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Nach Gründung im Jahr 1999 Strommuseum Dessau blickt sorgenvoller in die Zukunft - „Alte Stromer“ suchen dringend Nachwuchs

Einem einzigartigen und sehr speziellen Museum in Dessau gehen die Fachleute aus. Kenntnisse und Schätze aus 138 Jahren Dessau-Roßlauer Strom-Geschichte sollen nicht auf dem Müll landen.

Von Silvia Bürkmann 21.04.2024, 14:00
Von den Gründungsvätern     der Interessengemeinschaft (auf dem   gerahmten Foto)  ist aktuell nur noch Hans-Jürgen Steinbiß (84 Jahre, r.) aktiv im Strommuseum Dessau.  Hans-Jürgen Lorenz  (82 Jahre, l.) hatte in Aken  die  Elektrifizierung erforscht. Dort hat es nicht für ein  Museum gereicht.
Von den Gründungsvätern der Interessengemeinschaft (auf dem gerahmten Foto) ist aktuell nur noch Hans-Jürgen Steinbiß (84 Jahre, r.) aktiv im Strommuseum Dessau. Hans-Jürgen Lorenz (82 Jahre, l.) hatte in Aken die Elektrifizierung erforscht. Dort hat es nicht für ein Museum gereicht. Fotos (3): Thomas Ruttke

Dessau/MZ. - Jetzt sind es nur noch zwei. Am Anfang hatten sich sieben Enthusiasten um Initiator Günther Albrecht gesammelt, die 1999 die „Interessengemeinschaft zur Geschichte der öffentlichen Stromversorgung Dessaus“ gründeten. Schließlich hat die Stadt seit 1886 elektrischen Strom, seit mittlerweile 138 Jahren. Schneller war in Deutschland in Sachen Elektrifizierung nur die Hauptstadt Berlin, wo im September 1882 erstmals ein unbekanntes, gleißendes Licht den Potsdamer Platz erhellte, mit den gerade vom US-Amerikaner Edison erfundenen Glühbirnen.

Vor dem Krieg nach Gleichsstrom an Akkustationen angestanden

Die Geburtsstunde des Elektrizitätswerkes Dessau als Tochter der Continental Gasgesellschaft schlug in der Wallstraße (heute Rathaus-Center). Gasmotoren trieben Dynamos zur Gleichstrom-Erzeugung. Die Nachfrage stieg, das Stromnetz weitete sich aus in Richtung Bahnhof. In der Elisabethstraße, Ecke Bitterfelder Straße und in der Unruhstraße wurden gar Akkustationen errichtet, um der steigenden Nachfrage in der dunklen Tages- oder Jahreszeit nachkommen zu können. Letzter baugeschichtlicher Zeitzeuge ist der Klinkerbau an der Ecke zur Hans-Heinen-Straße. Die Gleichstromversorgung lief bis 1945, bis zur Bombennacht am 7. März.

Zuvor aber hatte die öffentliche Energieversorgung schon ein weiteres, ein neues Kapitel aufgeschlagen: 1909 floss im Umspannwerk in der Meiereistraße (heute Erich-Köckert-Straße) erstmals 5 kV-Drehstrom durch die Leitung und wurde in den Transformatoren umgeformt für die Abnehmer auf 220 oder 380 Volt. Nach Kriegsende stellte Dessau um auf Wechselstrom. Im öffentlichen Netz wird Gleichstrom bis heute einzig noch für die Straßenbahn genutzt.

Erste Exponate stammen von 1905

An der Mittelelbe nun wollten die altgelernten Elektriker und verdienten Mitstreiter der öffentlichen Energieversorgung anfangs lediglich eine Ausstellung zeigen zur Geschichte des Stroms in der Elbestadt. Und neben der historischen Erinnerung sollte auch der Blick in die „elektrisch geladene Zukunft“ ermöglicht werden.

Dann aber wuchsen gerade die Fundstücke schier ins Unermessliche. Und aus der Einmal-Ausstellung wurde schließlich das Strommuseum Dessau. 2003 wurde es in der Kornhausstraße 147 eröffnet, gelegen direkt an der Elbe in Nachbarschaft der Kläranlage. Damit hat sich ein Wunschtraum der „Glorreichen Sieben“ erfüllt.

Im „Lampenladen“ findet sich alles:  vom Kronleuchter bis zur Kuhstalllampe.
Im „Lampenladen“ findet sich alles: vom Kronleuchter bis zur Kuhstalllampe.
Foto: Thomas Ruttke

Davor wurden geschätzte vier- bis fünftausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit der sieben IG-Mitglieder in ihren Traum zu investiert. Vom Bergen der Fundstücke und Dokumente, über den Transport, bis hin zur Ausstattung der Räume. „Wir hatten genug zu tun“, erinnert sich Hans-Jürgen Steinbiß. Die Ausstellung beschränkt sich nicht nur auf bestimmte Gebiete der Elektrizität, „wir zeigen eigentlich alles vom Verteiler bis zum Endgerät“, so der heute 83-Jährige, der sich selbst augenzwinkernd und doch voller Stolz „Oberstromer a.D.“ nennt.

So ist eine bunte Mischung Energie zusammengetragen worden. Im ersten Raum dominieren Spannungsverteiler und Stromzähler. Der älteste stammt aus dem Jahr 1905. So wie der Strom seinen Weg nimmt, bewegt sich auch die Ausstellung. Steckdosen und Leitungen führen zu historischen Telefonen, Bügeleisen oder Lampen vom Kronleuchter bis zur Kuhstalllampe. Die DVV-Stadtwerke und die Stadt haben das Projekt mit ihren Möglichkeiten unterstützt und die Räumlichkeiten günstig zur Verfügung gestellt.

Immer weniger Experten wisen noch, wie alles funktionierte

Die Exponate stammen von vielerlei Stellen und Quellen. Die Zahl derer, die sie noch im Einsatz erlebten und sie den Museumsbesuchern beschreiben und erklären können, ist in den vergangenen 20 Jahren immer kleiner geworden. Von den Sieben halten noch zwei die Stellung: Hans-Jürgen Steinbiß und Uwe Marx. Der eine hat die 80 überschritten, der andere die 60. „Wir brauchen für den Erhalt des Museums und die ehrenamtliche Arbeit ganz dringend interessierten Nachwuchs“, sagt Steinbiß.

Das Strommuseum Dessau ist direkt hinter dem Elbedeich neben dem Klärwerk gelegen.Geöffnet hat es immer am ersten Mittwoch im Monat von 10 bis 16 Uhr.
Das Strommuseum Dessau ist direkt hinter dem Elbedeich neben dem Klärwerk gelegen.Geöffnet hat es immer am ersten Mittwoch im Monat von 10 bis 16 Uhr.
Foto: Thomas Ruttke

Denn sonst droht dem besonderen Museum ein trauriges Ende. Wenn sich keiner mehr drum kümmert und dafür interessiert, drohen die eben wieder entdeckten Schätze letztlich doch auf dem Müll zu laden. „Das haben sie nicht verdient. Und auch nicht die Leute, die sie gerade erst gerettet haben“, sagt Hans-Jürgen Lorenz.

Er hat es in Aken erleben müssen, wie das Kapitel Elektrizität aus dem Heimatmuseum verschwand. Lorenz hat gemeinsam mit Steinbiß 1956/57 eine Lehre zum Elektromonteur begonnen, gehört also zu den „Stromern“ der ersten Stunde im ersten Nachkriegsjahrzehnt.