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Prozess gegen Adrian Ursache Prozess gegen Adrian Ursache: Zeuge ST 328 vom SEK erscheint mit Perücke getarnt

Von Steffen Könau 28.11.2017, 14:24
Adrian Ursache (l) mit seinen Verteidigern
Adrian Ursache (l) mit seinen Verteidigern Steffen Könau

Halle (Saale) - Der einzige, den das alles nicht interessiert, ist der Angeklagte Adrian Ursache. Während seine drei Verteidiger am 9. Verhandlungstag versuchen, aus den geladenen Zeugen neue Einzelheiten über den ihrem Mandanten zur Last gelegten mutmaßlichen Mordversuch vom 25. August 2016 im Elsteraue-Örtchen Reuden herauszubekommen, lehnt Adrian Ursache neben der Anklagebank.

Prozess gegen Adrian Ursache: 9. Prozesstag mit Zeugenbefragung

Hatte der 43-Jährige zu Beginn des Prozesses noch wortreich bekundet, dass er ein für ihn zuständiges „deutsches Gericht auf dem Boden des Grundgesetzes in der genehmigten Fassung von 1949“ verlange, ist seine neue Strategie demonstrative Nichtteilnahme.

Wenn auch nicht ganz, denn wie üblich verlangt der frühere Mister Germany zum Auftakt das Wort. Ursache wiederholt in 73 Minuten die bekannten Thesen, die er immer wieder als Befangenheitsanträge vorgebracht hat.

„Sie spielen hier ein schönes Spiel, an dem ich mich nicht beteiligen werde“, sagt er und kündigt diesmal eine „internationale Feststellungsklage“ an. Dann folgt ein Gewitter aus Völkerrechtskunde, Staatstheorie, Glaubenslehre und Verweisen auf  Verschwörungstheorien.

Weltbild von Adrian Ursache: Eliten versklaven die Massen

Der Kern von Ursaches Weltbild: Eliten versklaven die Massen, indem Menschen zu juristischen Personen erklärt würden. Mit der „Fiktion einer Demokratie“ würden Bürger ruhiggestellt, er aber werde dabei nicht mitmachen.

Sein Reich Ur sei kein Staat gewesen, sondern sein Glaube, abgeleitet aus der Bibel. Er sehe sich als „Vater vieler Völker“ und werde sich nicht beugen lassen.

Die fünf am Einsatz in Reuden beteiligten Polizeibeamten zeigen im Zeugenstand dann erstaunliche Erinnerungs- und Wahrnehmungslücken. Ein Bereitschaftspolizist berichtet etwa, dass er gehört habe, wie Adrian Ursache seinen SEK-Kollegen drohte „verpisst Euch, sonst knalle ich euch ab“. Als Verteidiger Hartwig Meyer ihm vorhält, er habe unmittelbar nach den Ereignissen in einer dienstlichen Erklärung geschrieben, Ursache habe gerufen „dann knallt mich doch ab“, wird er nachdenklich. Seine Erinnerungen hätten sich seitdem wohl „erweitert“, begründet er dann.

Ein Muster, das auch bei der Aussage des Mannes auffällt, der vor Gericht nur mit seiner Dienstnummer ST 328 bezeichnet wird. Der 28-Jährige SEK-Beamte tritt wie später auch einer seiner Kollegen mit Perücke auf. In kurzer Abfolge will er damals fünf Schüsse gehört haben, erst  zwei, dann weitere drei. Ursache, den er kurz zuvor noch gesehen habe, wie er auf seine Kollegen zielte, habe nach den ersten Schüssen „Wirkung gezeigt“, sei „schockstarr“´gewesen. Dann sei sein Arm wieder hochgekommen. „Und dann hat er geschossen.“

Warum die  Munition Marke Action 5 die beabsichtigte Wirkung nicht entfaltete, blieb offen. Das Geschoss ist nämlich so konstruiert, dass es sich nach einem Treffer im Körper der  Zielperson aufspreizt und so eine größere Wucht erzeugt.

Warum die bei Ursache nicht eintrat, konnte der Beamte nicht erklären.  Zum Tatgeschehen vernommen worden war ST 328 bis zu seiner Zeugenaussage noch nicht, auch er hatte bisher nur einen Aktenvermerk  verfassen müssen.

Prozess gegen adrian Ursachen: Das sagen die Zeugen von SEK

Auch der SEK-Mann mit der Nummer ST 330 gibt zwar an, erst das Mündungsfeuer aus Ursaches Waffe und später das fünfmarkstück-große Hämatom am Hals eines mutmaßlich von einer Kugel getroffenen Kollegen ST 325 gesehen zu haben.

Bei den Schüssen der direkt neben ihm stehenden SEK-Männer auf Ursache aber habe er gerade weggeschaut. „Weil ich mich um eine weitere Person kümmern musste, die dort herumlief“.

Die hinderte auch den dritten Beamten ST 326 an der Beobachtung des Schusswechsels. Er habe bemerkt, sagt der bärtige Mann, dass der Angeklagte ihn und seine Kollegen beschimpft und deren Handlungen nachgeahmt habe. „Wenn wir niederknieten, kniete er sich auch hin.“ Als er  diesen Unbekannten  wegweisen wollte, fielen die Schüsse. „Ich sah nur noch, wie er zusammensackte.“ Ursaches Verteidiger Manuel Lüdtke mag das nicht glauben und zählt die zehn Sekunden vor, die das Feuergefecht gedauert haben soll. „Und so lange haben Sie sich nicht herumgedreht?“, fragt er. Eine schlüssige Antwort gibt es an diesem Tag nicht.

Der Prozess wird fortgesetzt, neue Termine sind inzwischen bis Mitte März festgesetzt.(mz)