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Hasseröder Brauerei Hasseröder Brauerei: An diesen Käufer geht die bundesweit fünftgrößte Biermarke

Von Steffen Höhne 16.01.2018, 20:00

Wernigerode - Beim Bierbrauen kommt es vor allem auf die Gärung an. Zucker wird zu Alkohol umgewandelt. Dabei entstehende Gärnebenprodukte geben dem Bier den Geschmack. Über ein halbes Jahr hat auch der Verkaufsprozess der Hasseröder Brauerei „gegärt“.

Am Dienstagvormittag wurden dann die mehr als 200 Beschäftigten in Wernigerode informiert: Das Investment-Unternehmen CK Corporate Finance (CKCF) aus dem hessischen Kronberg wird die Traditionsbrauerei vom Bier-Konzern AB Inbev übernehmen. Ist das eine gelungene „Gärung“?

Unternehmer Daniel Deistler steht hinter CK Corporate Finance (CKCF)

CK wer? - werden sich viele Beschäftigte wohl gefragt haben. Dahinter steht der Unternehmer Daniel Deistler, der nach eigenen Angaben bisher vor allem mittelständische Firmen bei Unternehmenskäufen beraten hat. Nun hat er selbst zugeschlagen. Über seine Investment-Gesellschaft ist allerdings wenig bekannt. Der letzte Jahresabschluss im Bundesanzeiger wurde 2012 veröffentlicht. Dieser Geschäftsbericht weist die Firma nur als kleine Beratungsgesellschaft aus.

Nach Angaben von AB Inbev wurde der gesamte Verkaufsprozess und die Prüfung der Interessenten von der Deutschen Bank geleitet. Neben Hasseröder erwarb Deistler auch den niederrheinischen Bier-Hersteller Diebels. Ein Kaufpreis für beide Unternehmen wurde allerdings nicht genannt. Es dürfte aber für beide Brauereien zusammen eine dreistellige Millionensumme geflossen sein.

Hasseröde: AB-Inbev-Manager an Bord

Deistler betreibt in Kronberg zudem noch eine Polo-Schule - er hat im Jahr 2016 Pferde aus Argentinien für einen sechsstelligen Betrag gekauft. Für die Pferde wird der Unternehmer künftig weniger Zeit haben, denn er hat einiges vor bei Hasseröder: „Geplant sind umfangreiche Investitionen in die Marken und Brauereistandorte.“ Der neue Eigentümer will die Häuser neu beleben. „Wir wollen uns auf die Stärken von Hasseröder und Diebels konzentrieren, um das Wachstum dieser bedeutenden Traditionsmarken zu fördern und diese in der Öffentlichkeit wieder präsenter aufzustellen“, teilte Deistler am Dienstag per Mitteilung mit. Kurz: Die Marke mit dem Auerhahn will die Konkurrenz wieder attackieren.

Zur Umsetzung der Pläne hat der Unternehmer drei Führungskräfte von AB Inbev abgeworben. Adriano Leo soll Vorsitzender der Geschäftsführung sein, als Geschäftsführer Vertrieb ist Jens Stachowiak an Bord und Eike Berthold übernimmt die kaufmännische Leitung.

„Hasseröder war zuletzt bei AB Inbev nicht mehr gut aufgehoben“

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) begrüßt grundsätzlich den Verkauf. „Hasseröder war zuletzt bei AB Inbev nicht mehr gut aufgehoben“, sagte Manfred Tessmann, Geschäftsführer der NGG-Region Süd-Ost-Niedersachsen. Der Konzern habe sich immer mehr auf seine großen nationalen Marken konzentriert, die regionalen Biere spielten kaum noch eine Rolle.

Der weltweit führende belgisch-brasilianische Brau-Konzern fusioniert mit der Nummer zwei im Markt, Sab-Miller. Dadurch wird auch das Deutschlandgeschäft neu geordnet. Künftig will sich AB Inbev hierzulande auf die Premiummarken Beck’s und Franziskaner konzentrieren. Die Harzer Traditionsbrauerei und Diebels passten nicht mehr ins Sortiment.

Dabei handelt es sich bei Hasseröder um einen der modernsten Brauerei-Standorte Europas. 1995 wurde vor den Toren Wernigerodes ein neuer Brau-Betrieb eröffnet und die Marke entwickelte sich über Jahre prächtig. Sie ist auch noch in Ostdeutschland mit zwölf Prozent Marktanteil führend und bundesweit die fünftgrößte Biermarke. Der Absatz ist in den vergangenen Jahren aber deutlich von 2,42 Millionen Hektolitern 2013 auf 2,09 Millionen Hektolitern im Jahr 2016 gesunken. Das Unternehmen machte dafür den harten Preiswettbewerb im Handel verantwortlich. Viele Experten verweisen jedoch auch auf hausgemachte Probleme: So kürzte Inbev massiv die Mittel für Fußball- oder Handball-Sponsoring. Dann wurde die TV-Werbung eingestellt (die MZ berichtete).

Bierkonsum in Deutschland sinkt

„Jetzt werden Hasseröder die Fesseln abgenommen“, sagt Gewerkschafter Tessmann. Das Unternehmen könne sich nun wieder frei entfalten. Er betont, der Verkauf sei ein Betriebsübergang. Die Tarifverträge der Beschäftigten werden daher bis 2019 nicht angetastet. Es ist „ein schöner Tag“, sagte auch der Unternehmer Deistler mit Anspielung auf den einstigen Kult-Werbeslogan von Diebels. Doch ob es ein schöner Tag ist, muss der Unternehmer erst noch beweisen. Hat er finanzkräftige Investoren in der Hinterhand, die auf dem schwierigen deutschen Biermarkt auch den nötigen Atem besitzen?

Auch eine traditionsreiche Biermarke ist kein Selbstläufer. Die Deutschen trinken immer weniger Bier, so dass die Inlandsabsätze sinken (siehe Grafik: „Bier in Deutschland“). Große Brauereien gleichen das meist zwar über Zuwächse im Auslandsgeschäft aus. Im Einzelhandel ist der Wettbewerb aber auch sehr hoch. Das heißt, die Gewinnmargen sinken. Zudem bekommen die etablierten Marken Konkurrenz von neuen regionalen Brauereien und Craft-Bier-Herstellern. In Sachsen-Anhalt stieg in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Braustätten von 16 auf 24. (mz)