1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Kultur
  6. >
  7. Neue Daueraustellung in Naumburg: Alles hört auf Nietzsche

Neue Daueraustellung in Naumburg Alles hört auf Nietzsche

Denk- und Lebenswege eines weltberühmten Philosophen: In der neuen Dauerausstellung des Nietzsche-Hauses Naumburg übernehmen Audioguides eine führende Rolle.

Von Kai Agthe Aktualisiert: 15.04.2024, 11:18
Der Schnauzbart macht den Unterschied: Im Ohrensessel kann man selbst zu Nietzsche werden.
Der Schnauzbart macht den Unterschied: Im Ohrensessel kann man selbst zu Nietzsche werden. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg/MZ. - Wer hier sehen will, der muss vor allem hören. Die neue Dauerausstellung im Nietzsche-Haus in Naumburg ist, überraschend für ein Museum, mit nur wenigen Exponaten gefüllt. Zu denen gehören aber immerhin eine lebensgroße Pferde-Skulptur, ein Schneebesen und auch ein Apothekerfläschlein mit einem Abführmittel. Dennoch ist die an diesem Samstag zu eröffnende Präsentation in dem Gebäude – in dem Friedrich Nietzsche (1844-1900) frühe und späte Lebensjahre verbrachte – primär akustisch zu erleben: mit Audioguides.

Fünf Audioführungen werden angeboten, die zentralen Themen aus der Denk- und Lebenswelt des Philosophen unterhaltsam folgen: „Nietzsches Tiere“, „Nietzsches Dinge“, „Nietzsches Begriffe“, eine „Kinderspur“ und, für alle, die sich kurz und bündig informieren wollen, „Nietzsches Leben“. Letztere Audioführung dauert rund 30 Minuten und ist auch in englischer Sprache zu erleben. Wollte man die Audio-Angebote vollständig auf sich wirken lassen, wären zweieinhalb Stunden einzuplanen.

Mit Maulwurf und Klavier

In jedem der insgesamt acht Räume können die Besucher Audiospuren aus den genannten Themenbereichen ansteuern. Welche das im Einzelnen sind, ist den jeweiligen Piktogrammen auf den Begleittafeln in den Zimmern zu entnehmen, in denen einst die Pfarrerswitwe Franziska Nietzsche (1826-1897) mit ihren beiden Kindern Friedrich und Elisabeth (1846-1935) lebte.

In Raum 5 etwa steht ein arg lädiertes Klavier der wenig bekannten Pianofabrik „R. Schellemi & Co.“ aus Zeitz, das auf Nietzsches Musikalität verweist. Hier wird man nicht nur über die Bedeutung des Klaviers für den passionierten Musiker im Philosophen informiert („Nietzsches Dinge“), man kann auch etwas über dessen Äußerungen zum Maulwurf (Audiospur: „Nietzsches Tiere“) und über das Philosophem „Genealogie“ („Nietzsches Begriffe“) erfahren.

„Es empfiehlt sich, bei einem Rundgang den Audioguide zu benutzen, da nicht alle Objekte selbsterklärend sind“, sagt Ralf Eichberg, der Leiter des 2010 eröffneten und von der Friedrich-Nietzsche-Stiftung getragenen Nietzsche-Dokumentationszentrums, zu dem auch das benachbarte Nietzsche-Haus gehört.

Kuratiert wurde die Ausstellung von dem Berliner Philosophen Daniel Tyradellis. Im März danach gefragt, auf wie viele Besucher er in der von ihm konzipierten und „1, 2, 3… Nietzsche“ betitelten Ausstellung jährlich hoffe, sagte Tyradellis: „Also 10.000 Leute hätte ich schon gerne.“ Das sei ambitioniert und wohl nicht sofort einlösbar, bremste sich der Kurator sogleich selbst. Bislang kommen laut Hausherr Eichberg etwa 2.500 pro Jahr in das Museum.

Das einstige Wohnhaus der Nietzsches ist seit 1994 ein Museum.
Das einstige Wohnhaus der Nietzsches ist seit 1994 ein Museum.
(Foto: dpa)

Die bisherige Ausstellung, die seit der Eröffnung des Hauses vor genau 30 Jahren in kurzen Texten und ausgewählten historischen Fotografien das Leben, die Freunde und die Reisen Nietzsches vorstellte, ist indes nicht verloren, sondern hat einen neuen, wenn auch bescheidenen Platz gefunden: Im Anbau des Nietzsche-Hauses, der bislang nicht Teil des Rundgangs war. Eine richtige Entscheidung, da zu dieser analogen Überblicksschau ein überaus informatives Begleitheft erhältlich ist.

Auch die Räume unterm Dach, die indes kein Ausstellungsbestandteil sind, werden einer neuen Nutzung zugeführt: „Wir haben hier jene Titel aus der Gelehrtenbibliothek von Ludger Lütkehaus nach Themen geordnet aufgestellt, die keinen Bezug zu Nietzsche haben“, so Eichberg. „Wissenschaftler und Künstler sollen hier in aller Stille kreativ sein können.“ Der Nachlass des Freiburger Philosophen und Schopenhauer-Herausgebers Lütkehaus (1943-2019) wird im Nietzsche-Dokumentationszentrum nebenan verwahrt.

Für alle zugänglich ist hingegen ein Touchscreen im Kassenraum, auf dem man die „Nietzsche Source“ konsultieren kann. Eine Internetseite, auf der die Gesamtausgabe seiner Werke aufgerufen werden kann. „Wer Fragen zu einem Zitat oder zu einem speziellen Gedanken Nietzsches hat, kann sich dort über die Suchfunktion sofort den genauen Wortlaut anzeigen lassen“, sagt Eichberg. Etwa: Was hat Nietzsche mit der „blonden Bestie“ gemeint oder wo ist der vielzitierte Ausspruch „Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“ zu finden?

An dieser Medienstation ist es ferner möglich, einen Blick in die Faksimile-Gesamtausgabe zu werfen. Dazu gehören auch Nietzsches digitalisierte Notizbücher, in denen die gedanklichen Urgründe all seiner Werke stecken.

Teil der globalen Popkultur

Damit aber noch nicht genug. In der ersten Etage erwartet die Gäste ein Monitor, auf dem nachverfolgt werden kann, welche Suchanfragen im Augenblick zu Nietzsche auf der ganzen Welt bei Google gestellt werden. „Das ist Nietzsche-Rezeption in Echtzeit“, sagt Ralf Eichberg. Apropos Rezeption: Den Abschluss des Rundgangs bildet eine Galerie voller farbenfroher T-Shirts mit Nietzsche-Motiven, die vor allem aus dem nord- und südamerikanischen Raum stammen und zeigen, dass der Naumburger Philosoph auch ein Teil der globalen Popkultur ist. Alles in allem ist „1, 2, 3... Nietzsche“ eine Ausstellung, über der gut und gern dessen „Zarathustra“-Ausspruch stehen könnte: „Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen.“Die Dauerausstellung „1, 2, 3… Nietzsche“ wird an diesem Samstag um 11 Uhr im Nietzsche-Haus Naumburg, Weingarten 18, eröffnet, bis zum 31. Oktober immer Di-Fr 14-17 Uhr sowie Sa/So 10-17 Uhr

Da steht  ein Pferd auf dem Flur. Warum, erklärt der Audioguide zur Ausstellung.
Da steht ein Pferd auf dem Flur. Warum, erklärt der Audioguide zur Ausstellung.
Torsten Biel