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MZ-Forum Wolf in Sachsen-Anhalt: Diskussion mit Experten in Wittenberg

Von Julius Lukas 04.04.2018, 18:49
Beim MZ-Forum in Wittenberg haben Umweltministerin Claudia Dalbert, Experten und gut 250 Gäste über den Umgang mit dem Wolf diskutiert.
Beim MZ-Forum in Wittenberg haben Umweltministerin Claudia Dalbert, Experten und gut 250 Gäste über den Umgang mit dem Wolf diskutiert. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Den ersten größeren Applaus beim MZ-Forum bekommt ein Jäger: „Warum sollte ein Kind für den Wolf keine Beute sein“, fragte Sven Margraf in Richtung des Podiums. In seinem Revier habe er mit einem Pärchen zu tun. Das seien Tiere, die größer sind, als sie oft dargestellt werden. „Es gibt ja viele Untersuchungen, die sagen, dass der Wolf Menschen nicht angreift“, so der Jäger. Denen traue er aber nur bedingt. Auch bei anderen Tiere habe man erst in der Praxis gelernt, wie sie sich wirklich verhalten.

Das Misstrauen gegenüber dem Wolf, das zeigten schon Margrafs Äußerung und der folgende Applaus, war groß bei den 285 Besuchern des MZ-Forums im Stadthaus von Wittenberg. Auf dem Podium am Mittwochabend saßen Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne), Hans-Jörg Rösler, Geschäftsführer des Landesschafzuchtverbandes und die Tier-Pathologin Claudia Szentiks, die beim Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin jeden Wolf seziert, der in Deutschland ums Leben kommt. Im vergangenen Jahr waren das 51 Exemplare, von denen sechs in Sachsen-Anhalt starben.

Szentiks war es auch, die als erstes auf die Äußerungen von Jäger Sven Margraf reagierte. Die Tiere, die sie auf den Untersuchungstisch bekomme, wiegen maximal etwas mehr als 40 Kilogramm. „Viele Hunde sind schwerer“, sagte die Pathologin. Sie machte deswegen deutlich, dass der Mensch nicht zum Beutespektrum des Wolfs gehöre.

Widerspruch kam sofort aus dem Publikum. Forums-Gast Roland Kühn aus der Region Oranienbaum berichtete von einer eigenen Begegnung mit dem Wolf. „So niedlich, wie er oft dargestellt wird, ist der nicht - das ist ein schweres, wehrhaftes Tier.“ In Richtung von Umweltministerin Dalbert sagte Kühn dann: „Mich würde mal interessieren: Was kostet denn diese Unternehmung Wolf den Steuerzahler?“

Eine Antwort für Sachsen-Anhalt konnte Dalbert nicht geben. „Das haben wir so noch nicht zusammengezählt“, sagte die Ministerin - und erntete höhnischen Applaus. Die Entschädigungsleistungen, so Dalbert, würden aber bei jährlich etwa 30.000 Euro liegen. Anders schätzte das Hans-Jörg Rösler ein. „Es sind 3,5 bis fünf Millionen Euro, die wir mehr zahlen müssen, um die Landschaftspflege aufrecht zu erhalten und die Schafe vor dem Wolf zu schützen“, rechnete der Schafhalter vor.

Diskussion über den Wolf in Wittenberg: Kritik an Sachsen-Anhalts Umweltministerin

Vor allem Umweltministerin Dalbert stand beim Forum immer wieder in der Kritik. Eine zu langsame Verwaltung und zu umfangreiche Antragsverfahren wurden bemängelt. Ebenso, dass Dalbert keine klare Linie gegen den Wolf fahre und nicht den Abschuss des Tieres in Erwägung ziehe. Franz Prinz zu Salm-Salm, Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt, erwähnte das Beispiel Schweden.

„Dort werden ab einem Bestand von 300 Tieren Wölfe entnommen“, so Salm-Salm. Schweden sei allerdings deutlich geringer besiedelt als Deutschland. Dalbert antwortete prompt, allerdings nur mit einem Satz: „Ich bin ihnen dankbar, dass sie das Beispiel Schweden erwähnt haben, denn Brüssel hat gerade wegen des Wolfsabschusses ein Verfahren gegen Schweden eingeleitet.“

Dalbert verwies auch darauf, dass es zur Entnahme des Wolfs einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf. „Denn nur dann haben wir bei einer Entnahme auch Rechtssicherheit und es kommt nicht zu Klagen“, so die Umweltministerin. Sonst aber nütze die Entnahme niemanden.
In der teilweise hitzigen Debatte wurden auch viele persönliche Eindrücke geschildert: Forums-Gäste erzählten von Angriffen auf eigene Schafsherden, Wolfs-Sichtungen bei Tage und dass sie im ländlichen Raum Angst um ihre Kinder haben.

Im Hinblick auf die illegalen Wolfstötungen, die es auch in Sachsen-Anhalt bereits gegeben hat, sagte Schafzüchter Hans-Jörg Rösler: „Wenn man zu illegalen Mitteln greifen muss, zeigt das eine Ausweglosigkeit.“ Er forderte die Politik deswegen auf, engere Regelungen zu ziehen.
Auch aus dem Publikum war diese Forderung immer wieder zu hören. Wann ist die Population groß genug, wann ein Wolf so auffällig, dass er auch erschossen werden könne?

Ministerin Dalbert verweis bei diesen Fragen immer wieder auf fehlende einheitliche Regelungen und die Maßnahmen, die das Land bereits zum Schutz der Herden unternommen habe: Entschädigungszahlungen sowie die Förderung der Anschaffung von Hütehunden und Elektrozäunen in Höhe von 80 Prozent des Anschaffungspreises.

Für viele Anwesende schien das nicht genug zu sein. Ein Jäger aus Wittenberg sagte, er habe den Eindruck, dass nicht der Wolf das Problem sei, sondern der Mensch. „Der Wolf ist jetzt schon zehn Jahre in Sachsen-Anhalt“, so der Jäger, „und es ist traurig, dass in dieser Zeit noch keine klaren Regelung im Umgang mit ihm gefunden wurden.“ (mz)