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Trumps Steuersenkungspläne Trumps Steuersenkungspläne: Experten befürchten Steuersenkungswettlauf der Nationen

Von Stephan Kaufmann 03.11.2017, 16:32
Trump will durch die geplante Steuerreform Unternehmen in den USA halten.
Trump will durch die geplante Steuerreform Unternehmen in den USA halten. AFP

Auf die Kritik reagierte Donald Trump wie üblich: gereizt. „Wir brauchen ein FAIRES Steuersystem, das die Unternehmen ermuntert, in Amerika zu bleiben!“, wetterte er über den Nachrichtendienst Twitter an die Adresse des Internationalen Währungsfonds. Der IWF hatte zuvor – indirekt – Trumps Steuerreform kritisiert, die vor allem den reichen Amerikanern zu Gute kommt. „Extreme Ungleichheit kann den sozialen Zusammenhalt gefährden“, warnte der Fonds und warb gleichzeitig für höhere Steuern für Wohlhabende. Mick Mulvaney, unter Trump Direktor des Amtes für Verwaltung und Haushaltswesen, feuerte zurück: Der IWF sei „sehr interessiert daran, dass die Steuerreform scheitert“.

Der Steuer-Zug fährt in die andere Richtung

In den Industrieländern geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Laut IWF liegt dies vor allem daran, dass die Reichen sehr viel reicher geworden sind. Dieser Befund wird zwar weithin geteilt. Dennoch fährt der Steuer-Zug derzeit wieder in eine andere Richtung: Ob USA, Frankreich, Niederlande oder Großbritannien - viele Länder planen die Senkung von Unternehmensteuern, Vermögensteuersätze werden zurückgenommen. Frankreichs Regierung  hat die Millionärssteuer gerade um 70 Prozent gekappt. „Wir haben einen Präsidenten für die Reichen“, schimpfte Philippe Martinez, Chef der Gewerkschaft CGT.

Der Trend ist nicht neu. „Empirisch beobachtet man einen jahrelangen weltweiten Abwärtstrend bei den Gewinnsteuersätzen“, so das gewerkschaftsnahe Institut IMK. Seit den frühen achtziger Jahren sind die Sätze in den reicheren OECD-Staaten im Durchschnitt von über 40 auf unter 30 Prozent gesunken. Allein in den vergangenen Jahren schrumpfte der Satz für Unternehmenserträge – einschließlich kommunaler Steuern – laut J.P. Morgan in Japan von 41 auf 33 Prozent, in Deutschland von 39 auf 30 Prozent, in Italien von 37 auf 31 und in Großbritannien von 30 auf nur noch 20 Prozent.

In den USA verharrte er zwar bei etwa 35 Prozent. Doch durch Steuergestaltung zahlen gerade die großen Unternehmen letztlich viel weniger. „Seit den fünfziger Jahren hat sich der Steueranteil an den US-Gewinnen mehr als halbiert“, errechnet Harm Bandholz von der Bank Unicredit.

Mögliche Kettenreaktionen

Nun steht eine neue Runde Steuersenkungen für Unternehmen, Vermögende und Kapitaleigner an. Ziel der Regierungen ist es, die Unternehmen mit niedrigen Belastungen aus Steueroasen wie Irland oder Luxemburg herauszulocken. Im Standortwettbewerb ziehen dabei Steuersenkungen in einem Land ähnliche Maßnahmen in anderen Ländern nach sich.

Die US-Regierung will derzeit den Steuersatz auf Unternehmensgewinne auf 20 Prozent senken, Personengesellschaften sollen nicht mehr als 25 Prozent zahlen, die Erbschaftsteuer soll gestrichen werden. US-Unternehmen „sollen mehr von ihren hart verdienten Dollars behalten“, warb Trump, der persönlich von der ebenfalls geplanten Abschaffung der Mindeststeuer profitieren dürfte.

