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Baustellen und Flüchtlingsunterkünfte Baustellen Sachsen-Anhalt: Wird hier das Geld der Steuerzahler verschwendet?

Von Tim Fuhse 17.07.2019, 07:56
Die Baustelle für den Magdeburger Citytunnel, hier im Jahr 2017, ist eine der Steuersünden.
Die Baustelle für den Magdeburger Citytunnel, hier im Jahr 2017, ist eine der Steuersünden. dpa

Magdeburg - Das Millionengrab taucht kurz nach 14 Uhr am Fenster auf. Ein langer Flachbau mit roten Dachziegeln und Fensterfront. Leer, obwohl hier eigentlich hunderte Asylbewerber untergebracht sein sollten. Im Bus drehen sich die Köpfe nach links. „Noch läuft der Mietvertrag vom Land“, sagt Ralf Seibicke, Landesvorstand des Bundes der Steuerzahler, vorne ins Mikrofon.

Für fünf Jahre wurde der ehemalige Baumarkt in Genthin (Jerichower Land) übernommen. 2015 war das - als fast 35.000 Asylsuchende nach Sachsen-Anhalt kamen und das Land verzweifelt nach Gebäuden suchte, um die Geflüchteten unterzubringen. Der Flachbau galt als Notfall-Reserve. Er wurde letztlich aber nie genutzt. Rund zwei Millionen Euro wird das bei Vertragsende gekostet haben.

Für den Bund der Steuerzahler ist der Baumarkt deshalb ein Ort, an dem Steuergeld verschwendet wurde. 109 solcher Fälle prangert die Organisation in ihrem aktuellen Schwarzbuch an. Auch einige Bauvorhaben aus dem nördlichen Sachsen-Anhalt sind dabei.

Der Steuerzahler-Bund und die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung haben sie am Dienstag per Reisebus besucht. Bei der ersten „Schwarzbustour“ im Bundesland wurde über kostspielige Bauten und Pläne der Behörden informiert.

Teure Baustellen in Sachsen-Anhalt: Straßenschlucht am Hauptbahnhof

Die Rundreise beginnt an einem Platz, der für die Steuer-Wächter längst zum Paradebeispiel geworden ist. Ihr Bus steht am Magdeburger Hauptbahnhof.

Gleich um die Ecke versperren Bauzäune den Blick in eine Straßenschlucht. Auf der Ernst-Reuther-Allee - eigentlich eine Hauptverkehrsader - ist seit Jahren kein Durchkommen.

„Das war von Anfang an ein hoch umstrittenes Projekt“, sagt Seibicke vorne im Bus. Seit Juni 2015 wird hier ein rund 350 Meter langer Tunnel zum Kölner Platz gebaut. Künftig soll der Autoverkehr unterirdisch fließen.

Ursprünglich sollte der Bau demnächst fertig werden. Mittlerweile geht die Stadt aber davon aus, dass der Tunnel erst im Herbst 2022 öffnet. Einst waren rund 100 Millionen Euro veranschlagt, nun sind es 40 Millionen mehr.

„Nach unserer Einschätzung ist damit das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht“, sagt Seibicke, der einst auch Rechnungshof-Chef war. Allein der Eigenanteil der Stadt sei seit den ersten Plänen von einstmals acht Millionen auf 67 Millionen angestiegen.

Wenig später rollt der Reisebus los. Elbaufwärts, zum leeren Baumarkt in Genthin und ins beschauliche Fischbeck, wo ein Pflasterweg dank Hochwasserfonds zur Asphaltstraße ausgebaut werden soll. Drei Stunden lang fährt die Reisegruppe durch Altmark und Börde, rund 200 Kilometer weit.

Die Sitzreihen im Bus sind gut gefüllt. Vor allem Männer und Frauen in der zweiten Lebenshälfte sind an Bord. Jacketts, Hemden, Blusen. Bürger, die der Einladung gefolgt sind - viele sind vom Fach. Da werden Detailfragen gestellt, es geht um Vergabeprozesse, das Herabstufen von Straßen, Haftungsrecht.

„Die meisten Stadträte sind keine Bauingenieure“, sagt Marcus Faber. Der FDP-Bundestagsabgeordnete aus der Altmark gibt in der ersten Reihe neben Seibicke den zweiten Reiseführer. Die Steuerzahler-Organisation steht der Partei nahe, gilt als wirtschaftsliberal geprägt.

Steuerverschwendung in Sachsen-Anhalt? Millionenbau in Stendal

Am Stadtrand von Stendal biegt der Bus in eine verlassene Einfahrt und bleibt vor einem Zaun stehen. Dahinter ragen zwei graue Betonbauten empor. „Man sieht das Bauschild“, sagt Seibicke.

Das Land baut die alte DDR-Kaserne bis Mitte 2022 zum Zweitsitz der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZAST) um. Sie soll die Zentrale in Halberstadt entlasten und wird Betten für bis zu 1.000 Menschen vorhalten. Andere Unterkünfte werden geschlossen. Kosten: 30 Millionen Euro. Rund acht Millionen davon übernimmt das Land.

„Man baut 1.000 neue Plätze und schließt 550“, sagt Seibicke. „Das ist aus unserer Sicht schon fragwürdig bei rückläufigen Flüchtlingszahlen.“

Dabei baut das Land hier, um Geld zu sparen. Das erklärt das Innenministerium in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Abgeordneten Thomas Höse aus dem Sommer 2018. Ziel sei es, „den administrativen und logistischen Aufwand auf ein Minimum zu reduzieren“ und den Betrieb „wirtschaftlicher zu gestalten.“

Außerdem sei der Bau nötig, um europarechtliche Standards einzuhalten - etwa beim Schutz von Familien. Bisherige Übergangslösungen müssten schon deshalb ersetzt werden.

Rechtliche Zwänge, komplizierte Verwaltungspraxis, Notlagen wie 2015. Angerissen wird all das im Bus. Als Argument für steigende Kosten geht es nur bedingt durch. Und dann rollt die Reisegruppe weiter. Nach Haldensleben, wo kostspielig saniert werden soll. (mz)