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Zu DDR-Zeiten verschwunden Lebt Dirk Schiller in Sangerhausen?: Vor 39 Jahren verschwand ein Kind an der Heimkehle

Von Frank Schedwill 10.03.2018, 14:10
Heidi Stein bei einer ihrer öffentlichen Suchaktionen vor der Heimkehle in Uftrungen im Jahr 2007.
Heidi Stein bei einer ihrer öffentlichen Suchaktionen vor der Heimkehle in Uftrungen im Jahr 2007. Andreas Stedtler

Sangerhausen/Uftrungen - Es ist der älteste ungeklärte Vermisstenfall in Sachsen-Anhalt: Vor 39 Jahren, am 10. März 1979, verschwand der damals dreieinhalbjährige Dirk Schiller unter mysteriösen Umständen nahe der Heimkehle bei Uftrungen (Mansfeld-Südharz).

Während die Behörden davon ausgehen, dass der Junge im Flüsschen Thyra ertrunken ist, glaubt seine Mutter Heidi Stein an eine Entführung durch die Stasi. Denn die Leiche des Kindes wurde nie gefunden.

Jetzt könnte es ein Happy End geben. Dirks Mutter hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass ihr Sohn noch lebt. Und die Frau, die heute bei Gifhorn in Niedersachsen lebt, ist überzeugt, ihn jetzt in Sangerhausen wiedergefunden zu haben. Das postete sie am Freitag auf Facebook.

Dirk Schiller seit 39 Jahren vermisst - Hinweise aus Berlin

„Ich habe einen Hinweis einer früheren Sangerhäuserin erhalten“, sagte sie. Die Frau, die als Krankenschwester gearbeitet habe und heute in Berlin lebt, hatte von Dirks Verschwinden in einer Zeitschrift gelesen. Sie will Dirk auf den dort abgebildeten Fotos wiedererkannt haben.

Demnach sei der blonde Junge am 12. März 1979, zwei Tage nach seinem Verschwinden, mit hohem Fieber von einer Frau in die Poliklinik Sangerhausen gebracht worden. Der dortige Arzt sei mit der Frau zu einem Kinderarzt gefahren. Die Krankenschwester, die selbst einen Sohn hatte, und die Frau hätten sich angefreundet, die Kinder zusammen gespielt.

Nach Steins Informationen ist der Junge, um den es geht, adoptiert worden. Sein Adoptiv-Vater sei Offizier der Stasi gewesen. Der Mann habe 1979 einen blauen Moskwitsch mit Leipziger Kennzeichen gefahren. Genauso ein Auto hatte Stein kurz vor dem Verschwinden von Dirk auf dem Parkplatz an der Heimkehle bemerkt. „Seitdem bin ich überzeugt, dass er Dirk ist“, sagt sie.

Polizei in Halle: „Weitere Ermittlungen sind jedoch noch notwendig“

Die Polizei in Gifhorn, die in dem Fall ermittelt, hält das für unwahrscheinlich. Der Ermittler hat über das Kreis-Jugendamt Einblick in die Adoptiv-Akte nehmen lassen. Demnach ist der Junge, um den es geht, bereits Monate vor Dirks Verschwinden von der Sangerhäuser Familie adoptiert worden. Er könne nicht der seit 39 Jahren gesuchte Dirk sein.

Der Polizeidirektion in Halle liegt ein Ermittlungsersuchen der Polizei Gifhorn vor: „Erste Überprüfungshandlungen sind erfolgt, weitere Ermittlungen sind jedoch noch notwendig“, teilte Polizeisprecherin Ulrike Diener mit. Man gehe „unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte möglicher Beteiligter vor“. Das Kreis-Jugendamt hat der Gifhorner Polizei geschrieben, dass der Sangerhäuser nicht Dirk sei. Stein hält dagegen: „Die Akten des Jugendamts können gefälscht sein.“

Stein und ihr damaliger Mann zu viereinhalb Jahren Haft in Bautzen verurteilt

Stein hat nach dem Verschwinden von Dirk viel erlebt: Als sich die Eltern über Westverwandte an das Rote Kreuz und Amnesty International wandten, machte die DDR ihnen den Prozess. Stein und ihr damaliger Mann wurden wegen landesverräterischer Nachrichtenübermittlung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Ehepaar saß mehr als ein Jahr in Bautzen in Haft, bis es von der Bundesrepublik freigekauft wurde.

Stein räumt ein, dass ihr noch ein endgültiger Beweis fehle. Der könne nur mit Hilfe einer DNA-Probe erbracht werden. Erste telefonische Kontakte mit ihrem vermeintlichen Sohn habe es bereits gegeben. Sie hat dem Sangerhäuser angeboten, sich an diesem Samstag, dem Tag von Dirks Verschwindens, an der Heimkehle mit ihm zu treffen.

Er sei bisher nicht darauf eingegangen. Im Internet hat sie aktuelle Bilder des Mannes gesehen. Auch deshalb ist sie überzeugt, dass er der Gesuchte ist. „Ich war verblüfft,“ sagt sie. „Er sieht aus wie mein Bruder. Jetzt fehlt nur noch etwas Mut, dass wir wieder zusammenfinden.“ (mz)