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Geheimer Stützpunkt an der B101 Geheimer Stützpunkt an der B101: Hier lagerten die Russen Atomsprengköpfe in der DDR

Von Detlef Mayer 27.03.2018, 08:39
Sergej Rasin lebt in Altes Lager bei Jüterbog und hat für die Autoren der Broschüre „Das unbekannte Geheimnis“ die Kontakte zu früheren Offizieren des sowjetischen Militärobjekts bei Linda/Stolzenhain hergestellt, in dem zu DDR-Zeiten Atomsprengköpfe gelagert waren.
Sergej Rasin lebt in Altes Lager bei Jüterbog und hat für die Autoren der Broschüre „Das unbekannte Geheimnis“ die Kontakte zu früheren Offizieren des sowjetischen Militärobjekts bei Linda/Stolzenhain hergestellt, in dem zu DDR-Zeiten Atomsprengköpfe gelagert waren. D. Mayer

Linda/Stolzenhain - Etliche Leute aus der Region meinten schon damals etwas zu wissen, aber konkret im Bilde war wohl kein Außenstehender: In einem Waldstück an der jetzigen Bundesstraße 101 zwischen Linda und Stolzenhain wurden zu DDR-Zeiten in einem sowjetischen Militärobjekt Atomsprengköpfe gelagert.

1968 stellte man die streng geheime Anlage, die bis 1990 genutzt wurde, in Dienst. Den 50. Jahrestag dieses Ereignisses nahmen die Autoren Dr. Reiner Helling aus Jessen und Dietmar Steinecker aus Gentha zum Anlass, die 160-seitige Broschüre „Das unbekannte Geheimnis - über das Atomwaffenlager Linda/Stolzenhain“ zu verfassen und zu veröffentlichen.

Die Spanne dessen, was die beiden Männer zusammengetragen haben, reicht von den politischen Hintergründen für den Bau des Objekts mit dem Spitznamen „Wald“ (Feldpostnummer 73274) über eine ausführliche Projekt- und Technik-Beschreibung bis hin zum Alltagsleben der 80 Offiziere (1990) und ihrer Familien samt Kindern.

Zwei Standorte für Atomsprengköpfe der Russen in der DDR

Aufgrund einer Entscheidung vom Mai 1965 sollten in fast allen Teilnehmerstaaten des damaligen Warschauer Vertrags vorgeschobene Basen für die Lagerung, Prüfung und teilweise die Instandhaltung von nuklearen Gefechtsköpfen für Trägersysteme der Landstreitkräfte gebaut werden.

Genaue Angaben zu Anzahl und Sprengkraft der im Objekt Linda/Stolzenhain gelagerten Atomwaffen können die Autoren der Broschüre „Das unbekannte Geheimnis“ nicht machen. Sie gehen jedoch davon aus, dass es sich anfangs um unterschiedlich starke Sprengköpfe handelte, die mit so genannten Operativ-Taktischen-Raketen des Typs Scud-B (Reichweite 300 Kilometer) verschossen werden konnten. Was seitens der DDR im Kriegsfall die Dritte Raketenbrigade der Nationalen Volksarmee (zwölf Startfahrzeuge) übernommen hätte, die bei Jena stationiert war.

In der 1970er Jahren befand sich auch eine größere Menge atomare Haubitzen-Munition in Linda/Stolzenhain. Für die späten 1980er Jahre gilt als gesichert, dass in den zwei Bunkern der Anlage 24 Atomsprengköpfe für Raketen des Typs Scud-B, 16 Sprengköpfe für Luna-M-Raketen und acht für den Raketentyp Totschka stationiert waren.

Für die einstige DDR waren zwei Lager - bei Lychen, nördlich von Berlin, und eben bei Linda/Stolzenhain - vorgesehen. Die beiden Basen, jeweils mit Kaserne und zwei besonders geschützten Bunkern zur Lagerung der atomaren Sprengköpfe, wurden fast zeitgleich errichtet, sie unterschieden sich nur in Kleinigkeiten. Gesamtwert: etwa 100 Millionen DDR-Mark.

Nach vorherigen Recherchen und dem Zusammentragen von Material - woran Reiner Helling den bedeutenderen Anteil habe, schon allein, weil er alle in Russisch verfassten Dokumente ins Deutsche übersetzte, wie Dietmar Steinecker betont - wurde im November 2017 mit der eigentlichen Arbeit am Buch begonnen.

Schon im Dezember war es fertig und konnte im Januar 2018, nach mehrfachem Korrigieren durch Edith Steinecker, gedruckt werden. Den Druck - immer in 40-Stück-Auflagen, finanzierten die Autoren vor und tun es bis heute. 160 Exemplare der Ausgabe sind inzwischen zum Selbstkostenpreis von 15 Euro weggegangen.

Und für den ersten öffentlichen Vortragsabend zu „Das unbekannte Geheimnis“ am Mittwoch, 28. März, ab 19 Uhr im Landgasthof von Heike Schulze in Stolzenhain - weitere in Jüterbog und Linda sollen folgen - haben Reiner Helling und Dietmar Steinecker 80 Stück geordert.

Informationen zur Lagerung von Atomsprengköpfen in der DDR aus der Ukraine

Besonders viele Zuarbeiten für die Broschüre kamen laut Dietmar Steinecker aus der Ukraine, so von Igor Gutsevich. Er wurde 1967 geboren und hat bis zum Abzug 1990 in dem Komplex „Wald“ gedient. Sergej Rasin aus Altes Lager bei Jüterbog sind viele der Kontakte zu ehemaligen Offizieren des Objekts in Linda/Stolzenhain zu verdanken.

Bildmaterial stammt u.a. von Sarah Iremonger. Die Irin weilte als Kunststipendiatin auf Schloss Wiepersdorf und hat Bilder vom heutigen Zustand des Kasernengeländes geschossen. Ebenfalls Fotos lieferte Burkhard Schwarz aus Altlandsberg. Er war beim Wachschutz tätig, der das Areal nach der Wende bewachte.

Nicht zu vergessen die Drohnen-Bilder des Vereins Orte der Geschichte Berlin, die im September 2017 entstanden. Eigentümer der Liegenschaft ist jetzt übrigens Manfred van Heerde aus Schönewalde, der auch zum Zustandekommen des Buchs beitrug.

„Die Arbeit an der Broschüre hat uns viel Spaß gemacht“, resümiert Dietmar Steinecker. „Wir wollen so das von uns gesammelte Wissen mit anderen teilen.“ Der Verkauf von „Das unbekannte Geheimnis“ läuft über die beiden Autoren, auch die Buchhandlung Fischer in Jessen hält einige Exemplare vor. (mz)