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"Heuschrecken" "Heuschrecken": Private-Equity-Gesellschaften investieren weiter unreguliert

Von Stefan Sauer 10.04.2018, 17:16
Große Betriebe bilden bei Übernahmen durch Private-Equity-Gesellschaften die Ausnahme.
Große Betriebe bilden bei Übernahmen durch Private-Equity-Gesellschaften die Ausnahme. picture-alliance/ obs

Die Heuschrecken sind zurück. Im Jahr 2016 haben Private-Equity-Gesellschaften (PE) in Deutschland für insgesamt knapp 23 Milliarden Euro 212 Unternehmen mit 107.000 Beschäftigten aufgekauft. Dies ist einer Auswertung der Hans-Böckler-Stiftung zufolge das höchste Übernahme-Volumen seit 2007, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise. Im Frühling 2005 hatte der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering  die PE als „Heuschrecken“ bezeichnet, um das Vorgehen dieser Finanzinvestor-Gesellschaften  zu charakterisieren.

Firmen werden übernommen und der Gewinn maximiert

Daran hat sich, ungeachtet eines vorübergehenden Rückgangs der PE-Aktivitäten nach der Lehman-Brothers-Pleite im Herbst 2008, nichts  grundlegend geändert: PE sammeln mit hohen Renditeversprechen Geld privater Anleger ein, bilden geschlossene Fonds, kaufen damit Unternehmensanteile auf und übernehmen so die Kontrolle über die Firmen. Folgen sind in der Regel  rigorose Kostensenkungen, oftmals verknüpft mit Entlassungen, um einesteils die jährlichen Erträge zu steigern. Und um andernteils nach einer überschaubaren Zeitspanne gen Jahren das Unternehmen zu einem höheren Preis wieder verkaufen zu können. Denn von Dauer sind die PE-Engagements in aller Regel nicht.

Der  „Private-Equity-Monitor“, den die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung an diesem Mittwoch  zum dritten Mal vorstellt, macht das Geschehen anschaulich. 2016 entfielen 40 Prozent der PE-Übernahmen auf Industrieunternehmen der Branchen Chemie und Pharma, Elektrotechnik,  Maschinen- und Fahrzeugbau.  Die übrigen von PE aufgekauften Unternehmen verteilen sich auf die Bereiche IT und Software, Gesundheit, Logistik, Medien, Energie, Bau und Dienstleistungen. Große Betriebe bilden dabei die  Ausnahme. Nur neun der 212 Firmen erzielten einen Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen Euro, während 139  Übernahmekandidaten Umsätze unter 50 Millionen Euro verbuchten.

Unter den PE-Gesellschaften finden sich sowohl internationale bekannte wie Blackstone als auch hiesige, etwa die Deutsche-Beteiligungs-AG oder Auctus Capital Partners. Im Mittel befanden sich die 101 Unternehmen, die 2016 von den PE  – meist gewinnbringend -  wieder verkauft wurden, sechs Jahre und zwei Monate im Besitz der PE.

Heuschreckenvergleich ist auch heute noch aktuell

Dass es sich dabei um ein lohnendes Geschäftsmodell für die Anleger handelt, verdeutlichen die Studienautoren  um den Ökonomen Christoph Scheuplein vom Institut Arbeit und Technik Gelsenkirchen ebenfalls anhand konkreter Daten: Insgesamt 99 PE-Fonds schütteten im Jahr 2016 eine durchschnittliche Verzinsung von 13,8 Prozent an die Investoren aus. Als zusätzlich ertragssteigernd erweist sich der Umstand, dass knapp zwei Drittel der Fonds in Steueroasen wie den Cayman-Islands oder den Kanalinseln Guernsey und Jersey angesiedelt sind. Nur 17 der 99 Fonds hatten ihren rechtlichen Sitz in Deutschland.  

Aufkaufen, einsparen, abschöpfen und schließlich gewinnbringend abstoßen, all das oft „steueroptimiert“ am deutschen Fiskus vorbei -  Münteferings Heuschreckenvergleich aus dem Jahr 2005 scheint auch heute noch höchst aktuell – ebenso wie die Forderung nach einer stärkeren Regulierung der PE-Aktivitäten.