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Gefährliche Riesenpflanze Gefährliche Riesenpflanze: Tiefflieger sucht nach Bärenklau in Sachsen-Anhalt

Von Ralf Böhme 18.11.2017, 18:24
Die Blätter eines Riesenbärenklau werden mit einem Pflanzengift besprüht. Die Bekämpfung des Doldengewächses ist schwierig.
Die Blätter eines Riesenbärenklau werden mit einem Pflanzengift besprüht. Die Bekämpfung des Doldengewächses ist schwierig. dpa

Halle (Saale) - Die Zahl der Fundmeldungen von Riesenbärenklau in Sachsen-Anhalt ist im Vergleich zu 2016 um nahezu 30 Prozent gestiegen. 

Betroffene melden bitte das Auftreten von Riesenbärenklau den Naturschutzbehörden. Über das weitere Vorgehen wird dann im Einzelfall entschieden. 

Seit 2010, dem Jahr der ersten Datenerhebung in Sachsen-Anhalt, wurde das gefährliche Doldengewächs bereits an 1.897 Standorten identifiziert.

Besonders betroffen von „Stalins Rache“, wie der Volksmund die Kaukasus-Pflanze nennt, sind der Salzlandkreis und der Landkreis Mansfeld-Südharz. Das geht aus einer aktuellen Bilanz des Unabhängigen Institutes für Umweltfragen (UfU) in Halle hervor.

In nächster Zeit werden vermutlich noch weitere Fundstellen hinzukommen. „Gegenwärtig erfolgt eine intensive wissenschaftliche Auswertung von Satellitendaten und Luftbildern“, sagte Katrin Schneider, Leiterin der Koordinationsstelle Invasive Neophyten (Korina). Die Aufnahmen stammen aus dem Umland von Bernburg, weitere sollen in den nächsten Jahren nach Möglichkeit hinzukommen.

Wurzelknollen des Riesenbärenklau verbleiben im Herbst im Boden

Zum Einsatz kommt dabei ein Gyrocopter, ein spezielles Fluggerät, das während der Blütezeit im Sommer mit hochauflösender Spektral-Kameratechnik ausgestattet und im Tiefflug mit Tempo 30 über Verdachtsflächen unterwegs ist. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen bei der Rodung, auch wenn die Pflanze im Herbst abstirbt. Der Grund: Es verbleiben bis zu 40 Zentimeter große Wurzelknollen im Boden.

Sachsen-Anhalts Umweltministerium unterstützt die Ortung und Bekämpfung mit beträchtlichen finanziellen Mitteln: Fast zwei Millionen Euro sind seit 2012 geflossen. Dabei gibt es neben dem Riesenbärenklau noch weitere 17 Arten von pflanzlichen Eindringlingen, die gleichfalls großen Ärger stiften und bekämpft werden sollen. Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne): „Die Probleme invasiver Arten sind vielfältig.“ Dementsprechend müssten die Reaktionen ausfallen. Ziel beim Riesenbärenklau sei es, die größten Vorkommen mit aufeinander abgestimmten Aktionen nach und nach einzudämmen. Damit verbinde man zugleich die Hoffnung, dass weniger Menschen mit den Pflanzen in Berührung kommen, die häufig stark schmerzende allergische Hautreaktionen auslösen. Außerdem gehe es darum, die einheimische Arten vor der wuchernden Dominanz des Riesenbärenklau zu schützen.

Kampf gegen „Stalins Rache“: Sachsen-Anhalt unterstützt mit knapp zwei Millionen Euro

2018 werden sich die Anstrengungen voraussichtlich auf diese zwei Areale konzentrieren. So soll der Riesenbärenklau entlang des Bachlaufes „Böse Sieben“ von der Quelle in Richtung „Süßer See“ bei Eisleben beseitigt werden. Dafür müssen auch private Grundstücksbesitzer gewonnen werden. Nur punktuelles Eingreifen bringt nach den bisherigen Erfahrungen kaum Fortschritte. Grund ist die außerordentlich große Zahl der Samen - bis zu 50.000 aus einer Dolde. Deshalb werde das Vorgehen künftig von einer Stelle aus gesteuert, etwa durch das örtliche Umweltamt. So ist es auch im Raum Strenzfeld bei Bernburg geplant.

Dort erstreckt sich das Gelände eines ehemaligen staatlichen Lehr- und Versuchsgutes. Zeitzeugen gilt es als erster nachweislicher Ausgangspunkt der Invasion. Riesenbärenklau ist nach deren Angaben in den 1960er Jahren probeweise angebaut worden, um das Futter-Problem der DDR-Landwirtschaft in den Griff zu bekommen - ohne Erfolg. Laut Überlieferung ist der Anbauversuch gescheitert, weil den Kühen das unbekannte Grünzeug nicht geschmeckt haben soll.

Unterschiedliche Erinnerungen kursieren inzwischen darüber, wie der Riesenbärenklau überhaupt nach Sachsen-Anhalt gelangt sei. Einer Version nach sollen Wissenschaftler des Bernburger Instituts für Pflanzenzucht die Samen aus der russischen Kuban-Region mitgebracht haben. Einem prominenten Getreide-Experte zufolge, Prof. Wilhelm Kappel aus Röbel (Müritz), ist jedoch SED-Politbüro-Mitglied Gerhard Grüneberg der Initiator des fragwürdigen Pflanzen-Experimentes. Akteure und Mitwisser sollten nicht darüber sprechen. „Das ganze Projekt war als vertrauliche Dienstsache eingestuft“, erklärt Kappel gegenüber der MZ.  (mz)