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Kritik im Stadtrat Merseburg: Hat die Stadt zu viele Obdachlosenplätze?

Von Robert Briest 23.02.2018, 13:59
In Texas wurde ein Polizist entlassen, weil er einem Obdachlosen ein Sandwich mit Fäkalien vor die Füße lag.
In Texas wurde ein Polizist entlassen, weil er einem Obdachlosen ein Sandwich mit Fäkalien vor die Füße lag. dpa

Merseburg - Die Entscheidung war letztlich nur Formsache. Mit großer Mehrheit segnete der Merseburger Stadtrat vergangene Woche nachträglich den Vertrag mit der Personalentwicklungs- und Management (Pem) GmbH ab. Der regelt, dass die Pem seit Jahresbeginn bis Juni 2019 die Obdachlosenunterkunft in der Nulandtstraße betreibt. Die Kündigung des bisherigen Trägers BIH hatte die kurzfristige Neuvergabe notwendig gemacht. Für den Betrieb des Hauses erhält die Pem nun knapp 166.000 Euro pro Jahr.

Kritik an Obdachlosenunterkunft in Merseburg: Sind 20 Plätze zu viel?

Eine Summe, die im Umfeld des Stadtratsentscheids für Kritik sorgte. Angesichts des Sparzwangs in der Stadt hätte man dieses Geld, oder zumindest die Hälfte davon, gut woanders gebrauchen können, findet Klaus Oberbacher, der im Rat gegen den Vertrag votierte. Der Fraktionschef der Statt-Partei stellt dabei nicht in Frage, dass Merseburg Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose anbietet – das ist ohnehin gesetzlich vorgeschrieben –, stört sich aber an der Art und Weise, dass ein Haus mit 20 Plätzen vorgehalten wird.

Er verweist auf die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Henriette Quade aus dem Herbst 2017. In der wird die Umsetzung des Pflichtaufgabe in den Kommunen des Landes verglichen. Merseburg sticht dabei gleich zwei Mal heraus: So sind die 20 vorgehaltene Plätze deutlich mehr als in anderen – auch vergleichbaren – Kommunen. Vielerorts werden die Betroffenen, die etwa nach Zwangsräumungen ohne eigene Bleibe dastehen, in Wohnungen untergebracht.

Vergleich zu Weißenfels: Kosten für Obdachlosenunterkunft deutlich niedriger

Auffällig hoch ist auch die mit „ständig 20“ angegebene Zahl der belegten Plätze. Die benachbarte und ähnlich große Kreisstadt Weißenfels berichtet hingegen von lediglich zwei belegten Plätzen im Jahresdurchschnitt. Auch hier betreibt ein Privatunternehmen die Unterkunft. Stadtsprecherin Katharina Vokoun erklärt: Das oberste Ziel sei es, den Obdachlosen wieder eine Wohnung zu vermitteln. Für das Jahr 2018 rechnet Weißenfels für deren Unterbringung mit Kosten „im niedrigen fünfstelligen Bereich“ – ein Bruchteil der Merseburger Ausgaben.

Zu viele und zu teure Plätze für Obdachlose?: Das sagt der Ordnungsamtsleiter von Merseburg 

In der Domstadt ist Ordnungsamtsleiter Folkmar Bothe für die Thematik zuständig. Er räumt ein, dass die Obdachlosenunterbringung in einzelnen Städten unterschiedlich gehandhabt wird, erklärt jedoch: Er halte nichts vom Vergleich und auch nicht von der Methodik der Antwort der Landesregierung: „Ich bezweifele, dass die Zahlen andernorts tatsächlich niedriger sind.“

Auch für Merseburg nennt Bothe andere Belegungszahlen als sie in den Ausführungen der Landesregierung stehen. Demnach hätte die Auslastung lange Zeit stabil bei etwa zehn belegten Plätzen gelegen, sei im vergangenen Jahr dann auf 14 gestiegen.

Dies liegt laut Ordnungsamtschef an vermehrten Zwangsräumungen und daran, dass Migranten, die aus dem Leistungssystem für Asylbewerber herausfallen, teilweise von Obdachlosigkeit bedroht seien.

Bei der Belegungsfrage komme es zudem auf die Verweildauer an: Man habe das Problem, dass die Bewohner nur schwer wieder in eigenen Wohnraum zu vermitteln seien. Änderungsbedarf am Merseburger System sieht Bothe nicht. Das Thema Obdachlosigkeit wird den Rat in diesem Jahr noch einmal beschäftigen, wenn die Ausschreibung für die Unterkunft ab Mitte 2019 auf dem Plan steht. (mz)