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Party statt Vernunft Corona in Halle aktuell: Party statt Vernunft - OB Wiegand droht angesichts der Epidemie mit Ausgangssperre

Von Dirk Skrzypczak 20.03.2020, 07:06
Eine Gruppe Jugendlicher hat sich am Donnerstagnachmittag vor dem Landesmuseum für Vorgeschichte getroffen.
Eine Gruppe Jugendlicher hat sich am Donnerstagnachmittag vor dem Landesmuseum für Vorgeschichte getroffen. Silvio Kison

Halle (Saale) - Trubel im Pestalozzipark und am Thüringer Bahnhof, Jugendliche, die auf der Peißnitz in größeren Gruppen zusammensitzen und Bier trinken: Das Versammlungsverbot angesichts der Corona-Epidemie scheint viele junge Leute nicht zu interessieren. Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) schickt daher eine Warnung an die Stadtgesellschaft.

Werde sich an dieser Situation nichts ändern, droht er mit Ausgangssperren. „Es gibt leider viele junge Menschen, die den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Sollte es notwendig sein, werden wir mit dem Landesverwaltungsamt darüber sprechen, Ausgangssperren zu verhängen“, sagte der OB am Mittwoch. Da hatte sich die Zahl der Infizierten auf 50 erhöht.

Massive Gegenwehr?

Am Dienstag hatten Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die von Beamten des Polizeireviers in Halle unterstützt werden, massive Ansammlungen von Jugendlichen im Südpark, Reichardts Garten und am Thüringer Bahnhof aufgelöst. „Den Ordnungskräften begegnete teil massive Gegenwehr. Die Jugendlichen haben keine Einsicht gezeigt“, so Wiegand, der am Dienstagabend den Katastrophenfall für Halle ausgerufen hatte.

Das Katastrophenschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, das jetzt greift, gibt dem OB weitreichende Befugnisse. So darf er Ausgangssperren verhängen - die auch nur für bestimmte Tageszeiten gelten - oder ganze Stadtgebiet zu Sperrzonen erklären. Aber nicht nur in der Öffentlichkeit werden Verbote missachtet. Am Mittwoch hatte das Ordnungsamt 79 Geschäfte überprüft und dabei 37 Fälle festgestellt, in denen Läden Waren verkauften, obwohl sie es nicht durften.

„Ich kann verstehen, dass viele Menschen zögerlich sind. Das Virus ist nicht greifbar“

„Ich kann verstehen, dass viele Menschen zögerlich sind. Das Virus ist nicht greifbar“, sagte Amtsärztin Christine Gröger auf der turnusmäßigen Videopressekonferenz am Mittwoch. Gröger appellierte an die Bewohner, sich an Empfehlungen und Anordnungen zu halten. Die Stadt stellte dabei klar, dass es nicht darum gehe, dass sich die Hallenser nun in den eigenen vier Wänden verbarrikadieren sollen. Man könne sehr wohl auch an der frischen Luft Sport treiben oder spazieren gehen - wenn man den Mindestabstand von zwei Metern zu Personen einhalte, die nicht zur Familie gehören.

Wiegand hatte am Mittwoch schon betont, dass der Katastrophenfall für Halle keine Katastrophe sei. „Er dient dazu, die Katastrophe zu verhindern.“ Am Donnerstag legte er nach. Man habe nach wie vor die Chance, dass die Infektionskurve kippe. Man werde nicht warten, bis sich alle Hallenser infiziert haben. „Deshalb dürfen wir nicht nachlassen.“ Es gelte vor allem, ältere Menschen und chronisch Kranke zu schützen.

Das sagt das Innenministerium

Um die Einhaltung der Anordnungen zu kontrollieren, hatte Wiegand im Innenministerium Sachsen-Anhalts zur Unterstützung eine Hundertschaft der Polizei angefordert. Die Anfrage wurde abgelehnt. „Die zur Verfügung stehenden polizeilichen Einsatzkräfte des Landes befinden bereits seit Beginn der Coronalage vollumfänglich zur Aufrechterhaltung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Einsatz“, erklärte das Innenministerium auf MZ-Nachfrage.

Eine isolierte Zuweisung an die Stadt Halle würde die schnelle Reaktionsmöglichkeit der Landespolizei auf aktuelle Lageentwicklungen stark beschränken. Allerdings sei die Polizeiinspektion in Halle aufgefordert, die Verordnung zur Eindämmung des Virus durchzusetzen.

Unterdessen wartet die Stadt noch auf eine Antwort der Bundeswehr. Wiegand hatte das Heer um medizinische Hilfe gebeten - für die Belieferung mit Schutzmasken etwa, den Einsatz von Militärärzten oder den Aufbau von mobilen Stationen zur Versorgung von Corona-Patienten, sollten die Kapazitäten in den fünf Kliniken der Stadt irgendwann nicht ausreichen. Die insgesamt 163 Intensivbetten können die Kliniken nach eigenen Angaben auf 230 Plätze erweitern. (mz)

Das Ordnungsamt wird bei seinen Kontrollen auch von Mitgliedern aus den freiwilligen Feuerwehren unterstützt.
Das Ordnungsamt wird bei seinen Kontrollen auch von Mitgliedern aus den freiwilligen Feuerwehren unterstützt.
Silvio Kison
Eine Gruppe Jugendlicher hat sich am Donnerstagnachmittag vor dem Landesmuseum für Vorgeschichte getroffen.
Eine Gruppe Jugendlicher hat sich am Donnerstagnachmittag vor dem Landesmuseum für Vorgeschichte getroffen.
Silvio Kison