1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Alarm im Opernhaus: Bühnen Halle: Geschäftsführer Stefan Rosinski rechnet mit Florian Lutz und Matthias Brenner ab

EIL

Alarm im Opernhaus Bühnen Halle: Geschäftsführer Stefan Rosinski rechnet mit Florian Lutz und Matthias Brenner ab

Von Christian Eger 17.11.2017, 07:00
Der absolutistische Controller auf der „Fidelio“-Leinwand: In einigen Äußerungen des Don Pizarro sieht sich Stefan Rosinski „diffamiert“.
Der absolutistische Controller auf der „Fidelio“-Leinwand: In einigen Äußerungen des Don Pizarro sieht sich Stefan Rosinski „diffamiert“. Falk Wenzel

Halle (Saale) - Vor zwei Wochen wurde noch gefeiert, übertragen vom TV-Sender 3Sat: Der deutsche Theaterpreis für die Bühnen Halle - verliehen an den Bühnenbildner Sebastian Hannak für die hallesche „Raumbühne Heterotopia“. Das Flaggschiff, mit dem im Herbst 2016 Florian Lutz in seine Opernintendanz in Halle startete. Mit einer Bühne, die das Publikum mitten ins künstlerische Geschehen holte. Neu. Überraschend. Streitbar. Sehr anregend.

Aber nicht für die Geschäftsführung der Bühnen Halle (TOOH). Im aktuellen Bericht des Geschäftsführers wird der Preis mit keinem Wort erwähnt. Statt dessen ist da zu lesen: Zu teuer, zu ambitioniert und in Halle wahrscheinlich am falschen Ort sei das Lutzsche Theater.

Das ist - kurz gefasst - der Befund des Geschäftsführers der Bühnen Halle, Stefan Rosinski, über das Musiktheater an seinem Haus. Das Konzept des „zeitgenössischen politischen Musiktheaters“ ziele auf eine „Untergruppe von Opernliebhabern“, die in Halle schwer zu finden sei.

Verpasst Stefan Rosinski Intendant Florian Lutz einen Maulkorb?

Aber nicht nur das neue Musiktheater steht für Rosinski zur Diskussion. Der ganze Mann ärgert ihn. Die von Florian Lutz im Sommer in einem MZ-Interview geübte Kritik an seiner Führung begreift er als „Angriff“, der die gesamte TOOH in ein „unerfreuliches Licht“ rücke. Den von Lutz im „Fidelio“ amüsant als marktgängigen Controller gestalteten Don Pizarro nimmt er persönlich. Zwar hatte er in der MZ erklärt, dass die Figur in „keiner Weise meine Arbeit als Geschäftsführer“ abbilde, aber jetzt beklagt er sich beim Aufsichtsrat, dass „verschiedene Texte“ von ihm „in diffamierender Weise“ verarbeitet worden seien. Rosinski fordert, dass der Aufsichtsrat „nachhaltige Maßnahmen“ gegen „schlechte Nachrede in der Öffentlichkeit“ ergreift. Was soll das sein: ein Maulkorb für die Intendanten? Für die Kunst?

Starker Tobak. An diesem Freitag wird er präsentiert. Rosinski stellt dem Aufsichtsrat seinen Geschäftsbericht vor, der der MZ vorliegt. Dieses Papier liest sich über weite Strecken wie eine Generalabrechnung mit Lutz. Und auch Matthias Brenner, der Chef des Schauspiels, wird nicht geschont. Das lässt den Verdacht der Retourkutsche zu: Beide Intendanten hatten die Arbeit des Geschäftsführers in Briefen an den Aufsichtsrat kritisiert.

Fehlen den Bühnen Halle 100.000 Euro?

Rosinski eröffnet sein Papier mit einer Statistik, die für 2017 im Vergleich zum Vorjahr die Erlöszahlen der einzelnen Sparten aufführt. Wie bereits im Frühjahr werden Zahlen aus einem laufenden Verfahren präsentiert, um Schlüsse zu ziehen. Demnach bestünde für die Oper auch nach einem erneuten Anpassen des Erlös-Solls nach unten die Gefahr, dass am Ende des Jahres 100.000 Euro fehlen.

