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Gewalt gegen Lehrer Gewalt gegen Lehrer: Siebenjähriger schlägt Lehrerin ins Gesicht und tritt zu

Von Beate Thomashausen 10.05.2018, 05:00
Immer wieder rasten in den Schulen Schüler aus und werden gewalttätig.
Immer wieder rasten in den Schulen Schüler aus und werden gewalttätig. Symbolfoto/Maik Schumann

Sangerhausen - Ein siebenjähriger Grundschüler verpasst seiner Lehrerin einen Faustschlag mitten ins Gesicht und tritt sie danach in den Bauch. Das gibt es nicht? Doch, das ist so passiert in einer Grundschule im Landkreis Mansfeld-Südharz.

Brigitte T. (Name geändert) ist die Lehrerin, sie möchte anonym bleiben. Sie hat in 30 Jahren Schuldienst schon einiges mitgemacht und sagt heute, dass Gewalt an Schulen fast schon auf der Tagesordnung steht.

Siebenjähriger Schüler rastet aus - so kam es dazu

Der Ausraster dieses Grundschülers hatte eine Vorgeschichte, erzählt Brigitte T.: Der Junge sei verhaltensauffällig und könne sich kaum einen ganzen Schultag konzentrieren und mitarbeiten. Wenn er den Unterricht zu massiv störe, sei mit den Eltern vereinbart, dass der Junge dann abgeholt werde.

Und das sei an diesem Tag der Fall gewesen. Der Junge sollte abgeholt werden, sträubte sich aber heftig dagegen. Brigitte T. half ihrer Kollegin dabei, das sich heftig wehrende Kind aus dem Klassenraum zu den wartenden Eltern zu begleiten. Die einzige Reaktion der Mutter, die beobachten konnte, wie ihr Sohn der Lehrerin in den Bauch trat: „Das kannst du doch nicht machen.“

Kein Einzelfall: Lehrer an jeder dritten Grundschule angegriffen

Brigitte T. ist kein Einzelfall. An etwa jeder dritten Grundschule in Deutschland sind Lehrer binnen fünf Jahren laut einer neuen Studie körperlich angegriffen worden. Dies berichteten Schulleiter, wie aus einer jetzt veröffentlichten Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) hervorgeht.

Landesbildungsminister Marco Tullner (CDU) findet die Entwicklung alarmierend und äußerte gegenüber der MZ, dass sein Ministerium im Sommer ein entsprechendes Gewaltpräventionskonzept vorlegen will.

Coach in Hettstedt beobachtet Verrohung der Gesellschaft

Eine Verrohung in der Gesellschaft und damit auch an den Schulen beobachtet Coach Egbert Otto vom Trainings-, Beratungs- und Kompetenzzentrum in Hettstedt schon geraume Zeit. In Hettstedt werden unter anderem für Schüler, Lehrer und Sozialarbeiter Workshops und Weiterbildungen angeboten, in denen Strategien vermittelt werden, wie man gegen Gewalt, Mobbing und Cybermobbing vorgehen kann und wie man deeskalierend wirken kann.

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass verbale Gewalt von Kindern und Jugendlichen gar nicht mehr als Gewalt angesehen wird. Beschimpfungen, für die ein Schüler in meiner Generation noch von der Schule geflogen wäre, sind heute ganz normaler Umgangston geworden“, stellte Otto fest. Mit Kursen und Training auch in Selbstverteidigung, die sich sowohl an Schüler als auch Lehrer richten, versucht Otto der Entwicklung entgegenzusteuern.

Gewalt an Schulen - nicht nur in sozialen Brennpunkten

All das passiert nur an Schulen in sozialen Brennpunkten? Weit gefehlt: „Wenn Frau X das nicht ausrechnen kann, ist sie dumm.“ Das habe schon mal an einer Wandtafel an der Grundschule in Allstedt gestanden. Und auch als „blöde Kuh“ tituliert zu werden, könne einem Lehrer dort passieren, sagt Karin Strobach.

Sie ist Leiterin der Grundschule in Allstedt und keinesfalls erfreut darüber, dass sich die Verhaltensprobleme auch an ihrer beschaulichen Landschule vermehren. Mit einem Maßnahmekatalog geht man in der Schule dagegen vor.

Sprich, Schüler, die auffällig oder gar ausfällig werden, werden zu Strafarbeiten wie Hof kehren herangezogen. Das sei mit der Schulsozialarbeiterin abgesprochen und auch die Eltern haben Kenntnis darüber, dass so verfahren werde.

Lehrer werden in sozialen Netzwerken in die Mangel genommen

Was die Allstedter Schulleiterin mit großer Sorge erfülle, sei die Tendenz, dass Lehrer in sozialen Netzwerken geradezu in die Mangel genommen werden. „Ein Fehltritt, eine ungerechte Benotung und ein Lehrer kann in der Whatsappgruppe von Eltern regelrecht gemobbt werden“, sagt sie.

Jens Peter, Leiter des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Sangerhausen, rät seinen Lehrern deshalb vorsorglich von der Bildung von Whatsappgruppen ab. Brigitte T. sieht die Lehrer alleingelassen: „Früher durften wir eher handeln, konnten Psychologen zurate ziehen und die Kinder an Förderschulen geben. Normales Unterrichten ist in einer Klasse mit mehreren auffälligen Schülern kaum möglich.“ (mz)