1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Saalekreis
  6. >
  7. Die Kohle und der Fußball - 100 Jahre Sportring Mücheln

Sportliche Geschichte Die Kohle und der Fußball - 100 Jahre Sportring Mücheln

Vor 100 Jahren wurde der Verein Sportring Mücheln gegründet. Spielstätte war einst der Parksportplatz. Die Anlage musste aber dem Tagebau weichen.

Von Anke Losack 23.09.2021, 16:03
Dieses Wandbild von Steffen Blankenburg aus Gleina ziert eine Wand im Vereinsheim von Sportring Mücheln.
Dieses Wandbild von Steffen Blankenburg aus Gleina ziert eine Wand im Vereinsheim von Sportring Mücheln. (Foto/Repro: Anke Losack)

Mücheln/MZ - „Jetzt macht sich mal mein akribisches Sammeln bezahlt“, meint Klaus-Dieter Schmidt während er im Sportlerheim von Sportring Mücheln Urkunden und Fotos vergangener Jahrzehnte auf einem Tisch ausbreitet. Mit dabei hat der 2. Vorsitzende zum Beispiel ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem Porträts von Torwart Kurt Bartmann, Mittelstürmer Rudi Ecke und Co. zu sehen sind, die der Kreismeistermannschaft 1950/51 von „BSG Aktivist Geiseltal“ angehörten, außerdem Bilder des Frauenteams, das 15 Jahre bei Sportring aktiv war, sowie eine Kopie des Müchelner Anzeigers „Bote für das Geiseltal“ von Mittwoch, dem 21. September 1921. Hier wurde vermeldet, dass sich Sportring Mücheln gegründet hat.

Mehrfacher Namenswechsel

Laut der Vereinschronik erfolgte am 20. September, also vor ge-nau 100 Jahren, der Zusammenschluss zweier Vereine zu Sportring Mücheln. Bereits drei Tage danach gab es die Mitgliederversammlung und zwei Tage später das erste Heimspiel gegen die bisher ungeschlagene Mannschaft von Vorwärts Kötzschen. Die Gäste gewannen die Partie 9:0 auf dem Sportplatz in Zöbigker, das später durch den Braunkohletagebau zerstört wurde.

Die Einladung für die Mitgliederversammlung 1921 im ?Boten für das Geiseltal?
Die Einladung für die Mitgliederversammlung 1921 im ?Boten für das Geiseltal?
(Foto: Anke Losack)

Am Tag der Gründung hatte Sportring 240 Mitglieder, nahm fortan rege am Spielbetrieb teil. Während des Zweiten Weltkriegs mussten allerdings „viele Spieler im wehrdienstfähigen Alter den geliebten Sportring-Dress“ mit der Wehrmacht-Uniform tauschen, wird in der Chronik geschrieben. Einige sind aus dem Krieg nicht zurückgekommen.

Nach Kriegsende gab es im Müchelner Fußball einen Neuanfang. Der Verein, der ab 1947 den Namen „Aktivist Mücheln“ trug, nahm den Spielbetrieb wieder auf. Sportkleidung, Fußballschuhe und Bälle waren rar, die Begeisterung von Jugendlichen und Erwachsenen für den Sport aber enorm. Und schnell stellten sich Erfolge ein, berichtet die Chronik und nennt den Gewinn der Kreismeisterschaft der Männermannschaft 1947/48. Dies gelang drei Jahre später erneut, allerdings unter dem Vereinsnamen „BSG Aktivist Geiseltal“. Die Betriebssportgemeinschaft, mit personellem und finanziellem Rückhalt des Braunkohlewerkes ausgestattet, hatte sich 1950 aus Sportlern von Aktivist Neumark und Aktivist Mücheln zusammengeschlossen und bot nun mehrere Sportarten an.

