1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Oratorien: Oratorien: Im Glauben an Gott und Heimat

Oratorien Oratorien: Im Glauben an Gott und Heimat

Von Johannes Killyen 05.06.2001, 15:42

Halle/MZ. - Die Oratorien als Georg Friedrich Händels kommerziellen Notnagel zu bezeichnen, wäre angesichts des unbändigen Ruhms eines "Samson", eines "Jephta" oder eines "Messias" eine veritable Frechheit. Fakt ist jedoch, dass Händel sich der Gattung Oratorium erst voll und ganz zuwandte, als der Kampf um das englische Opernmonopol für ihn nicht mehr zu gewinnen war. Entscheidend ist das Jahr 1741: Händel verabschiedete sich von der Opernbühne und komponierte in nur drei Monaten sowohl "Messias" als auch "Samson". Da es eine gefestigte Oratorientradition zu dieser Zeit nicht gab, bot sich ihm die Chance, eine eigene Gattung zu kreieren, seine eigenen Maßstäbe zu setzen und darin eine Monopolstellung zu erlangen.

Die Erschaffung eines Gattungskanons freilich musste nach dem "Try-and-error"-Prinzip vonstatten gehen: Händel probierte, was machbar war, und bestimmte den Stil mit jedem der durchaus unterschiedlichen Oratorien neu. Obgleich die Stoffe der Oratorien vor allem biblischer Herkunft sind, handelt es sich nicht um Kirchenmusik im eigentlichen Sinne. Denn Religion steht hier nicht nur für sich selbst, sondern auch für den gesellschaftlichen Konsens der bürgerlichen "civil religion".

Ulrich Siegele schreibt, "dass einige herausgehobene Stücke Händels einem Wiederholungsritual unterworfen wurden, das aus der kirchlichen Liturgie bekannt ist". Händels Oratorien sind und waren demnach religiös und gleichzeitig überreligiös, sie stifteten englische Nationalidentität. Und brachten Händel einen Haufen Ruhm und Geld ein. Das Oratorium "Belshazzar" entstand 1744/45 auf ein Li bretto von Händels Freund Charles Jennens und schildert die religiösen Freveltaten des königlichen Stellvertreters Belshazzar sowie den Untergang Babylons.

Erstmals bei den Händel-Festspielen zu Gast ist mit "Bel shazzar" das Collegium Vocale Gent - ein Spitzenensemble aus der Originalklang-Weltliga. Scheinbarer Schönheitsfehler: Das Collegium wird nicht vom erkrankten Philippe Herreweghe persönlich geleitet, sondern von Daniel Reuss, der jedoch ohnehin für die Einstudierung des Ensembles zuständig war. Mit Mark Padmore, Carolyn Sampson, Ingeborg Danz, Martin Oro, David Wilson-Johnson, Friedemann Büttner und Dominik Wörner ist zudem ein Solisten-Septett der Spitzenklasse angekündigt.

"Jephta" ist nicht nur Händels letztes großes Oratorium, sondern vielleicht auch sein tragischstes: Der Krieger Jephta gelobt in der Schlacht, das erste Lebewesen zu töten, das ihm bei der Rückkehr aus der Haustür entgegen tritt. Es ist seine Tochter. Die nicht unbedingt auf Barockmusik spezialisierte MDR-Kammerphilharmonie und der exzellente MDR-Rundfunkchor, die "Jephta" beim Händel-Fest präsentieren, werden von Howard Arman geleitet, der etliche Jahre auch am Pult des Händelfestspiel-Orchesters stand. Solisten sind Sophie Daneman, Catherine Wyn Rogers, Gunther Schmid, Kresimir Spicer und Wolf Matthias Friedrich.

"Belshazzar" am 14. Juni, 19.30 Uhr, Marktkirche
"Jephta" am 15. Juni, 19.30 Uhr, Dom zu Halle.