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Ausstellungsstart in Dessau Tanz das Bauhaus

Drei Ausstellungen auf einen Streich inszenieren das Avantgarde-Spiel von „Körper und Gesten“. Erstmals nutzt das Museum in Dessaus Mitte seine Erdgeschoss-Halle – bei freiem Eintritt.

Von Christian Eger 11.04.2024, 17:42
Die Beine hoch: Bewegungschor-Studie um 1936
Die Beine hoch: Bewegungschor-Studie um 1936 (Foto: Bund Archiv/ Dore Jacobs Schule)

Dessau-Roßlau/MZ. - Der Wunsch, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, brach sich nach dem Ersten Weltkrieg Bahn. Die äußeren und inneren Verhältnisse – alles sollte nach 1918 neu formiert werden. Heute wäre vom „Optimieren“ die Rede. Sportliche, soziale und kulturelle Impulse gingen ineinander über. Der menschliche Körper, der in Luft und Sonne badete, hielt den Volkskörper, der das politische Heil suchte, auf Trab. Und am Tanzen. Gern im Kollektiv – oder in „Gemeinschaft“.

Was da geschah und wie sich dieser Aufbruch bis in die Gegenwart fortsetzt, zeigt von diesem Freitag an das Bauhaus Museum Dessau. Drei Ausstellungen bietet die Präsentation, die unter dem Motto „Körper und Gesten“ das Verhältnis von Körper, Tanzkunst und Gesellschaft erörtert. Tanz das Bauhaus, ließe sich sagen. Denn der Aufschwung von Design- und Tanz-Avantgarde lief nicht nur nebeneinander her, sondern er beförderte sich gegenseitig.

Vorgeführt wird das im Erdgeschoss des Museums. Erstmals dort, denn es war ein erklärtes Ziel beim Amtsantritt der Stiftungsdirektorin Barbara Steiner, die Leere der Halle endlich zu füllen. Leben nicht nur in die Blackbox, sondern in die ganze Bude zu bringen. Es ist ein Versuch in Etappen.

Noch dreht es sich nicht

Der Eintritt in die Tanz-Schau ist denn auch kostenlos. Hinein ins Haus also und mit dem Haus hinein in die Stadt. Zwei große langgezogene Wände stehen schräg im Raum: Depot für Tanz-Utensilien – Medizinbälle und Tanzkeulen – auf der einen, klassische Museumsschauwände auf der anderen Seite. Künftig sollen sich die jeweils neu bespielbaren Wände sehr langsam um ihre Mitte drehen. Das war freilich bis zum Ausstellungsstart noch nicht zu erreichen. Warum das so ist, wird auch vor Ort erklärt. Hier soll es reichen, dass Barbara Steiner erklärt, dass spätestens im Oktober oder November die Anlage so laufen soll, wie sie sich das vorstellt. Das Museum als Ort der Bewegung: zwei Drehwände und eine runde Drehscheibe im Foyer.

Das Bauhaus tanzt. Bei der Wiener Künstlerin Christina Werner nicht nur im Geist, sondern an den Dessauer Stätten des Bauhauses. „Rhythm Is a Dancer“ heißt der Film, der über eine Stunde Tanzgruppen an Orten auftreten lässt, an denen die Bauhauskultur mit der historischen Arbeiterbewegung in Kontakt geraten sein soll.

Formationen der Zusammengehörigkeit: Performance „Rhythm Is a Dancer“ vor dem Bauhaus Museum Dessau
Formationen der Zusammengehörigkeit: Performance „Rhythm Is a Dancer“ vor dem Bauhaus Museum Dessau
(Foto: Christina Werner/Bildrecht Wien)

Der Konsumverein Törten, die Laubenganghäuser, das Tivoli, die Arbeiterdruckerei: In Gruppen treten die Akteure auf, um Zeichen der Zugehörigkeit und des Widerstands zu inszenieren. „Im Bewegungschor eine Art Gemeinschaft zu erleben“, wird Christina Werner zitiert. Der Film läuft an einer Stellwand im Erdgeschoss, dazu sind Fotografien von Tanzorten und Choreografien.

Gemeinschaft vor Gesellschaft, das war ein Impuls, der das Bauhaus zum Tanzen brachte. „Die Geste spricht“ heißt die Ausstellung im Kongressraum im linken Teil des Erdgeschosses, dessen Nutzung für Ausstellungen ein Gewinn ist. Der Maskenchor von Oskar Schlemmer, Schattenspiele auf der Bauhausbühne, die Gymnastiklehrerin Karla Grosch beim Grätschsprung am Bauhaus werden auf Fotografien gezeigt. Bewegungschöre, Aufbrüche im Gleichschritt, so ging es voran.

Palucca und Wigman? Sie waren 1936 dabei

Eine avancierte Bewegung, die in ihrer Gleichschritts-Synchronisation anschlussfähig war nach links und rechts. Namhaft etwa waren die Tänzerinnen Gret Palucca und Mary Wigman nicht allein vor, sondern auch nach 1933. Beide gehörten zu den Mitwirkenden, die zum „Weihespiel“ der Olympischen Spiele 1936 Bewegungschöre aus Tausenden Menschen formierten. Ein starkes Schaustück ist die Originaltanzmaske für Wigmans „Hexentanz“.

Was Tanz kann, wie er unmittelbar wirkt und mitreißt, zeigen – und das ist die dritte Präsentation – zwei Kurzfilme des französischen Filmkünstlers Clément Cogitore. Der Basler „Morgestraich“, ein musikalischer Nachtmarsch, läuft im Wechsel mit „Les Indes Galantes (Das galante Indien)“, einem stampfenden Krump-Tanz zu Barock-Oper Klängen von 1735, den Cogitore von jungen Pariser Vorstadt-Tänzern auf der Bühne der Bastille-Oper aufführen lässt. Klassik unterlegt von Beats, ein choreografiertes Gemenge mit allen Zeichen von starker, dabei rücksichtsvoller Individualität. Selbstbehauptung und -Verortung, Gesellschaftstanz im besten Sinn. Bauhaus Museum Dessau: bis Ende 2024. Di-So 10-18 Uhr. Eintritt frei.