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Professor aus Halle warnt  Professor von der Uni Halle warnt : "Unsere Jugend raucht sich zu Tode"

Von Anja Förtsch 20.02.2018, 08:28
Stephan Feller vor den „riesigen Pfifferlingen“ auf dem Weinberg Campus. Dort befindet sich auch das Proteinforschungszentrum, wo er arbeitet.
Stephan Feller vor den „riesigen Pfifferlingen“ auf dem Weinberg Campus. Dort befindet sich auch das Proteinforschungszentrum, wo er arbeitet. Holger John

Halle (Saale) - Gleich drei Mädchen mit einem Herzfehler in nur einer einzigen Schulklasse. Der Grund: Ihre Mütter hatten in der Schwangerschaft geraucht. Dieser Fall in einer Schulklasse in Aschersleben, in der er kürzlich einen Vortrag zum Thema Rauchen gehalten hatte, hat Professor Stephan Feller erschüttert. Auch wenn er sich seit langem mit den Gefahren und Folgen des Rauchens beschäftigt und dabei schon so einiges gesehen und gehört hat - und das besonders in Sachsen-Anhalt.

Sachsen-Anhalt ist trauriger Spitzenreiter bei jungen Rauchern

„In keinem anderen Bundesland rauchen prozentual mehr junge Menschen als hier“, klagt Feller. Dabei bezieht er sich auf die aktuellsten, verfügbaren Zahlen im Tabakatlas 2015 des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ).

Demnach rauchen in Sachsen-Anhalt 36,4 Prozent der Jungen und 30,3 Prozent der Mädchen zwischen 15 und 24 Jahren. Insgesamt heißt das: Jeder dritte Jugendliche im Land raucht - und das teils vor der Volljährigkeit und damit eben illegal.

Raucher auf Spielplätzen: Wie ernst nimmt es Halle mit Kontrollen?

„Das wird auch einfach viel zu wenig kontrolliert“, sagt Feller. Und bezieht sich damit vor allem auf die Stadt Halle, in der er selbst lebt und als Tumorbiologe am Weinberg Campus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg forscht. „Es gibt 125 städtische Spielplätze in Halle. Und auf allen herrscht laut Satzung Rauchverbot“, sagt Feller.

Das sei aber eher weniger bekannt. Denn bei einer Stichprobe unter 15 Spielplätzen habe der Professor nur auf etwa der Hälfte überhaupt ein Rauchverbotsschild entdeckt. Und selbst wenn: „Die Stadt sagt, sie kontrolliert die Einhaltung regelmäßig. Das kann man glauben oder auch nicht. Aber ich bin Wissenschaftler und glaube an Fakten.“

Und eine regelmäßige Kontrolle durch das Ordnungsamt habe er noch nie gesehen - Raucher auf Spielplätzen aber schon.

Trotz Rauchverbot: Keine Anzeigen auf Schulhöfen in Halle

Auch in Gaststätten und Kneipen würde wenn, dann nur nach Beschwerden kontrolliert, sagt Feller. Tobias Teschner, Fachbereichsleiter Sicherheit der Stadt Halle, widersprach dem unlängst auf der Beigeordnetenkonferenz der Stadt, nannte aber keine Zahlen.

Feller hatte bereits vor einem Jahr auf die Problematik in Halle hingewiesen - und war bei Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und dem Beigeordneten Uwe Stäglin auf offene Ohren gestoßen. Unter anderem gilt ein Rauchverbot auch in allen halleschen Schulen. Übrigens: Im Gegensatz zur Stadt Merseburg, dort gab es 2016 laut Ordnungsamt beispielsweise 26 Anzeigen von Lehrern gegen qualmende Schüler, waren es im gleichen Zeitraum in Halle nur zwei. 2017 gab es gar keine Anzeige.

Warum Zigaretten-Werbung nicht an Bushaltestellen hängen sollte

Feller fordert mehr Prävention. „2018 laufen die Werbeverträge der Stadt aus. Ich erwarte, dass Halle sich bei den Werbefirmen dafür einsetzt, dass es keine Zigarettenwerbung mehr etwa an Haltestellen gibt“, sagt er. „Denn unsere Kinder werden jeden Tag auf dem Schulweg zugebombt mit Werbung fürs Rauchen, die dann auch noch extra auf junge Menschen zugeschnitten ist.“

Dass jeder selbst für seine Gesundheit verantwortlich ist, ist Feller klar. „Ich kann keinen 18-Jährigen, der rauchen darf, missionieren“, so der Forscher. „Aber ich kann die Kinder schützen.“

Hunderte Kinder kommen mit teils schweren Schäden zur Welt

Denn die würden passiv noch stärker geschädigt als Erwachsene. „Und mit jedem rauchenden Mädchen rauchen auch mehr Frauen in der Schwangerschaft.“ Etwa 3.000 seien es in Sachsen-Anhalt pro Jahr. „Und jedes Jahr kommen deshalb Hunderte von Kindern mit teils schweren Schäden zur Welt.“ Da müssten laut Feller auch die Krankenkassen eingreifen. „Das wäre für die Kassen günstiger, als später die Schäden der Kinder zu behandeln.“

In der Pflicht sieht Feller auch die Landespolitik. „Das Nichtraucherschutzgesetz in Sachsen-Anhalt ist löchrig wie ein Schweizer Käse.“ Das betreffe etwa Ausnahmen und Regelungen in Gaststätten. „Aber man muss auch neue Trends wie Shisha, E-Zigarette oder Tabakerhitzer aufnehmen.“ (mz)