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Reichsbürger in Wittenberg Reichsbürger in Wittenberg: Peter Fitzek: Ein charismatischer Mensch - und ein Betrüger

Von Karina Blüthgen 14.02.2018, 13:58
Peter Fitzek sitzt derzeit im Gefängnis.
Peter Fitzek sitzt derzeit im Gefängnis. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Peter Fitzek gehört nach der Einordnung von Andreas Speit in die Reichsbürger-Kategorie der „Selbstverwalter, die als ,souveräne Menschen’ unabhängige Reiche oder Staaten gründen“. Speit, Journalist, Autor und Experte für Rechtsextremismus, bescheinigt dem „König von Deutschland“, eine charismatische Figur zu sein, der es versteht, Leute in seinen Bann zu ziehen. Er sagt aber auch: „Peter Fitzek ist ein Betrüger.“

„Vor elf Jahren fing es mit Fitzek an, anfangs etwas esoterisch“, erinnert sich Tobias Thiel. „Dann kam die Reichsbank, zu der die Leute ihr Geld getragen haben. Obwohl in den Klauseln steht, dass es dem König vorbehalten ist, ob man sein Geld wiederbekommt oder nicht.“ Bei den Worten von Studienleiter Thiel mag mancher den Kopf schütteln am Montagabend in der Evangelischen Akademie.

Aber spätestens seit die Polizei versucht, sogenannte Reichsbürger zu entwaffnen und dabei Menschen verletzt oder gar getötet werden, ist das Thema in der breiten Öffentlichkeit angekommen.

Vom Engelgeld zum König

„Reichsbürger - Die unterschätzte Gefahr“ heißt es an diesem Abend, zu dem die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt und die Heinrich-Böll-Stiftung eingeladen haben. Zu eben jenen Reichsbürgern wird auch Peter Fitzek gezählt, der 2009 den Verein NeuDeutschland ins Leben rief, eigenes Geld (Engelgeld) herausgab, 2012 das „Königreich Deutschland“ gründete und eine eigene Bank sowie eine Krankenkasse betrieb.

Was Andreas Speit erstaunt, ist, dass sich behördliche Stellen so lange auf der Nase herumtanzen ließen. „Wie hat er als König etwas kaufen können, ohne gültigen Ausweis?“, will jemand aus dem rund 30 Zuhörer großen Auditorium wissen.

2017 erschien das Buch „Reichsbürger - Die unterschätzte Gefahr“, das Andreas Speit herausgegeben hat. Der Sammelband vereint zehn Aufsätze von zwölf Wissenschaftlern und Journalisten über die Szene der Reichsbürger, die bei weitem kein einheitliches Bild zeigt. Vier Milieus kann Speit unterscheiden, darunter sind jene, die eine eigene heutige Reichsregierung propagieren, andere sogenannte Selbstverwalter gründen eigene unabhängige Reiche. Die Grenzen zu Antisemitismus, Antiislamismus und Rechtsextremismus seien fließend, vor allem das Internet sorge für eine Vermischung. Dem selbst ernannten König von Deutschland Peter Fitzek sind 17 Seiten gewidmet. Das Buch umfasst 216 Seiten und ist im Christoph Links-Verlag erschienen (ISBN 978-3-86153-958-2). Es kostet 18 Euro und ist im Buchhandel erhältlich.

„Wie er das Grundstück gekauft hat, weiß ich nicht“, antwortet Speit. Immerhin habe sich Fitzek ziemlich sicher gefühlt in seinem Tun, da lange nichts gegen ihn passiert sei. Ob der Mann, der derzeit im Gefängnis ist, gefährlich sei? Der Autor erklärt, dass es nicht nur eine körperliche Gefährdung gebe. Gerade Menschen, die in Not geraten seien, suchten Halt und Hilfe.

„Reichsbürger-Gruppen bieten Seminare, versprechen Menschen mit Schulden: Wenn du Mitglied wirst, unsere Pässe kaufst, kann dir dieser Staat nichts tun“, erläutert Andreas Speit die Taktik.

Verstärkt unter Beobachtung

An diesem Abend geht es jedoch um mehr als einen König. Es geht um die Szene insgesamt, die laut eines BKA-Lageberichtes von 2016 rund 12 800 Anhänger zählt. Erst seit die Gewalt in einigen Fällen eskaliert sei, gebe es eine verstärkte Beobachtung, kritisiert Speit. Gezählt „seien nur die, die den Behörden aufgefallen sind“.

Über 30 Projekte und Organisationen der Reichsbürgerbewegung hat der Autor aufgelistet, „nicht alle sind gleich als solche erkennbar“. Listen machen die Dimensionen ebenso wie die vielen Facetten deutlich.

Ein bedenklicher Punkt ist der Waffenbesitz. Etwa 700 Reichsbürger besitzen einen Waffenschein und haben legal Schusswaffen. „Diese sollte man ihnen abnehmen. Wer die Bundesrepublik ablehnt, hat kein Recht auf einen Waffenschein“, ist Speit kompromisslos. Auch wenn die Diskussion, wie eine Entwaffnung erfolgen und eine Eskalation vermieden werden soll, an dem Abend zwiespältig ist.

„Man sollte Angst nicht mit Angst bekämpfen“, finden einige in der Runde, dass am Anfang ein sachliches Gespräch stehen müsste.

Speit hofft, dass der Abend einen differenzierten Blick auf die Szene der Reichsbürger gebe. Er ermutigt zur Auseinandersetzung. „Ich habe die Hoffnung, dass die Bewegung der Reichsbürger gesamtgesellschaftlich wahrgenommen wird und nicht nur durch Sicherheitskräfte.“ (mz)