwischen mehr als jeder zweite Betrieb (54 Prozent) in irgendeiner Form Nachhilfe im eigenen Unternehmen, damit die Jugendlichen den Anforderungen einer Ausbildung gerecht werden. Dabei wird häufig auch auf ergänzende Angebote der Bundesagentur für Arbeit zurückgegriffen. Wansleben sprach von einer deutlichen Schere zwischen den steigenden Anforderungen im Arbeitsleben und der mangelnden Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen. Dabei verwies der DIHK-Hauptgeschäftsführer auf die Ergebnisse mehrerer PISA-Studien seit 2000, wo nach mehr als 20 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland nur auf Grundschulniveau rechnen und lesen können. Allerdings gebe es Anzeichen einer leichten Besserung.

Lediglich neun Prozent der befragten Ausbildungsbetriebe sehen laut Umfrage keine Mängel bei den Jugendlichen. Hingegen wird von 74 Prozent die mangelnde Qualifikation der Schulabgänger als größtes Ausbildungshemmnis genannt. Jeder zweite Betrieb klagt über Schwächen in Mathematik. 54 Prozent der Unternehmen sehen Probleme bei der Sprachkompetenz. Unzufrieden sind viele Betriebe auch mit der Qualität und Relevanz des Berufsschulunterrichtes. Wansleben sagte, angesichts der mangelnden Ausbildungsreife würden die Unternehmen «immer mehr zu Reparaturbetrieben».

48 Prozent der Unternehmen vermissen Leistungsbereitschaft bei den Jugendlichen, 46 Prozent klagen über mangelnde Disziplin, 44 Prozent halten die jungen Menschen für zu wenig belastbar. Dabei seien für jedes fünfte Unternehmen aber «soziale Kompetenzen» wichtiger als Schulnoten. So würde insbesondere das Gastgewerbe Abstriche bei den Schulleistungen hinnehmen, wenn die Jugendlichen über bessere Umgangsformen verfügten. Gerade im Gastgewerbe spiele freundliches Auftreten gegenüber den Kunden eine große Rolle.

«Nicht Lehrstellen, sondern geeignete Bewerber sind knapp», sagte der DIHK-Hauptgeschäftsführer. Selbst im Wirtschaftskrisenjahr 2009 habe jeder fünfte Ausbildungsbetrieb in Industrie, Handel und Dienstleistungen nicht alle angebotenen Lehrstellen besetzen können. Bei 220 000 Betrieben entspreche dies etwa 50 000 unbesetzten Lehrstellen. 18 Prozent der Betriebe könnten es sich vorstellen, Lehrstellen auch mit lernschwächeren Jugendlichen zu besetzen. Für den Großteil der Banken und Versicherungen komme dies allerdings nicht in Frage.

Wansleben rechnet auch in diesem Jahr mit einem weiteren Rückgang bei der Zahl der Ausbildungsverträge, obwohl sich die Auswirkungen der Krise langsam abschwächten. 15 Prozent der Unternehmen wollen laut Umfrage mehr ausbilden, 25 Prozent aber weniger. 60 Prozent wollen ihr Angebot aufrechterhalten. Zugleich werde die Zahl der Bewerber wegen der geburtenschwachen Schulabgängerjahrgänge auch in diesem Jahr weiter zurück gehen. An den Haupt- und Realschulen werden in diesem Jahr vier Prozent weniger Abgänger als im Vorjahr erwartet.

Auch die Bundesregierung zeigt sich in ihrem Entwurf des Berufsbildungsberichtes besorgt über die mangelnde Ausbildungsreife vieler Jugendlicher. Nach wie vor gebe es zu viele Schulabgänger ohne Abschluss. Zugleich werde jeder fünfte Ausbildungsvertrag (21,5 Prozent) vorzeitig gelöst, heißt es in dem Bericht, der am 28. April vom Kabinett verabschiedet werden soll. Laut Bericht befanden sich 2008 über 430 000 Jugendliche in berufsvorbereitende Maßnahmen. Die Bundesregierung erwartet auch in diesem Jahr einen weiteren Rückgang des Ausbildungsplatzangebotes der Betriebe - und zwar um 3,5 Prozent. Dies würde rund 20 000 Lehrstellen entsprechen.