„Es war das Herz des Sports in Mücheln“

Die Fußballspiele wurden auf dem im gleichen Jahr eingeweihten Parksportplatz ausgetragen und lockten nicht selten mehrere Tausend Zuschauer an. Eine große Errungenschaft war das eigene Sportlerheim, das mit viel freiwilligen Arbeitseinsatz der Sportler und Unterstützung des Werkes erbaut und 1954 übergeben wurde. „Es war das Herz des Sports in Mücheln“, weiß Klaus-Dieter Schmidt zu berichten. Der sportlich größte Erfolg der Vereinsgeschichte ließ nicht lange auf sich warten. Die „BSG Aktivist Geiseltal“ stieg 1957 in die 2. DDR-Liga auf. Nach deren Auflösung 1963 spielte Mücheln in den Ligen des Bezirks.

Ein Mannschaftsfoto, das aus den späten 1960er Jahren stammt.
Ein Mannschaftsfoto, das aus den späten 1960er Jahren stammt.
(Foto: Anke Losack)

Am 3. April 1971 wurde das letzte Spiel auf dem Parksportplatz ausgetragen. Ebenso wie viele Wohnhäuser und Geschäfte musste auch die Sportanlage der Braunkohle weichen. Das bedeutete aber nicht das Ende des Müchelner Fußballs. Zwei Jahre zuvor war angefangen worden, einen neuen, den heute bestehenden Sportkomplex am Eptinger Rain aufzubauen. Laut Chronik leisteten Sportler und Müchelner Bürger rund 115.000 Arbeitsstunden. Im Juli 1971 konnte das erste Spiel stattfinden. Zwei Jahre später wurde die Anlage mit dem Sportlerheim offiziell eingeweiht.

Den Nachwuchs im Fokus

Im November 1990 bekommt der Fußballverein im Geiseltal erneut einen neuen Namen: In „Sportring Atlantis Mücheln“ fand sich ein Sponsor aus Bochum wieder. Von dem löste sich der Verein nur vier Jahre später. Seitdem lautet der Name wieder „Sportring Mücheln“. Mit 178 Mitgliedern, zwölf Fußballmannschaften und den Zielen, den Fußball in Mücheln zu erhalten und der Kinder- und Jugendarbeit besondere Aufmerksamkeit zu schenken, startete der Verein in eine neue Ära.

Bis heute konnte die Mitgliederzahl ziemlich konstant gehalten werden. Rund 160 Mitglieder gehören dem Verein derzeit an. Die Gemeinschaft mache Sportring Mücheln aus, sagt Vorstandsmitglied Matthias Belz. Und das Ziel, die Kinder und Jugend zu fördern, wurde all die Jahre nicht aus den Augen verloren, ergänzt der Vorstandsvorsitzende Uwe Watzke. Zum Beispiel bildet Mücheln seit 2018 eine Jugendspielgemeinschaft mit Braunsbedra, wo alle Altersklassen vertreten sind. 2003 bis 2005 habe es diese Zusammenarbeit, allerdings nur bei den A-Junioren, schon einmal gegeben, erklärt der 34-jährige Matthias Belz, der damals selbst in dieser Mannschaft spielte.

Ein Bild der Sportanlage, die  Anfang der 70er  Jahre  der  Kohle  weichen musste.
Ein Bild der Sportanlage, die Anfang der 70er Jahre der Kohle weichen musste.
(Foto: Anke Losack)

Die Jugend weiter zu fördern, den Mitgliederstamm zu halten und das Vereinsleben aktiv zu gestalten, seien die Ziele für die nächsten Jahre, so Uwe Watzke, der seit 1971 Vereinsmitglied ist. Noch einige Jahre länger halten Heinz Uhlemann und Siegfried Krakowiak dem Verein die Treue. Ehrenmitglied Heinz Schmiedel sei in diesem Sommer leider verstorben, sagt Klaus-Dieter Schmidt, der selbst seit 1973 Mitglied und seit 1977 im Vorstand ist. Ohne Ehrenamtliche, ohne Unterstützung der Stadt sowie ohne Helfer und Sponsoren wäre die Vereinsarbeit nicht möglich, so der Vorsitzende Uwe Watzke. Pandemiebedingt findet die Feier zum 100-jährigen Jubiläum nicht in diesem Jahr statt. Es ist geplant, sie 2022 nachzuholen.