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Zwanziger-Nachfolger Zwanziger-Nachfolger: Kollektives Schulterzucken

Von Jan Christian Müller 04.12.2011, 13:29

Frankfurt/Main/dapd. - Am Sonntag ist DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach nicht an sein Diensthandy gegangen und hat auf der Mailbox hinterlassene Bitten auf einen Rückruf unbeantwortet gelassen. Daraus könnte sich schließen lassen, dass der 61-Jährige noch eine Weile unbedrängt nachdenken möchte darüber, ob er spätestens im Oktober 2012 bei einem Außerordentlichen Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes als neuer DFB-Präsident kandidieren soll. Niersbach war am Freitagabend ebenso wie alle anderen Top-Funktionäre bei der Präsidiumssitzung mit anschließender Jahresabschlussfeier im Kempinski Hotel Gravenbruch von Theo Zwanzigers Rücktrittsankündigung vollkommen überrascht worden.

Gebremster Überschwang

Netzwerker Niersbach griff sofort zum Handy und informierte Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff unmittelbar nach der EM-Auslosung im fernen Kiew. Beide reagierten irritiert auf die Botschaft. Zwanziger, der stets die "vertrauensvolle Zusammenarbeit" mit Löw herausgestellt hatte, informierte in diesem Fall zuerst die Bild-Zeitung und erst dann seine Gefolgsleute, eine absonderliche Vorgehensweise, die dem 66-Jährigen Kredit im Verband kosten dürfte, ihm aber andererseits einen freundlichen Kommentar von Bild-Vize-Chefredakteur Alfred Draxler bescherte: "Für diesen Schritt" habe der "herausragende Präsident" Zwanziger "Respekt verdient."

Weniger überschwänglich registrierten die Präsidiumsmitglieder die Botschaft, die ihnen in einer persönlichen Ansprache vom scheidenden Boss unterbreitet wurde. Erst im vergangenen Herbst hatte Zwanziger sich bis 2013 wiederwählen lassen. Da hätte man schon erwartet, sagte der hessische Verbandspräsident Rolf Hocke gestern Morgen, dass Zwanziger nicht mitten in der Legislaturperiode aufhört. "Weihnachtliche Gefühle hat am Freitag keiner von uns dann mehr gehabt", berichtete Hocke. Zwanzigers Ankündigung, er sei "mit einer Persönlichkeit im Gespräch, die ich für geeignet halte", habe kollektives Schulterzucken bei den rund hundert versammelten Gästen hinterlassen. "Wir wissen nicht, an wen er denkt", so Hocke, der verwundert ist über Zwanzigers Anmerkung, er sehe in Deutschland "keine Herausforderungen mehr".

Zwanziger sah gestern Mittag beim Pokalsieg der Frauen vom FFC Frankfurt gegen Turbine Potsdam geradezu erleichtert aus auf seinem gelben Schalensitz in Reihe 7. Als der Stadionsprecher ihn begrüßte, gab es reichlich Beifall. Den hatte es zuletzt allenfalls spärlich gegeben. Zwanziger hat darunter gelitten. Zuletzt war er für seine Öffentlichkeitsarbeit nach dem versuchten Selbstmord des Schiedsrichters Babak Rafati kritisiert worden. Dabei war es dem meinungsstarken Frontmann nach seinem Amtsantritt 2004 geschickt gelungen, den reichlich angestaubten DFB als liberalen und modernen Verband zu positionieren. Den Wettskandal um Robert Hoyzer 2005 managte er nahezu perfekt, nach dem Suizid von Robert Enke im November 2009 fand er die richtigen, einfühlsamen Worte.

Entsprechend hoch war die Fallhöhe. Die unselige Schiedsrichteraffäre Amerell / Kempter und dessen heftige mediale Begleiterscheinungen; der öffentlich ausgetragene Streit um die Vertragsverlängerung von Löw und Bierhoff; die heftige Kritik vor allem aus dem Hause Bayern München an seiner Berufung in die von Korruptionsaffären gebeutelte Fifa-Exekutive - all das hat ihn Kraft und Nerven und Ansehen gekostet.

Zeitnahe Lösung

Der Präsident des einflussreichen Süddeutschen Fußballverbandes, Rainer Koch, drängt nun auf eine zeitnahe Ablösung: "Für mich ist jetzt wichtig, dass wir schnell einen neuen DFB-Präsidenten finden." Mit dem Kollegen Hocke und mit Franz Beckenbauer ist Zwanzigers Intimfeind Koch sich einig, dass Niersbach ein geeigneter Nachfolger wäre. Auch die Deutsche Fußball Liga könnte sich mit Niersbach anfreunden, heißt es. Ligapräsident Reinhard Rauball wollte sich nicht äußern, hätte aber allemal die Kompetenz und womöglich auch die Willenskraft, Zwanziger zu folgen.