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Am 18. Juni 1990 verschwunden Am 18. Juni 1990 verschwunden: Staatsanwalt: Mörder von Beate Landgraf läuft frei herum

Von Michael Hübner 30.05.2018, 13:17
Beate Landgraf wird im Juni 1990 brutal ermordet. Der Täter ist auch 28 Jahre nach dem Verbrechen noch nicht ermittelt.
Beate Landgraf wird im Juni 1990 brutal ermordet. Der Täter ist auch 28 Jahre nach dem Verbrechen noch nicht ermittelt. Landgraf

Wittenberg - Die Ex-Polizistin lässt der Fall nicht los. Sie ermittelt auf eigene Faust. „Wie Miss Marple“, witzelt sie. Die Hallenserin möchte der Familie des Opfers helfen. Beate Landgraf war am 18. Juni 1990 nicht mehr nach Hause gekommen. Die Spur des Mädchens verlor sich in Coswig. Die 17-Jährige wurde brutal ermordet. Der Mörder läuft nach Auffassung der Staatsanwaltschaft immer noch frei herum.

Das ist mit einem Blick in die Statistik in Deutschland eher ungewöhnlich. Immerhin werden 2017 95,5 Prozent der Tötungsverbrechen ausgeklärt. Für die Ex-Polizistin ist das aber noch zu wenig, müssen auch alte Fälle gelöst werden.

„Das gibt den Angehörigen die Hoffnung auf späte Gerechtigkeit“, so die Detektivin, die davon berichtet, dass es für die Eltern nach dem grausigen Verbrechen nie mehr einen fröhlichen Tag gegeben habe. Das Engagement der ehemaligen Beamtin ist irgendwie auch eine Botschaft an die Täter: Du kommst nicht davon!

Der Polizeibegriff Cold Cases bezeichnet „kalte Fälle“. In den USA wurden in den 80er Jahren Spezialeinheiten gegründet. So etwas gibt es auch in Holland. 2016 wurde in Hamburg die erste Cold-Case-Einheit in Deutschland gegründet. „Wir können nicht zufrieden sein, solange ein Mordfall ungelöst bleibt“, so der Chef des Landeskriminalamts, Frank-Martin Heise, „auch die Angehörigen haben einen Anspruch auf effektive Strafverfolgung“. Cold-Case-Einheiten gibt es in Sachsen-Anhalt nicht.

Die Frau hat schon sehr viel erreicht: „Kripo live“ berichtete wieder über den Fall - allerdings ohne öffentlichen Zeugenaufruf, weil es dafür zumindest noch keine richterliche Genehmigung gibt. Doch, das sagt der MDR-Reporter der MZ, die Berichterstattung werde fortgesetzt. Am Mittwoch wird am Schloss Wiesenburg gedreht.

Hier wollte Beate an ihrem Todestag hin, als Schienenersatzverkehr in Coswig zum unfreiwilligen Zwischenstopp wird. 60 Minuten später fand ein Mann aus Vockerode Beates Rucksack. Für die Eltern begann ein unvorstellbares Drama, das immer noch andauert.

Unterdessen recherchiert „Miss Marple“ und kann schon mal einen ersten Tatverdächtigen präsentieren. Es ist ein Serienmörder, der in der Presse das „Monster von Roßlau“ genannt wird. Er hat in der DDR eine 26-Jährige ermordet.

Die Weltgeschichte sorgt aber dafür, dass er wieder auf freien Fuß kommt. Die Amnestie zur Wendezeit macht sowas Ungeheuerliches möglich. Der rechtskräftig verurteilte Mörder kann so Zsuszanna, die er in Wittenberg kennenlernt hat, töten.

Die Ungarin ist seine Ehefrau. Auf sein Konto gehen aber auch die Morde an Sandy und Antje aus Torgau. Das eine Mädchen ist gerade mal 18 Monate, die andere 17 Jahre alt. Er wird in das Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie eingewiesen. Vor seiner Einweisung werden vier Mädchen im Bereich der A 9 in der Wendezeit bis 1992 getötet. „Beate, Diana, Silvana und Sabine“, weiß die Hallenserin sofort die Namen aus dem Stegreif.

Tatsächlich geriet damals der bereits einsitzende Mörder in Verdacht. Kriminalbeamte fuhren nach Uchtspringe. Doch der Psychopath verweigerte die DNA-Probe. Er durfte das, die Abgabe ist freiwillig.

Und 1994 gab es dafür in Sachsen-Anhalt noch keine Datenbank. Als die Beamten zum zweiten Mal - dieses Mal mit einer richterlichen Verfügung - in die Klinik fuhren, floh der damals 45-Jährige in den Freitod. Unter seinen Besitztümern wurden Sachen gefunden, die durchaus anderen Opfern gehören könnten. Kleidung von Beate war nicht darunter - die hat eigentlich die Polizei gesichert.

„Alles war voller Blut“, berichtet die Ex-Polizistin. Das ist noch heute wichtiges Beweismaterial zur Aufklärung des Verbrechens. Eigentlich. „Aber die Kleidung ist verschwunden. Dafür habe ich keine Erklärung“, sagt die Frau. Es gibt aber eine Vermutung.

Das sind die vielen Aktenzeichen, die zum Fall gehören. Das erste stammt von der Staatsanwaltschaft Halle. Dort gibt es heute nur noch eine Kartei. Hier wird vermerkt, dass die Akten komplett nach Dessau abgegeben wurden. In der Muldestadt werden mehrere Aktenzeichen angelegt. Darunter auch das von 2010. Die Staatsanwaltschaft sieht keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze mehr. Vielleicht, so die Ex-Polizistin, wurde die Kleidung unter den Ermittlern heute nicht mehr präsenten Aktenzeichen abgelegt.

Das hält Frank Pieper für ausgeschlossen. „Asservate wurden in der DDR nicht aufbewahrt“, erklärt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft. Er bestätigt aber die MZ-Informationen, dass derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten laufe.

Das geht gegen einen Toten nicht. Die Ermittler haben also einen anderen Mann im Focus. Insgesamt gab es in fast drei Jahrzehnten mindestens sechs Verdächtige. Darunter neben dem „Monster aus Roßlau“ zwei weitere Serienmörder.

Auch der aktuell Verdächtige ist für die Beamten kein Unbekannter, stand unmittelbar nach der Tat schon im Visier der Ermittler. „Es gab aber keinen dringenden Tatverdacht“, heißt es am Dienstag aus dem Fachkommissariat zwei der Dessauer Polizeidirektion. (mz)