1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Erbgut der europäischen Bevölkerung: Erbgut der europäischen Bevölkerung: Schmelztiegel Sachsen-Anhalt

Erbgut der europäischen Bevölkerung Erbgut der europäischen Bevölkerung: Schmelztiegel Sachsen-Anhalt

Von Ralf Böhme 11.10.2013, 18:06
Skelettfunde wie hier beim Bau der A 38 wurden analysiert.
Skelettfunde wie hier beim Bau der A 38 wurden analysiert. dpa Lizenz

Halle/MZ - Sachsen-Anhalt ist die genetische Wiege Europas. Vor allem der Landstrich zwischen Elbe und Saale erwies sich bereits in der Jungsteinzeit ( 5500 - 2000 v. Chr.) als der „Schmelztiegel“. Hier mischten sich Menschen und ihre Ideen über einige Jahrtausende auf einzigartige Weise. Das fand ein internationales Wissenschaftler-Team mit Experten aus Halle heraus. Am Freitag wurden die Kernaussagen der Expertise im Landesamt für Archäologie vorgestellt - zeitgleich im australischen Adelaide und im amerikanischen Fachmagazin „Science“.

450 prähistorische Skelette untersucht

Sensationelles Fazit: Alles, was heute für das Erbgut der europäischen Bevölkerung typisch ist, geht zurück auf die steinzeitliche Entwicklung rund um Halle. „Der Genpool des Kontinents hat sich seither kaum verändert“, sagte Prof. Kurt W. Alt, der Chef der Arbeitsgruppe Bioarchäometrie, am Ende der weltweit größten Studie dieser Art. Seiner Erkenntnis voraus ging die Untersuchung von 450 prähistorischen Skeletten. Gefunden wurden die Knochen an insgesamt 25 Ausgrabungsstätten in Sachsen-Anhalt, so im Verlauf der A 14 und der A 38 sowie in Kiesgruben und Tagebauen. Schon zu Beginn ihrer Arbeit konnten die Forscher frohlocken: Sämtliches Material, immerhin bis zu 5 000 Jahre alt, befand sich in einem gut verwertbaren Zustand. Dann setzten die Wissenschaftler, deren Projekt sich der Finanzhilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft erfreute, auf neueste molekularbiologische Verfahren zur DNA-Analyse. Damit kamen sie an bislang unbekannte Informationen heran, die sich in den „Kraftwerken“ der Zellen - den Mitochondrien - versteckten. Zugleich erfolgten Vergleiche mit kulturellen Hinterlassenschaften darunter Geschirr, Schmuck oder Pfeilspitzen.

So erlangte man erstmals auch eine Ahnung davon, welche Menschengruppen wann, wo und wie aufeinander trafen. Susanne Friederich vom halleschen Landesmuseum für Vorgeschichte: „Einerseits waren es Jäger und Sammler, andererseits ausgewanderte Bauern aus dem Orient und aus dem Osten.“ Das gleichzeitige Gegeneinander, Nebeneinander und Miteinander dieser Gruppen könne viele Erscheinungen erklären, so die Ausbreitung der Schnurkeramik als Gefäßverzierung über den gesamten Kontinent.

Klimawandel beeinflusst Zusammenleben

Darüber hinaus steht nach Auffassung des Forscher-Teams nunmehr fest, dass auch der damalige Klimawandel das Zusammenleben stark beeinflusste. So hätten sich Jäger und Sammler zunächst zwar in die Altmark-Region zurückgezogen. Im Verlauf einer Kälteperiode kehrten sie aber wieder um und wurden an Elbe und Saale nach und nach Ackerbauern und Viehzüchter.

Das Museums für Vorgeschichte Halle öffnet am 14. November eine Sonderausstellung über die Geheimnisse der Steinzeit-Toten.