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Prozess wegen versuchten Mordes Prozess wegen versuchten Mordes: Adrian Ursache: "Ich bin der Ankläger"

Von Steffen Könau 03.01.2018, 19:34
Adrian Ursache im Gerichtssaal
Adrian Ursache im Gerichtssaal Steffen Könau

Halle (Saale)) - Mit neuen Beweisanträgen, neuen Fragen und einer Wutrede des Angeklagten ist der Prozess wegen versuchten Mordes gegen den früheren Unternehmer und „Mister Germany“ Adrian Ursache am Landgericht Halle fortgesetzt worden.

Am Mittwoch, dem 17. Verhandlungstag, zogen die drei Verteidiger ein Zwischenfazit. Demnach sei es der Staatsanwaltschaft bisher nicht gelungen, den Vorwurf des versuchten Mordes gegen ihren Mandanten zu erhärten.

Viele Widersprüche zwischen Klageschrift und Zeugenaussagen?

Anwalt Dirk Magerl listete zahlreiche Widersprüche zwischen dem in der Klageschrift gemachten Ablauf des Geschehens und dem von Zeugen und Gutachtern in Saal 89 des Landgerichtes Halle geschilderten Vorgängen auf.

So habe der ballistische Sachverständige keinen Zusammenhang zwischen einem im Halstuch eines verletzten SEK-Beamten gefundenen Geschossrest und einem angeblich aus nur drei bis vier Meter Entfernung von Ursache abgegebenen Revolverschuss bestätigen können.

Das Projektil, so Magerl, habe weder direkt treffen können, weil der Beamte dann viel schwerer hätte verletzt werden müssen, noch sei es vom Schutzhelm des Beamten mit der Dienstnummer ST 325 abgelenkt worden, weil sich am Helm keine Geschossspuren gefunden hätten.

Auch der gehörte Schmauchspurenexperte habe nichts gefunden, was einen Tathergang belege, wie er in der Anklageschrift geschildert werde. Einem im Verfahren gehörten medizinischen Sachverständigen sprach die Verteidigung jede Ernsthaftigkeit ab, weil der Experte die Schusswunden nur anhand der Verbände beurteilt habe. „Das Gutachten ist völlig untauglich, es sollte offenbar nur das von den Ermittlern gewünschte Ergebnis liefern“, betonte Magerl.

Rätselhaft sei zudem die Trommelstellung der vermeintlich von Ursache benutzen Tatwaffe. Die Laufkammer der Waffe, in der sich die Patronenhülse des angeblich abgegebenen Geschosses hätte befinden müssen, sei leer gewesen, obwohl Ursache nach mehreren Treffern aus zwei Polizeiwaffen nicht mehr in der Lage hätte sein können, den Hahn der Waffe erneut zu spannen. „Es bleibt das Geheimnis der Staatsanwaltschaft, wie diese Spurenlage zustande gekommen ist.“ Gehe man davon aus, dass eine dritte Person - etwa ein Beamter der Spurensicherung - die Trommel irrtümlich weitergedreht habe, sei der Revolver als Beweis nicht mehr verwertbar.

Eine Kriminalbeamtin der Polizei in Zeitz, die noch am Tattag zwei an der Schießerei in Reuden beteiligte SEK-Männer vernommen hatte, die inzwischen von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, konnte kaum zur Aufklärung beitragen. Die Kriminalistin hatte es zugelassen, dass bei den Vernehmungen der Beamten deren Dienstvorgesetzter anwesend war, als „moralische Unterstützung“, wie sie sagte.

Weil sie keinerlei Kenntnis über den Geschehenshergang vor Ort gehabt habe, habe sie sich darauf beschränkt, die beiden Männern erzählen zu lassen, was aus ihrer Sicht geschehen sei. Dabei schilderte der verletzte Beamte offenbar, dass er noch vor dem ersten Schuss einen „Schlag am Hals“ gespürt habe. Sie habe das allerdings so verstanden, dass Adrian Ursache zuerst geschossen habe. Zuletzt hatte jedoch einer der SEK-Beamten eingeräumt, dass er als Erster von der Schusswaffe Gebrauch machte.

Adrian Ursache nutzte den Verhandlungstag, um einmal mehr eine grundsätzliche Erklärung abzugeben. Nachdem er mehrfach auf eine mitgebrachte Bibel geschworen und erklärt hatte, dass er die erlittenen Schussverletzungen als Zeichen Gottes dafür nehme, dass er recht handele, beschimpfte er Staatsanwalt und Gericht als „Faschisten“, denen er sich „niemals beugen“ werde.

Adrian Ursache will „Kampf für die Wahrheit“ führen

„Ich bin hier der Ankläger“, sagte Ursache sichtlich aufgeregt. Es tue ihm leid um seine Familie, aber er müsse diesen Kampf für die Wahrheit kämpfen, „und wenn es 20 oder 30 Jahre dauert“. Ursache kündigte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Schadenersatzforderungen an, die in Schweizer Franken beglichen werden müssten.

Er selbst wolle von dem Geld keinen Cent, es solle vielmehr einem Verein namens „Aufklärung und Widerstand gegen totalitäre Regime“ zugutekommen, den er gründen werde. (mz)