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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Staatsanwalt knöpft sich Grimms Märchen vor

12.12.2012, 19:29

dessau/MZ. - Das diesjährige Weihnachtsmärchen "Des Teufels drei goldene Haare" am Anhaltischen Theater Dessau ist ein Publikumsmagnet. Was im Großen Haus als "feenhafte Illustration" auf die Bühne kommt, wurde jetzt im Alten Theater auf seine juristischen Tatbestände untersucht: Am Sonntagabend gab es dort die zweite Auflage von "Der Staatsanwalt hat das Wort" - mit Gunnar von Wolffersdorff, der auch im richtigen Leben in Dessau als Ermittler unterwegs ist. Was die Straftaten in dem Grimm-Märchen angeht, so ist die Verletzung des Briefgeheimnisses noch eine der geringsten, wie von Wolffersdorff im MZ-Gespräch mit Corinna Nitz erläutert.

Herr von Wolffersdorff, die finsterste Gestalt in "Des Teufels drei goldene Haare" ist der König, oder?

von Wolffersdorff: Der König ist der Haupttäter.

Welche Straftaten gehen auf sein Konto?

von Wolffersdorff: Versuchter Mord, als er den Jungen ins Wasser setzt. Außerdem versuchte erfolglose Anstiftung zum Mord...

...als er den Jungen mit einem Brief zur Königin schickt, in dem er dessen Hinrichtung fordert?

von Wolffersdorff: Ja, allerdings wird der Text unterwegs von Räubern ausgetauscht.

Ist das auch eine Straftat?

von Wolffersdorff: Es handelt sich um die Verletzung des Briefgeheimnisses. Aber um das zu ahnden, bräuchte man einen Strafantrag des Geschädigten.

Also des Königs?

von Wolffersdorff: Ja, aber der hat natürlich ein Problem. Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass es sich um mehrere Räuber handelt und wenn die alle leugnen, müssen sie freigesprochen werden. Das ist die schwierige Konstellation bei Gruppendelikten, die sich oft schwer vermitteln lässt - dass Leute freigesprochen werden müssen, weil ihnen eine Tat nicht nachgewiesen werden kann.

Gibt es weitere Straftaten?

von Wolffersdorff: Körperverletzung des Teufels, als ihm seine Großmutter die goldenen Haare ausreißt. Allerdings ist auch das ein Antragsdelikt und der Staat wird kein öffentliches Interesse an der Verfolgung haben, weil es gesellschaftlich nützlich war, was die Großmutter gemacht hat. Unter anderem konnten die Probleme, zum Beispiel mit dem Brunnen, der versiegt war, gelöst werden. Übrigens darf der Teufel, sonst der Bösewicht vom Dienst, in diesem Stück einmal das Opfer sein.

Um noch einmal auf den König zurückzukommen: Mit welcher Strafe müsste er heute rechnen?

von Wolffersdorff: Im Märchen ist die Strafe ja schon eingebaut, er löst den Fährmann ab, für immer. Man könnte das scherzhaft auch eine ewige gemeinnützige Arbeit nennen. Im Sinne unseres Strafgesetzbuchs wäre das natürlich nicht gerecht. Für den Mordversuch hätte er im schlimmsten Fall eine lebenslange Freiheitsstrafe bekommen können, weil er nicht damit rechnen konnte, dass das Kind aus dem Wasser gerettet wird.

Es gibt ja ein Happy End, dennoch ist das Märchen brutal, eigentlich nicht wirklich für Kinder geeignet..

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von Wolffersdorff: Das ist ein viel diskutiertes Thema, die Gebrüder Grimm haben ihre Märchen zu Lebzeiten selbst entschärft. Aber es scheint nur für Erwachsene ein Problem zu sein, Kindern erscheint eher logisch, was mit den Bösen passiert. Abgesehen davon finden wir viel Rechtsgeschichte in den Märchen. Und die Gebrüder Grimm waren selbst Juristen, bevor sie in die Literatur gingen. Auch Goethe war Jurist.

Wo ist der Zusammenhang?

von Wolffersdorff: Was sie beschäftigt, sind menschliche Dramen. Das ist die Klammer und auch der Reiz dieses Theaterformats.

Heißt das, Sie werden selbst eines Tages Geschichten schreiben?

von Wolffersdorff (lacht) : Im Ruhestand selbst Gerichtsberichte für eine Zeitung zu schreiben, danach würde es mich gelüsten.