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Leucorea Musica  Leucorea Musica : Uni-Orchester im Stadthaus macht Laune

Von Erhard Hellwig-Kühn 21.01.2020, 11:45
Martijn Dendievel kommt aus Belgien. In Wittenberg dirigierte er das Universitätsorchester.
Martijn Dendievel kommt aus Belgien. In Wittenberg dirigierte er das Universitätsorchester. Sascha Graf

Wittenberg - Einen Neujahrsempfang der besonderen Art, nämlich als Konzert, veranstaltete das Akademische Orchester der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit ihrem musikalischen Direktor Matthias Erben jetzt im Wittenberger Stadthaus. Dass dieses Neujahrskonzert nach 2018 dringend wieder erwartet war, konnte man an dem fast ausverkauften Saal sehen. Die Erben’schen Universitätsmusiken sind eben ein Magnet in Wittenberg.

Vielfach preisgekrönt

Von Erben musikalisch ins neue Jahr begleitet zu werden, macht ja auch Laune. Was wird er diesmal zum Besten geben, welches Instrument übernimmt er? Nun, man fand ihn für die ersten beiden Werke bei den Schlagzeugern an der Kesselpauke, den Becken und der Triangel, Brahms 2. Sinfonie benötigte nur einen Schlagzeuger. Neben diesen vielen Studenten und Ehemaligen sowie Mitgliedern anderer Fakultäten als Orchester brachte Erben zwei äußerst interessante, junge Musiker mit.

Der belgische Dirigent Martijn Dendievel und der russische Schlagzeuger Denis Yakovlev sind gerade mal 25 Jahre alt und mittlerweile gestandene, vielfach preisgekrönte Musiker. Die beiden „haben doch tatsächlich bereits mit drei Jahren ihre musikalische Ausbildung begonnen, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen“, sagte Erben hochachtungs- und liebevoll gegenüber der MZ.

Das Konzert begann zünftig mit Franz Lehárs „Gold und Silber“, einem Werk, das 1902 als Auftragswerk der Fürstin Pauline Metternich für ihre „Gold und Silber-Redoute“ (Ballfest) geschrieben wurde. Der Konzertwalzer war in der Redoute bei seiner Erstaufführung die Schlappe des Abends, der Welterfolg stellte sich erst später ein. Das Akademische Orchester unter Martijn Dendievels Leitung erfüllte mit diesem Entree alle Ansprüche und bescherte eine klare, schwungvolle Wiedergabe, ohne zusätzliche Schminke. Dass der Walzertanz für das Publikum dabei nicht zum Tragen kam, läge an den vielen Stuhlreihen, die zu stellen waren, so Erben augenzwinkernd.

Ein Highlight des Nachmittags war Darius Milhauds selten zu hörendes Konzert für Marimba, Vibrafon und Orchester. Die Marimba hat Ähnlichkeit mit dem Xylofon und ist afrikanischen und mittelamerikanischen Ursprungs. Die klaviaturähnlich angeordneten Tasten sind vorwiegend aus Jacarandaholz aus Guatemala. Den weichen, tragenden Klang verleihen ihm die orgelpfeifenartig angeordneten Resonanzröhren, die früher einmal untergehängte Flaschenkürbisse waren.

Mit zwölf unterschiedlichen Schlägeln und sogar vom Komponisten vorgeschriebenen Spiel mit dem Schaft des Schlägels oder auch den Fingerkuppen auf der Marimba musizierte Denis Yakovlev ganz im Sinn der Klangästhetik Milhauds. Es faszinierte, wie er in einem Konzert Marimba und das Vibrafon mit seinem metallischen an Jazz erinnernden Klang Mehrstimmigkeit erzeugte und gegenseitige Kontraste hervorzauberte.

Wie ein Klangrausch

Der zweite Satz war wie ein Klangrausch. Dabei entwickelte sich ein inniger Kontakt zwischen Bratschen und ersten Geigen. So entstand dann eine musikalische Tiefe zwischen der Verträumtheit der Vibrafon-Akkorde und der ungezwungenen, verspielten Gelassenheit der Marimba. Im letzten Satz dann herrschte Virtuosität im Sinne lateinamerikanischer Rhythmik und ausgelassener Fröhlichkeit. Yakovlev hatte damit das Publikum im Sturm erobert.

Nicht ohne Zugabe

Nach der Pause dann Brahms 2. Sinfonie D-Dur, die er am Wörthersee komponierte. Die Tonart deutet auf eine gewisse Heiterkeit, ist es aber nicht unbedingt. Der Anfang ist Pianissimo mit einer positiv gestimmten Melodik. Sie braucht eine bessere Akustik als im Stadthaus und man hört dabei leichte Unsauberkeiten in den Geigen. Aber die vorgegebene Dynamik, mit der die innewohnende Wehmut dieser Musik förmlich einschwebte, brachte der junge Dirigent Dendievel wunderbar zur Geltung. Man spürte im ersten Satz durchaus die Wogen des Sees in dem sanft wiegenden Rhythmus.

Der zweite Satz, ein sehnendes Adagio des Grüblers Brahms, ist eines der schönsten Stücke von ihm. Das tänzerische Allegretto grazioso lockerte kurz auf, bevor es in den triumphalen Finalsatz mündet, schön pianissimo beginnend. Danach tobt es in der Musik ausgelassen und temperamentvoll. Martijn Dendievel bot mit dem durchaus gut disponierten Akademischen Orchester ein gelungenes Neujahrskonzert.

Als Zugabe sang dann das gesamte Orchester, jeder von seinem Instrumentenplatz aus als Chor Brahms’ Lied „Waldesnacht“. Überraschend, genial, fantastisch und sinnlich. (mz)

Schlagwerker Denis Yakovlev
Schlagwerker Denis Yakovlev
Sascha Graf