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Der Esel, der auf Rosen geht Wie eine Studentin Geflüchteten in Halle im Umgang mit Behörden hilft

Menschen aus der Ukraine und aus anderen Ländern fällt der Kontakt mit deutschen Ämtern oft schwer. Tabitha Volohonsky unterstützt sie dabei.

Von Jakob Milzner 03.05.2023, 16:00
Tabitha Volohonsky hilft Geflüchteten bei Ausfüllen von Formularen und im Kontakt mit Behörden.
Tabitha Volohonsky hilft Geflüchteten bei Ausfüllen von Formularen und im Kontakt mit Behörden. (Foto: Jakob Milzner)

Halle/MZ - Deutschland ist für vieles bekannt und für manches durchaus auch im positiven Sinne. Eins aber gehört ganz sicher nicht dazu: einfache und gut verständliche Amtssprache. Nein, in Sachen Sprache ist Deutschland stattdessen bekannt für Wörter und Sätze, deren Ziel eher das Verhindern von Verständigung zu sein scheint als dessen Zustandekommen.

Wer in Deutschland aufgewachsen ist, hat sich daran in der Regel gewöhnt. Doch Menschen, die neu nach Deutschland kommen, die Sprache noch nicht oder nur wenig beherrschen, und die sich nun durch den hiesigen Bürokratiedschungel schlagen müssen, kann das schon mal über den Kopf wachsen.

Die Formulare sind oft in einem ganz anderen Deutsch formuliert, als die es in den Sprachkursen lernen.

Tabitha Volohonsky, Ehrenamtliche

Tabitha Volohonsky weiß das. Schließlich hat sie oft genug gesehen, dass es anderen Menschen so erging. „Es ist halt Stress, wenn man zehn Briefe im Briefkasten hat, die man nicht versteht“, sagt sie. „Die Formulare sind oft in einem ganz anderen Deutsch formuliert, als die es in den Sprachkursen lernen.“

Die Studentin ist in Austausch mit Menschen aus der Ukraine, aus Russland und anderen postsowjetischen Staaten, die in Halle leben und Schwierigkeiten im Umgang mit Formularen und Behörden haben. Einmal die Woche hilft sie beim „Welcome-Treff“ der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis mit und unterstützt russischsprachige Geflüchtete dabei, Anträge zu stellen, Briefe zu beantworten oder mit ihren Vermieterinnen oder Vermietern zu kommunizieren.

Die Studentin ist zweisprachig aufgewachsen

Dafür ist die 25-Jährige nun für den Ehrenamtspreis „Der Esel, der aus Rosen geht“ vorgeschlagen worden. Dabei redet sie über ihren Einsatz, als sei er selbstverständlich: „Das ist für mich eine Routine“, sagt sie, „kein Projekt, das abgeschlossen werden muss, sondern ein Teil meines Alltags.“

Dass Tabitha Volohonsky helfen kann, verdankt sie ihren russischstämmigen Eltern. Die hätten sie zweisprachig erzogen, erzählt die in Deutschland geborene und aufgewachsene Studentin, sodass sie das Russische fließend beherrsche. „Das ist eine Sprache, über die ich nicht nachdenken muss“, sagt sie. Diese Fähigkeit beeinflusse auch, wie sie das Geschehen in Russland wahrnehme: „Man kriegt Informationen anders mit und kann diese Propaganda gut dekonstruieren.“ Wichtiger sei es ihr aber, selbst tätig zu werden: „Lieber einfach hingehen und machen“, sagt sie.

Das sind ganz starre Strukturen, in die du deine Lebensrealität reinpressen musst.

Tabitha Volohonsky, Ehrenamtliche

Mit ihrem Engagement habe sie vor rund einem Jahr begonnen, nachdem sie 2021 für ihr Studium nach Halle gezogen sei. „Ich war neu in der Stadt und habe geguckt, was es so gibt“, sagt Tabitha Volohonsky. „Der Welcome Treff ist ein Begegnungsort für verschiedene Menschen, wo auch verschiedenste Ehrenamtliche tätig sind“, beschreibt sie ihren Wirkungsort. Neben ihr gebe es dort noch andere Helfende, die Geflüchtete auf weiteren Sprachen unterstützten.

Meistens falle es ihr leicht, den Menschen, die zu ihr kommen, beim Ausfüllen ihrer Formulare zu helfen. Aber nicht immer: „Manchmal finde ich es selbst schwierig“, sagt sie. „Das sind ganz starre Strukturen, in die du deine Lebensrealität reinpressen musst. Einzelfälle muss man dann erstmal aushandeln.“ Doch oft könne sie erleben, wie die Leute gestresst bei ihr ankämen und sich dann langsam entspannten, während sie zusammen die Formulare durchgingen. Und selbst lerne sie dabei noch interessante Menschen kennen: „Es ist total spannend zu sehen, was für Leute in Halle unterwegs sind.“

Das ist der „Esel“ – und so machen Sie mit

  • Der Ehrenamtspreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ wird seit 2003 an engagierte Menschen und Initiativen aus Halle und dem Saalekreis verliehen. In diesem Jahr werden sechs Eselskulpturen aus Bronze vergeben: Drei Bürgerpreise, der Preis der Initiatoren und der Preis der Jury. Neu ist der Publikumspreis, für den online gevotet werden kann.
  • Die Wahl startet nach dem 25. Mai, wenn die Jury die zehn Teilnehmer an dem Voting bestimmt hat. Auch die Bürgerpreise werden durch die Jury vergeben. Wenn Sie, liebe Leser, engagierte Bürger, Vereine oder Initiativen kennen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, dann können sie diese Personen oder Gruppen vorschlagen. Dazu müssen Sie online ein Formular auf der Internetseite des Ehrenamtspreises ausfüllen. Im oberen Feld der Seite findet sich dazu ein extra Button. Sie bekommen danach eine Mail als Bestätigung. Die Nominierungsphase läuft bereits und endet am 6. Mai.
  • Informationen: Die MZ wird multimedial die 19. Auflage des „Esels, der auf Rosen geht“ begleiten. Dazu gehören Porträts der Kandidaten, Blicke hinter Kulissen sowie Audio- und Videobeiträge. Gebündelt werden alle Infos auf der Webseite des Ehrenamtspreises.