100.000 Euro? Er wolle nicht glauben, dass das so im Bericht stehe, sagt Florian Lutz, der das Papier nicht kennt. Trotz mehrfacher Aufforderungen an den Geschäftsführer lägen ihm die Erlöszahlen 2017 für die Oper nicht vor. Die einnahmestarken Monate kämen erst noch. Und im laufenden Jahr habe man so sparsam gewirtschaftet, dass da rund 100.000 Euro weniger ausgegeben worden seien.

Wozu also der Alarm? Stefan Rosinski, ein Kaufmann mit künstlerischen Ambitionen, der seine Distanz zum zeitgenössisch-politischen Regie-Theater nicht verbirgt (im Mai mit dem Essay „Das depressive Staatstheater“ in der Intellektuellen-Zeitschrift „Merkur“), zielt auf etwas anderes. Er beklagt, dass das „klassische Opernpublikum mit seinem Bezug auf das Repertoire des 18. und 19. Jahrhunderts - produziert in einem gemäßigten Regiestil und musikalisch sowie gesanglich exzellent fokussiert“ außen vor bleibe. Die Sache ist nur: Dieses Repertoire gibt es.

Ein Blick in den Spielplan: Konzertanter Belcanto mit „Anna Bolena“, das Händel-Oratorium „Jephta“, das historisierende Ballett „Die Kameliendame“, demnächst mit „Die Nachtigall des Zaren“ eine szenische Lesung mit Barock-Arien. Alles schick konservativ. Was es aber nicht gibt, ist ein zielgruppen-orientiertes Werbe- und Vertriebsmanagement, um ein Musiktheater zu befördern, das beides bietet: Zeitgenossenschaft und Kulinarik.

Es wäre einiges zu tun, bevor bereits nach der ersten Spielzeit einer neuen Musiktheaterleitung nach einem Rollback gerufen wird. Man müsste Lutz die Chance geben, ein Publikum zu bilden und um dieses zu werben. Dass von Lutz mehrfach ein „verbessertes Marketing“ gefordert worden sei, erwähnt Rosinski, sieht aber keinen Zusammenhang mit der Auslastung der Vorstellungen. Das meiste TOOH-Werbegeld sei in die Oper geflossen.

Aber wofür? Ein Abo-Angebot für das Opernhaus im Briefkasten? In Halle nie erlebt. Ein Fidelio-Plakat? Nie gesehen. Einen öffentlichen, das Musiktheater fördernden Auftritt des Geschäftsführers mit dem Opernintendanten? Unbekannt. Auch außerhalb von Halle nicht. Dabei präsentiert sich das Land Sachsen-Anhalt gern mit seiner Kultur in seiner Berliner Vertretung.

Statt dessen bittet Rosinski - im Text unterstrichen -, dass sich der Aufsichtsrat „zu der Frage der dauerhaften Finanzierung der Opernsparte in Bezug auf die Programmspezifik strategisch positioniert.“ Er schlägt Alarm, wo Hausaufgaben zu machen wären.

Breitseite auch gegen Matthias Brenner

Gemessen an den Breitseiten gegen die Oper ist der Angriff auf Brenner ein Nebenschauplatz. Aber auch hier geht es hoch her. Brenner, schreibt Rosinski, sehe „sich ,im ,politischen Widerstand‘ gegen jegliche Art von ,Ökonomisierung‘ der Theaterkunst“. Nach wie vor falle es schwer, Budgetvorgaben „zu realisieren“. Rosinski zitiert einen Vorgang, in dem Brenner im Januar 2016 eigenmächtig eine Musical-Aufführung vereinbart hatte, die er dann doch nicht wollte, und die laut Vertrag jetzt fällig oder auszuzahlen gewesen wäre, wovon Rosinski erst vor wenigen Wochen erfahren habe. Der begreift das Verhalten als „gravierender“ als nur „grob fahrlässig“. Der Aufsichtsrat solle sich „positionieren“. Und Brenner?

Ökonomie-Widerstand? „Unsere Zahlen sprechen dagegen“, erwidert Brenner knapp. Der Musical-Fall? Er habe vor Wochen Rosinski darüber informiert und gesagt, dass er eventuelle Ausfallforderungen selbst zahlen würde, so dass für die TOOH kein Schaden entstünde. Es gäbe keine Kosten, sagt Brenner. Das Veröffentlichen des Vorgangs im Bericht begreife er als Vertrauensbruch. „Ich habe das Gerücht, dass ich aus Halle weggehen will, nie in die Welt gesetzt“, sagt er. „Aber der Bericht zeigt mir, dass es Menschen gibt, die das freuen würde.“ (mz)