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Prozess gegen Adrian Ursache Reichsbürger Adrian Ursache vor Gericht: Muss Innenminister Holger Stahlknecht in den Zeugenstand?

Von Steffen Könau 12.12.2017, 21:50
Innenminister Holger Stahlknecht wird womöglich als Zeuge im Prozess gegen den Reichsbürger Adrian Ursache vernommen.
Innenminister Holger Stahlknecht wird womöglich als Zeuge im Prozess gegen den Reichsbürger Adrian Ursache vernommen. DPA

Halle (Saale) - Im Verfahren wegen versuchten Mordes gegen Ex-Schönheitskönig Adrian Ursache hat die Verteidigung den 14. Prozesstag mit einem Paukenschlag eröffnet. Für die drei Pflichtverteidiger verlas Anwalt Manuel Lüdtke einen Antrag, Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) als Zeugen zu laden.

Stahlknechts Vernehmung werde ergeben, dass beim Polizeieinsatz in Reuden im August 2016 kein psychologisch geschulter Beamter der Polizei vor Ort gewesen sei. Dies sei aber vorgeschrieben.

Prozess gegen Ursache: Hat die Polizei Protokoll beim ausgeuferten Einsatz missachtet?

In Videos vom Einsatz sei zu sehen, dass der Angeklagte die Kommunikation mit den SEK-Beamten gesucht habe. Minutenlang habe der später beim Schusswechsel verletzte Ursache sich einen Wortwechsel mit den Einsatzkräften geliefert. Dabei hatten beide Seiten mit ihren Waffen aufeinander angelegt. Gegen die Vorschriften und obwohl absehbar gewesen sei, dass es bei der geplanten Zwangsräumung zu Problemen kommen könnte, sei kein mit Deeskalation vertrauter Beamter anwesend gewesen. Stahlknecht als Dienstherr solle, so Manuel Lüdtke, dazu Angaben machen, „ob das bewusst unterlassen wurde, obwohl mit Gewalthandlungen gerechnet worden ist“.

Gehört werden soll nach dem Willen der Verteidigung zudem der Einsatzleiter. Ursache sei zu keinem Zeitpunkt der Haftbefehl eröffnet worden, der die Grundlage für das Vorgehen der Polizei in Reuden geliefert hatte. „Mein Mandant war damit in völliger Unkenntnis der Grundlage des Einsatzes“, argumentierte Manuel Lücke. Da zudem der Gerichtsvollzieher, der die Polizei um Amtshilfe gebeten hatte, während der Erstürmung des Grundstückes nicht anwesend war, seien Rechtsvorschriften über die Zwangsvollstreckung missachtet worden. Lüdtke: „Der Einsatz war damit rechtswidrig“.

Großeinsatz in Reuden: Beamter erzählt von Chaos

Die Darstellung von Gruppenführern der Bereitschaftspolizei im Zeugenstand schwächten diesen Eindruck kaum ab. Sie sagten aus, dass ihnen vor Beginn der Großaktion mit rund 200 Beamten weder gesagt worden sei, welches Grundstück zwangsgeräumt werden sollte noch habe es Pläne gegeben, wer Ursache, seiner Frau und deren im Nebenhaus wohnenden Eltern die Haftbefehle eröffnen sollte.

Es sei auch nie davon geredet worden, wohin die beiden minderjährigen Kinder hätten verbracht werden sollen, wenn die gesamte Familie inhaftiert worden wäre, sagte einer der Gruppenführer. „Es war ein ziemliches Chaos“, bestätigte er andere Aussagen von Zeugen. Wie seine Kollegen vermochte er sich im Zeugenstand kaum an konkretere Beobachtungen erinnern. Nicht einmal über die Handlungen der ihm unterstellten Männer habe er den Überblick gehabt.

Die Verteidigung beantragte die Aufhebung der Haft gegen Ursache. Die bisherige Verhandlung habe den Verdacht, der Ex-Schönheitskönig habe einen Polizisten mit einem gezielten Schuss töten wollen, nicht belegen können. Es sei, so Verteidiger Dirk Magerl, nicht mehr „hochwahrscheinlich“, dass sein Mandant wegen der Vorwürfe aus der Anklage verurteilt werde. Es gebe auch keine Fluchtgefahr. Über die Anträge wurde noch nicht entschieden, der Prozess wird am Montag mit Zeugenaussagen fortgesetzt. (mz)