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Kultur Ein dreister Rabe begeistert in Bernburg die Kinder

Puppentheaterfest zum Auftakt der Spielzeit im Theater. Warum Zuhörer begeistert mitsingen und sich teils eigene Texte ausdachten.

Von Sophia Möbes 21.09.2021, 18:00
Stroh zu Gold? Frank Hirrich mit seinen Hauptfiguren.
Stroh zu Gold? Frank Hirrich mit seinen Hauptfiguren. Foto: Bühne Ernst Heiter

Bernburg/MZ - Ein völlig unterschiedliches Puppentheater-Programm hatte Christina Lewek, künstlerische Leiterin des Bernburger Theaters, auch in diesem Jahr ausgewählt. Nicht nur die Erwachsenen, auch die Kinder sollten so auf die Eröffnung der neuen Spielzeit eingestimmt werden. Alle Veranstaltungen wurden vom Metropol ins Große Haus verlegt, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Und am Eingang kontrollierten zwei Mitarbeiterinnen die Einhaltung der geltenden Vorschriften.

Vom klassischen Märchen „Rumpelstilzchen“ über ein Programm aus und mit Liedern „Der Kuckuck und der Esel“ bis zu einer modernen Geschichte „Der kleine Rabe Socke“ spannte sich der Bogen. Und für die Erwachsenen war ebenfalls wieder etwas dabei, „Mario und der Zauberer“ nach der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann.

Frank Hirrich vom „Figurentheater Ernst Heiter“ aus einem Dorf in der Nähe von Waren/Müritz eröffnete den Reigen mit seiner sehr schönen Rumpelstilzchen-Aufführung als Solist. In einem Koffer steckt alles, was er für das Puppenspiel benötigt. Jede Veränderung am Koffer lässt neue Spielräume zu. Das altbekannte Märchen wurde als Geschichte aus dem Koffer faszinierend präsentiert, die Kinder waren begeistert.

Die zweite im Bunde war Sabine Zinnecker vom Dorftheater Siemitz, noch weiter nördlich, hinter Güstrow gelegen. Ihr Puppenspiel mit alten und neuen Kinderliedern zum Mitsingen erzählt, wie der Kuckuck und der Esel Juroren suchen, die ihren Gesang bewerten und ihren Streit beenden sollen.

Wen sie da auf einer kleinen Bühne - deren Teile immer wieder umgesteckt werden, um neue Spielstationen zu schaffen - so alles unterwegs treffen, war beeindruckend. Die Kinder sangen begeistert mit, dachten sich teils eigene Texte aus. Natürlich wussten sie am Ende auch, wer der Sieger ist.

Vom „Theater der Altmark“ hatte Puppenspielerin Claudia Tost als Waschfrau den „Kleinen Raben Socke“ von Kinderbuchautorin Nele Most, in der Bearbeitung von Dietmar Bertram, mitsamt einer Waschküche im Gepäck. Der Rabe war ziemlich dreist und ungezogen, bestahl seine Freunde, verstritt sich mit jedem, bis er ganz allein und einsam war. Doch selbst das Zureden von Waschfrau Tante Törte half nichts. Er wollte und konnte seinen Freunden nicht eingestehen, dass er nicht schwimmen kann, weshalb er schließlich fast sein Leben lassen musste. Aber auch dieses Stück ging gut aus.

Nicht so Stück für Erwachsene. Die Bühne Cipolla, Figurentheater mit Livemusik aus Bremen, gastierte schon zum zweiten Mal in Bernburg. Schauspieler und Puppenspieler Sebastian Kautz und Cellist Gero John hatten im vorigen Jahr „Michael Kohlhas“ von Heinrich von Kleist im Gepäck.

Diesmal war Thomas Manns Novelle „Mario und der Zauberer“ die Basis eines offenen Spiels mit lebensgroßen Figuren und Masken: Eine eigentlich schöner Italien-Urlaub einer Familie verliert seinen Reiz durch düstere Vorahnungen und eskaliert schließlich, als ein machtbesessener Hypnotiseur sein Umfeld mit makabren Experimenten bloßstellt.

Die Novelle soll auf einem wahren Erlebnis der Familie Mann beruhen. Das schlimme Ende allerdings entstammt der Feder von Thomas Mann, in einem Stück, das anhand dieser Hypnosen das Verhältnis zwischen Führer und Massen verdeutlicht.

Kautz und John bilden eine künstlerische Einheit, arbeiten seit zehn Jahren gemeinsam, setzen Literatur in Musik und Figurentheater um. Sie beherrschen die Kunst auszuharren, Pausen fast bis zur Unerträglichkeit auszureizen. Die musikalische Begleitung von Gero John ist ebenso präsent wie unaufdringlich, an manchen Stellen aber auch aufrüttelnd und übermächtig. Gleiches trifft für Sebastian Kautz zu.

Obwohl er fast die ganze Zeit offen - und das brillant - spielt, verschwindet er hinter seinen Figuren, verschmilzt mit ihnen, lässt ihnen den Vortritt.

Christina Lewek war am Sonntagnachmittag froh, dass alles so gut gelaufen ist. „Wir wussten nicht, ob es sinnvoll ist, weiterzumachen wie vorher. Es war schwer, überhaupt Stücke für die neue Saison einzukaufen, denn viele Künstler konnten ein Jahr lang nichts Neues produzieren. Wir konnten auch manches, was wir eingekauft haben, nicht vorher ansehen.

Zudem können wir im Metropol die Abstandsregeln nicht einhalten. Aber die Programme haben auch auf der großen Bühne gewirkt, das ist nicht selbstverständlich. Nun wissen wir, dass es machbar ist, die Stücke von der Studiobühne auch ins Große Haus zu bringen. Die Leute sind gekommen, das ist gut und geht hoffentlich im Herbst so weiter.“