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Offener Brief an Theaterchef Offener Brief an Theaterchef: Heftige Vorwürfe nach antisemitischen Parolen

Von Detlef Färber 04.01.2018, 12:23
Auf dem Platz vor dem Steintor hatten sich die Demonstranten am 16. Dezember versammelt.
Auf dem Platz vor dem Steintor hatten sich die Demonstranten am 16. Dezember versammelt. Henrik Merker

Halle (Saale) - Das Echo hatte zunächst auf sich wartenlassen. Doch nun erregt es nach einem „Offenen Brief“ die Gemüter in Halle. Eine kleine, wenig beachtete Demonstration samt noch kleinerer Gegendemonstration auf Halles Steintorplatz schlägt nun aber mit Zeitverzögerung Wellen. Eine Woche nach den antisemitischen Ausschreitungen bei Protesten gegen die Entscheidung von USA-Präsident Donald Trump, die Botschaft seines Landes in Israel nach Jerusalem zu verlegen, gab es auch in Halle eine Protestaktion: „Angemeldet „von einer Privatperson“, wie Polizeisprecher Ralf Karlstedt sagt.

„Das kleinste Kind von uns will euch töten.“

Von dieser Kundgebung mit kaum mehr als 20 mit Palästina-Fahnen ausgerüsteten Demonstranten kursiert nun im Internet ein Mitschnitt mit sehr beklemmenden Szenen. Insbesondere ein Satz bleibt im Gedächtnis: „Das kleinste Kind von uns will euch töten.“

Razan Afifi, Mitbegründerin des Integrationsvereins „Arabische Oase“, hat ihn in Richtung der Israel-Fahnen gerufen, die etwa zehn Teilnehmer einer Gegendemonstration hinter den Straßenbahnschienen hochhielten. Wie zur Bestätigung skandierte auch ein etwa sechsjähriges Kind einige Parolen mit.

Getrennt wurden Demonstranten und Gegendemonstranten von einigen Polizisten, die allerdings nicht eingegriffen haben. Warum nicht, und ob es Anzeigen gegeben hat, konnte Polizeisprecher Karlstedt gestern nicht beantworten.

Zitate in dem offenen Brief aufgelistet

Gerufen worden sei aus den Reihen der Anti-Israel-Demonstranten auch „Palästina frei!“, „Kindermörder Israel“ - und „Ihr macht Holocaust in unserem Land!“ - ausgerechnet an Halles Steintor, das nur rund hundert Meter entfernt ist vom Geburtshaus Reinhard Heydrichs, der der Organisator des Völkermords an Europas Juden war.

Aufgelistet sind die Zitate in dem offenen Brief, den eine „Initiative gegen antisemitische Propaganda“ an Halles Schauspiel-Intendant Matthias Brenner geschrieben hat. Die kleine Gruppe, für die eine Hallenserin namens Nadja Schladitz spricht, habe sich „spontan“ nach besagter Kundgebung formiert, so sagt sie.

An Brenner adressiert sei der Brief, weil der NT-Chef seine Inszenierung des alten Stücks „Angst essen Seele auf“ von Rainer Werner Fassbinder auch auf die aktuelle Migrationssituation zugeschnitten und einige Rollen mit Mitstreitern der „Arabischen Oase“ und von deren interkulturellem Tanzprojekt „Was uns bewegt“ besetzt hat - darunter auch mit Razan Afifi.

„Antisemitismus gegenüber bin ich intolerant.“

Brenners Reaktion auf den Brief ließ nicht lange auf sich warten: „Antisemitismus gegenüber bin ich intolerant“, sagte er gegenüber der MZ - aber auch, dass er sich erst näher zu der Sache äußern wolle, wenn er mit den Absendern des Briefs einerseits und den Mitarbeitern der „Arabischen Oase“ und Razan Afifi anderseits persönlich gesprochen haben wird. Auch die Stadtverwaltung hat sich inzwischen geäußert: „Die Stadt tritt Antisemitismus entschieden entgegen“, schreibt Oliver Paulsen, im Rathaus zuständig für Migration und Integration. Die Stadt unterstütze „Projekte, die sich für ein starkes und vielfältiges Gemeinwesen engagieren und sich dabei im demokratischen Konsens und in der geltenden Rechtsordnung bewegen“. Dies sei auch Grundlage für die Zusammenarbeit mit der Arabischen Oase. Die Stadt, so Paulsen, „wird dazu mit dem Verein Kontakt aufnehmen.“

Dessen Chef Ronn Müller, Ethnologe, Islamwissenschaftler und Ehemann von Razan Afifi, sagt, er teile nicht die „durch eine Provokation und Pöbeleien aus der untersten Schublade von den Gegendemonstranten hervorgerufene“ Aussage seiner Frau. Razan Afifi wisse, „dass sie - hoch emotionalisiert - einen Fehler gemacht“ habe und arbeite ihn auf. Sie sei privat auf der Demonstration gewesen. Die „Arabische Oase“, so ihr Chef Ronn Müller, habe mit der Demonstration nichts zu tun und unterstütze „propalästinensische Aktionen nicht“.

Anmelder der Gegendemonstration war übrigens Valentin Hacken von dem Verein „Halle gegen Rechts - Bündnis für Zivilcourage“. Das Bündnis, zu dessen Unterzeichnern neben vielen anderen auch die Deutsch-israelische Gesellschaft und das „Arabische Haus“ zählen, spricht sich auf MZ-Anfrage „gegen jeden Antisemitismus, gleich aus welchen Teilen der Gesellschaft“ aus. Das Bündnis wolle deshalb, so Hacken, „in den kommenden Wochen das Gespräch mit den verschiedenen Gruppen und Initiativen der Stadt suchen. (mz)