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Ungeklärter Feuertod Ungeklärter Feuertod: Diese Top-Ermittler sollen Fall Oury Jalloh aufklären

Von Jan Schumann 13.04.2018, 07:50
Ein mit Sensoren, Schweinehaut und Fett versehener Dummy ist am 18.08.2016 in einem Raum im Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde nach einer Brandanalyse im Todesermittlungsverfahren des damals in Deutschland lebenden Sierra Leoner, Oury Jalloh, befestigt.
Ein mit Sensoren, Schweinehaut und Fett versehener Dummy ist am 18.08.2016 in einem Raum im Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde nach einer Brandanalyse im Todesermittlungsverfahren des damals in Deutschland lebenden Sierra Leoner, Oury Jalloh, befestigt. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Der ungeklärte Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle soll von zwei unabhängigen Sonderermittlern aufgerollt werden.

Sachsen-Anhalts Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grünen verständigte sich nach MZ-Informationen auf renommierte Experten: Zum einen auf den Rechtsanwalt Jerzy Montag (Grüne), der als Sonderermittler im Bundestag bereits den Komplex der rechtsextremen Terrorzelle NSU untersuchte. Zum anderen auf den früheren Bundesverfassungsrichter Herbert Landau. Er hatte ab 2016 im Auftrag der sächsischen Landesregierung den Suizid des terrorverdächtigen Jaber Albakr in der JVA Leipzig aufgearbeitet.

Mit den zwei unabhängigen Sachverständigen will die Koalition bei der Aufklärung des Feuertods Oury Jallohs in die Offensive gehen. Montag und Landau sollen den Fall im Rechtsausschuss des Landtags aufarbeiten. Noch ist ihr Auftrag nicht schriftlich fixiert. Klar ist aber, dass sie die im Parlament lagernden Polizei- und Justizakten - sechs Umzugskartons - sichten und neu bewerten sollen.

Koalition will bei der Aufklärung des Todesfalls Oury Jalloh in die Offensive gehen

„Wir wollen, dass dieser Fall mit einem unabhängigen Blick von außen aufgearbeitet wird“, sagte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann dieser Zeitung. Sie bestätigte zunächst nur die Koalitionseinigung auf zwei Sachverständige. „Sinn der Untersuchung ist, dass Experten ohne jede Vorgabe alle Akten zum Fall prüfen und dann zu einem Urteil kommen.“ Dabei wird es auch um die grundsätzliche Frage gehen, ob im Fall Jalloh alle rechtsstaatlichen Mittel zur Aufklärung ausgeschöpft wurden.

Oury Jalloh, ein 36-jähriger Asylbewerber aus Sierra-Leone, war 2005 in einer Dessau Polizeizelle unter ungeklärten Umständen verbrannt. Zwei Gerichtsverfahren konnten nicht aufdecken, wie es zu dem Feuer kam. Jalloh war beim Ausbruch des Brandes an Händen und Füßen gefesselt.

Im Winter 2017, fast 13 Jahre nach Jallohs Tod, hatte der Fall eine dramatische Wendung genommen: Der Chefermittler, Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, hatte nach jahrelangen Ermittlungen die These verworfen, Jalloh habe sich selbst angezündet. Stattdessen verdächtigte Bittmann in einem internen Vermerk Polizisten, den Asylbewerber getötet zu haben.

Oury Jalloh verbrannte 2005 unter ungeklärten Umständen in Dessauer Polizeizelle

In dem Schreiben vom April 2017 formulierte Bittmann den Verdacht, Polizisten hätten mit der Tat womöglich eigenes Fehlverhalten vertuschen wollen. Trotz dieser Kehrtwende nach jahrelangen Untersuchungen stellte die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen im Oktober 2017 ein. Allerdings wurde Bittmanns Resümee durch Medienberichte öffentlich - daraufhin wies Landes-Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) Ende 2017 die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg an, die Akten des Falls erneut zu prüfen. 

Mit Montag und Landau sollen nun zwei Koryphäen den Fall aufrollen, die parteiübergreifend anerkannt sind und das Politik-Geschäft kennen. Nach Informationen dieser Zeitung drängen die Grünen auf weitreichende Befugnisse für die Experten. Dazu soll nicht nur die Anforderung zusätzlicher Akten zählen, sondern auch die Befragung von Zeugen.

Dann wäre es denkbar, dass auch Oberstaatsanwalt Bittmann befragt würde. Er lehnte bisher jede Stellungnahme ab. Im Mai könnte der Rechtsausschuss über die Einsetzung der Ermittler entscheiden. Die Linke im Landtag begrüßte den Vorstoß: „Ich habe die Hoffnung, dass wir schon nach der Sommerpause einen Bericht vorliegen haben“, sagte Rechtspolitikerin Eva von Angern. (mz)