Trump verspricht zwar, die niedrigeren Steuern würden zu mehr Investitionen und mehr Jobs führen, das zusätzliche Wachstum wiederum lasse die Steuereinnahmen steigen. Der IWF bleibt skeptisch: Dass Steuersenkungen mehr Wachstum und dem Staat damit höhere Steuereinnahmen bescheren, „ist konzeptionell eine Möglichkeit, in der Realität jedoch selten dokumentiert worden“, kommentierte Vitor Gaspar vom IWF. Unicredit weist darauf hin, dass Großbritannien seinen Unternehmensteuersatz seit 2007 um zehn Prozentpunkte gesenkt hat, „dennoch ist die britische Investitionsquote niedriger als 2007“. In Deutschland wiederum haben sich die Unternehmensgewinne seit Mitte der neunziger verdoppelt, die Nettoinvestitionen hingegen sind gefallen.

Geplante Steuerreform kommt den Reichen zugute

Ob die Konjunktur von geringeren Steuern und höheren Gewinnen profitieren wird, ist also zweifelhaft. Sicher ist aber: Die Erträge fallen vor allem bei den Wohlhabenden an. Denn ihnen gehört der größte Teil der Unternehmen und des Vermögens. Laut US-Finanzministerium entfallen 70 Prozent der Unternehmensteuern auf die reichsten zehn Prozent der US-Haushalte, weitere zehn Prozent gehen an die zweitreichsten zehn Prozent.

Laut Brookings Tax Policy Center würden die Erträge der Steuerreform daher zu knapp 80 Prozent beim reichsten ein Prozent der US-Haushalte anfallen. „Angesichts der bereits hohen Ungleichheit werden weitere Steuererleichterungen zu Gunsten der Begüterten das Land weiter spalten“, mahnt Unicredit-Ökonom Bandholz.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat zugesagt, die Gewinnsteuer bis zum Jahr 2022 von 33 auf 25 Prozent zu drücken. Die Vermögensteuer für Millionäre hat seine Regierung Ende Oktober quasi abgeschafft und die Steuer auf Kapitalerträge gesenkt. Ziel: die Förderung von Investitionen. Das Eindampfen der Vermögensteuer sei ein „historischer Irrtum“, der die Ungleichheit weiter steigen lassen werde“, kommentierte der französische Ökonom Thomas Piketty.

Es droht ein Wettlauf nach unten

Großbritannien will die Gewinnsteuer weiter auf 17 Prozent drücken. In Österreich hat die ÖVP Steuersenkungen versprochen, die FPÖ fordert sogar eine Halbierung des Unternehmensteuersatzes auf 12,5 Prozent. Die neue niederländische Regierung hat eine Gewerbesteuersenkung von 25 auf 21 Prozent angekündigt, für Gewinne bis 200.000 Euro sollen es nur 16 Prozent sein. Auch die Steuerklassen sollen neu sortiert werden. Im Gegenzug wird der Konsum stärker besteuert, die Mehrwertsteuer steigt. Davon würden zwar alle Einkommensschichten profitieren, so die Commerzbank, die Entlastung für mittlere und hohe Einkommen fällt aber größer aus.

Die Maßnahmen werden laut Commerzbank „die Wettbewerbsfähigkeit der Niederlande weiter stärken“. Andere Länder rutschen dadurch im Steuersatz-Vergleich immer weiter nach oben und geraten unter Druck, ebenfalls tätig zu werden. Es droht ein weiterer Wettlauf nach unten – mit entsprechenden Folgen für die Ungleichheit. „Der Besteuerung von Gewinnen auf Unternehmensebene kommt eine große Bedeutung bei der Reduktion der Einkommensungleichheit zu“, so das IMK.

Um den Steuerwettlauf zu durchbrechen, gäbe es nur eine Möglichkeit: „Man könnte versuchen, das  Problem durch eine internationale Steuerkoordination in den Griff zu bekommen“,  so Stefan Bach, Steuerexperte beim DIW-Institut. „Aber danach sieht es derzeit nicht aus.“ Mit der Unternehmensteuer gehe es daher voraussichtlich weiter bergab – „und damit sinkt die Steuerbelastung im obersten Einkommensbereich“.