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Prozess gegen Adrian Ursache Prozess gegen Adrian Ursache: "Reichsgründer" vermeidet plötzlich die Konfrontation

Von Ralf Böhme 09.11.2017, 17:00
Knapp 14 Monate nach einer Schießerei mit einem Spezialeinsatzkommando (SEK) bei einer Zwangsräumung muss sich der 42 Jahre alte Adrian Ursache wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht verantworten.
Knapp 14 Monate nach einer Schießerei mit einem Spezialeinsatzkommando (SEK) bei einer Zwangsräumung muss sich der 42 Jahre alte Adrian Ursache wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht verantworten. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Ein Griff und der Schlagstock tanzt. Pfefferspray, Handschellen, Schutzwesten, alles einsatzbereit: Sechs maskierte Justizbeamte umringen den Angeklagten. Ein martialischer Auftritt, der erschrecken kann. Die Verhandlung gegen Adrian Ursache findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. „Das geschieht vorsorglich. Bei der Festnahme fielen Schüsse. Es geht um versuchten Mord“, erklärt Wolfgang Ehm, Sprecher des Landgerichtes Halle.

Die ungewöhnliche Machtdemonstration scheint am Donnerstag die beabsichtigte Wirkung nicht zu verfehlen. Das Publikum am siebenten Prozesstag enthält sich, anders als sonst, jeglicher Bekundungen. Für die größte Überraschung aber sorgt der ehemalige Mister Germany und spätere Reichsgründer selbst. Adrian Ursache, bisher stets auf Angriff gebürstet, schweigt. Keine Tiraden, kein Widerwort.

Prozess gegen Adrian Ursache: Gutachter müssen unverrichteter Dinge wieder abreisen

Die Konfrontation, von zahlreichen Beobachtern erwartet, bleibt aus. Dass es zu diesem wundersamen Wandel gekommen ist, kann sich wohl zuerst Rechtsanwalt Manuel Lüdtke aus München zu gute schreiben. Der erfahrene Strafrechtler ist Pflichtverteidiger und setzt dabei auf ein altbewährtes Motto, das auch vor Gericht gilt: „Der Ton macht die Musik.“

In der Sache präzise und verbindlich trägt der Jurist freundlich seine Argumente vor, die dann den vorgesehenen Fortgang der Beweisaufnahme am Ende außer Kraft setzen. Gutachter, die eigentlich zu Wort kommen sollen, müssen unverrichteter Dinge wieder abreisen.

Prozess gegen Adrian Ursache: Zuerst die Zeugen vom Tatort, dann erst die Bewertung durch die Sachverständigen

Noch wisse man hier nicht, so der Verteidiger von Ursache, was vor Ort bei der Festnahme seines Mandanten tatsächlich abgelaufen sei. Deshalb habe er die Bitte, zunächst die Einsatzkräfte zu vernehmen. Vorher wäre es schwierig, den Gutachtern die richtigen und wichtigen Fragen zu stellen.

Zuerst die Zeugen vom Tatort, dann erst die Bewertung durch die Sachverständigen - diese Änderung habe einen großen Vorteil: Aussagen könnten nicht den Gutachten angepasst werden. Dass diese Möglichkeit immerhin bestehe, besage seine juristische Erfahrung.

Staatsanwaltschaft verzichtet auf Einwände

Was Lüdtke in aller Bescheidenheit als „Anregung“ bezeichnet, erweist sich als einfacher, aber umso überzeugenderer prozessualer Schachzug. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf Einwände. Das Gericht schließt sich dem Vorschlag nach kurzer Beratung an. Richter Jan Stengel geht sogar soweit: „Ja, das war ursprünglich auch unser Plan.“ Aber dazu sei es aus verschiedenen Gründen nicht gekommen. Welche er speziell meint, ist dann freilich kein Thema mehr.

Stattdessen erfährt einer der Gutachter, dass sein Beitrag zur Wahrheitsfindung nun am 5. Dezember gehört werden soll. Dieser Termin liegt dann fast eineinhalb Jahre nach dem Ereignis im August 2016. Damals soll Ursache bei der Zwangsräumung seines Hauses auf einen Beamten des Sondereinsatzkommandos (SEK) geschossen haben.

Schüsse in Reuden: Unklarheiten gibt es zum genauen Ablauf

Nur die Schutzausrüstung wendet damals die sonst wohl tödliche Verletzung ab. Die Anklage: „Er nahm den Tod zumindest billigend in Kauf.“ Oberstaatsanwalt Uwe Damaschke geht insgesamt von niederen Beweggründen des 42-jährigen Verdächtigen aus.

Unklarheiten gibt es allerdings zum genauen Ablauf. Ein Video, auf dem Schussgeräusche zu hören sind, soll diese beiden Fragen nahe legen: Wer hatte zuerst die Hand am Drücker? Knallte da der Revolver von Ursache oder feuerten die großkalibrigen Polizeipistolen? Ohne auf Details einzugehen, lässt Verteidiger Lüdtke erkennen, dass darüber hinaus noch viele Fragen unbeantwortet sind. Von daher halte er ein rasches Verhandlungsende für eher unwahrscheinlich.

Verteidiger beschreibt seinen Mandanten Adrian Ursache mit Respekt

Zu einem späteren Zeitpunkt soll ein Psychologe das Wort bekommen. Der Mann, von dem bereits die Expertise über den Mörder der chinesischen Studentin Yangjie Li in Dessau-Roßlau vorliegt, untersucht das Verhalten des Angeklagten während der Vernehmungen und im Prozess. Dass Adrian Ursache über ausgeprägte Eigenarten verfügt, wäre da keine große Entdeckung.

Sein Verteidiger beschreibt seinen Mandanten mit Respekt. Er sei gewiss kein einfacher Mensch und besitze zudem über eine sehr eigene Rechtsauffassung. In Erinnerung geblieben ist die Inszenierung zum Prozessauftakt. Damals erklärte Ursache das Gericht für nicht zuständig und sparte nicht mit wüster Beschimpfung. (mz)