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Fall Oury Jalloh Fall Oury Jalloh: Justiz bestraft Tipp-Geber nach Hinweis zu Feuertod

Von Hagen Eichler und Jan Schumann 05.01.2018, 08:27
Mit einem Feuerzeug wurde für eine Rekonstruktion des Brandes das Innere der Matratze entflammt.
Mit einem Feuerzeug wurde für eine Rekonstruktion des Brandes das Innere der Matratze entflammt. Nicolas Ottersbach

Halle (Saale) - Unmittelbar vor dem 13. Todestag des in einer Dessauer Polizeizelle verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh werfen neue Details ein Schlaglicht auf die Arbeit von Polizei und Justiz. Nach MZ-Informationen hat ein Mitarbeiter des Dessauer Landgerichtes 2013 und 2014 zweimal versucht, Strafanzeige gegen einen Polizisten zu stellen, der in der Todesnacht mit Jalloh befasst war. Nach Druck durch Vorgesetzte zog der Justizmitarbeiter seine Aussagen jedoch zurück.

Auslöser der Vorfälle war ein Brandversuch im Jahr 2013. Auf Betreiben der Initiative zum Gedenken an Jalloh stellte ein Brandsachverständiger damals nach, wie der Gefesselte 2005 ums Leben gekommen sein soll. Das Fazit des Experten: Ohne Einsatz eines Brandbeschleunigers sei das Feuer nicht erklärbar.

Die umfangreichen Medienberichte hatten Folgen: Der Gerichtsmitarbeiter erinnerte sich an ein Detail, das im ersten Gerichtsprozess um Jallohs Tod keine Erwähnung gefunden hatte. Einer der Polizisten soll früher jahrelang bei einer Dessauer Betriebsfeuerwehr gearbeitet haben. Aus Sicht des Gerichtsmitarbeiters hätte der Mann damit Fachwissen zum Einsatz von Brandbeschleunigern gehabt.

Disziplinarverfahren gegen Justizmitarbeiter wegen übler Nachrede

Diesen brisanten Verdacht trug der Justizmitarbeiter im November 2013 im Polizeirevier Dessau-Roßlau vor. Weil er betrunken war, schickten ihn die Beamten weg. Statt ihn jedoch in nüchternem Zustand erneut vorzuladen, machten sie Druck beim Landgerichtspräsidenten. Im April 2014 wiederholte der Justizmitarbeiter seinen Vorwurf in einer SMS an das Polizeirevier, erneut unter Alkoholeinfluss. Gegen den Tippgeber wurde ein Disziplinarverfahren wegen übler Nachrede eingeleitet, er zog seine Aussagen zurück. Als ihn im Oktober 2014 die Staatsanwaltschaft befragte, soll er - auch auf Anraten seines Anwalts - keine weiteren Aussagen gemacht haben.

Öffentlich wird der Fall, weil sich der Mann jetzt der Linken-Landtagsabgeordneten Henriette Quade offenbart hat. „Er räumt ein, dass er damals ein massives Alkoholproblem hatte. Aber er versteht ebenso wenig wie ich, warum seinen Aussagen nicht sofort nachgegangen wurde“, sagte Quade der MZ. Stattdessen soll der Polizist gewarnt worden sein. Polizeikollegen hätten ihm die belastende SMS übergeben, samt Namen des Absenders.

Oberstaatsanwalt geht davon aus, dass Jalloh getötet wurde

Das Dessauer Landgericht bestätigt die versuchte Anzeige auf Nachfrage. Ein Mitarbeiter habe „eine spekulative Mordthese“ angezeigt, sagte Behördensprecher Oliver Kunze. Allerdings: „Im Rahmen eines nachfolgenden dienstrechtlichen Verfahrens hat der anwaltlich vertretene Bedienstete sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht und sein Verhalten mit seinem damaligen Alkoholmissbrauch begründet.“

Der nicht aufgeklärte Tod von Jalloh beschäftigt Justiz und Politik bis heute. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Dessau-Roßlau, Folker Bittmann, geht mittlerweile davon aus, dass Jalloh in der Polizeizelle getötet wurde. Die Staatsanwaltschaft Halle stellte das Ermittlungsverfahren jedoch wenig später ein. Im Dezember hat der Generalstaatsanwalt in Naumburg das Verfahren an sich gezogen.

Am Sonntag will der Unterstützerkreis von Jallohs Familie in Dessau-Roßlau demonstrieren. Dagegen hat die AfD eine Kundgebung angemeldet. Landeschef André Poggenburg sagte, der „linksautonome Propaganda-Spuk“ um Jalloh müsse ein Ende haben.  (mz)