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Bühnen Halle TOOH - Bühnen Halle: Wie entstand das Honorar-Loch von 1,45 Millionen Euro?

Von Christian Eger 14.12.2017, 08:00
Das Musical „Fame“ 2015 in Halle: „ambitionierte Einzelveranstaltung“?
Das Musical „Fame“ 2015 in Halle: „ambitionierte Einzelveranstaltung“? Falk Wenzel

Halle (Saale) - Sechs Monate hat es gedauert, insgesamt sechs jeweils abgesagte Erklärungs-Termine hat es gekostet, um endlich zu klären, wie das Defizit von 1,45 Millionen Euro aus Honoraren an den Bühnen Halle (TOOH) entstehen konnte, das im Juni dieses Jahres öffentlich wurde.

Geklärt wurde das Kassenloch am Dienstagabend im Finanzausschuss der Stadt Halle nicht restlos, aber es gab - noch einmal: nach sechs Monaten! - immerhin einen ersten stadtoffiziellen Versuch, es öffentlich zu erklären.

Diese Aufgabe übernahm Christian Heine, Chef der stadteigenen Beteiligungsmanagement-Anstalt (BMA). Was riss das Honorar-Loch in den Haushalt der drastisch unterfinanzierten TOOH? Laut Heine waren es „Mehraufwendungen“, die aus Krankheitsfällen, falsch prognostizierten Mehreinnahmen und „ambitionierten Einzelveranstaltungen“ resultierten, also Aufführungen, die offenbar viel zu stark zu Buche schlugen: Der BMA-Chef nennt das Musical „Fame“ (2015) und den Wagner-Zyklus „Der Ring des Nibelungen“ (2013). Vom Aufsichtsrat, sagt Heine, seien zu keiner Zeit Beschlüsse zur Erhöhung von Honorar-Budgets gefasst worden.

TOOH in Not: 1,45 Millionen Euro Defizit in den Kassen der Bühnen Halle 

Das war auch nicht notwendig, wie ein Blick in die von Heine gelieferten Statistiken zeigt. Denn die Defizite in Folge von Honorarmehraufwendungen wurden in den Bilanzen gar nicht sichtbar. Malen nach Zahlen: Was fehlte, wurde durch außerreguläre Mittel kompensiert. Das waren 2014 bis 2016 Mittel aus städtischen Risikorücklagen für den Fall einer TOOH-Insolvenz in Höhe von 6,3 Millionen Euro, und das wären, erstmals 2016, zweckfremde Zugriffe auf den von der Stadt gefüllten Strukturanpassungsfonds gewesen. Letzteres eine abenteuerliche Maßnahme, zu der es nicht kam, aber zu der es zielgenau hatte kommen sollen.

Heine räumte ein, dass es in der TOOH als „Planungsprämisse“ galt, selbstverständlich auf die städtischen Strukturanpassungs-Mittel zurückgreifen zu können, um „temporäre“ Liquiditätsengpässe zu überbrücken. In den Fonds, der im Zuge der Mittelkürzungen des Landes eingerichtet worden war, haben das Land und die Stadt jeweils rund 5,1 Millionen Euro eingezahlt, die allein für die Kosten im Zuge des verabredeten Stellenabbaus vorgesehen sind. Allein dafür?

Für die Stadtverwaltung war das offenbar Auslegungssache. Heine trägt aus dem Zusammenhang gelöste Zeilen aus dem Zuwendungsvertrag vor, wonach der Stadt „im Rahmen des gesetzlich Zulässigen“ die „haushaltsrechtliche Freiheit“ und die „eigenständige Verwendung der Mittel“ gestattet werde. Klingt gut, aber nur im ausschnitthaften, kontextfreien Zitieren, das keine Rechtmäßigkeit belegt. Heine erklärt, dass er kein Jurist sei.

So machte sich Ratlosigkeit breit im Finanzausschuss. Auch darüber, wer überhaupt die Verantwortung für die Umwidmung der Strukturmittel trägt. Derjenige, der das hätte klären können, verschwand genau zu dem Zeitpunkt aus der Sitzung, als die TOOH-Sache aufgerufen wurde: Oberbürgermeister Bernd Wiegand, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der TOOH ist. Der im August 2016 ins Amt gerufene TOOH-Geschäftsführer Stefan Rosinski wurde krank gemeldet.

Theater, Oper und Orchester GmbH (TOOH) notorisch defizitär?

So kam dessen Vorgänger Rolf Stiska nicht leibhaftig, aber schriftlich zu Wort. Bereits im August hatte der 76-Jährige ein Schreiben verfasst, das jetzt von Heine vorgetragen wurde. Man kann es zusammenfassen: Stiska glaubt daran, dass sich in der notorisch defizitären TOOH am Ende alles hätte in Wohlgefallen auflösen können. Er hält die im Theatervertrag vorgesehene Strukturanpassung bis 2019 für möglich, wenn man sie denn „konsequent“ weiterverfolgt hätte. Durch Kassenschlager mittelfristig akute Defizite zu kompensieren, war einer seiner Pläne.

Es gibt gute Gründe, diese Erfolgschancen anzuzweifeln. 1,45 Millionen Euro Miese fängt man nicht einfach auf in solcher Schräglage. Das Erstaunliche an diesem Verfahren ist nicht nur, dass es überhaupt möglich war. Sondern auch, dass es mit dem Wechsel zu Rosinski abrupt endete. Auf einmal war das Loch sichtbar. Die Stadt stopfte es in diesem Jahr mit 1,7 Millionen Euro.

Der Chef des Finanz-Ausschusses, Bodo Meerheim (Linke), sparte nicht an Kritik. Das Umwidmungsverfahren bezeichnet er als sachlich „sehr vage, weit hergeholt“, nach dem Wortlaut des Vertrages als „nicht zulässig“. Warum hat uns die Verwaltung nicht informiert?, fragt er. „Es ist schrecklich, dass diejenigen, die Verantwortung übernehmen müssten, es nicht tun.“

Die Stadträte Tom Wolter (Mitbürger) und Johannes Krause (SPD) erklärten ihren Unmut. Beide fragten: Welches TOOH-Defizit ist denn 2018 zu erwarten? Muss es wieder aus dem Stadthaushalt ausgeglichen werden wie in diesem Jahr? Noch fehlt ein TOOH-Wirtschaftsplan 2018. Krause: „Meine Bereitschaft hält sich in Grenzen.“

Nicht nur seine. Der Ausschuss stimmte für das TOOH-Geschäftsjahr 2015/16 der Entlastung des Aufsichtsrates, nicht aber des Geschäftsführers Stiska zu. Dem kann das egal sein. Es geht ein Riss zwischen Stadtrat und -verwaltung. Die nächste Chance diesen zu schließen, steht am 21. Dezember. Dann hat der Stadtrat über die Entlastungen zu befinden. (mz)