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Angriff auf Identitäre Bewegung Angriff auf Identitäre Bewegung in Halle (Saale): Eskaliert die Lage im Viertel?

Von Anja Förtsch 26.10.2017, 08:49

Halle (Saale) - Die Rollläden sind heruntergelassen, die Fenster geschlossen, die Fassade beschmiert. Das Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße in Halle ist seit dem Einzug der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) im Sommer so oft zum Ziel von Angriffen geworden, dass die neuesten Schäden nicht direkt ins Auge fallen.

Einen Tag nach der neuesten Attacke entdeckt man sie bei genauem Hinschauen aber: Zur rosa Farbe sind schwarze und blasslila Töne hinzugekommen, in der hölzernen Eingangstür klafft ein zentimetergroßes Loch und es riecht nach einer Mischung aus Erbrochenem und faulen Eiern - Buttersäure.

Buttersäure-Angriff auf Haus der Identitären Bewegung: 20 bis 30 Täter kamen in der Nacht

Am Dienstag hatten Unbekannte gegen 23 Uhr das Haus der Bewegung angegriffen. Die Polizei spricht von 20 bis 30 dunkel gekleideten und vermummten Tätern. Sie sollen das Haus mit Steinen beworfen und mit Feuerlöschern besprüht haben. Zudem hätten die Angreifer mit Pyrotechnik mehrere Müllcontainer vor dem Haus angezündet und an der Haustür eine übelriechende Flüssigkeit freigesetzt.

An drei Fahrzeugen vor dem Haus seien außerdem Sachbeschädigungen festgestellt worden. „Der polizeiliche Staatsschutz der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd hat die Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs aufgenommen“, teilte Polizeisprecherin Ulrike Diener mit.

Wie hoch der finanzielle Schaden ist, könne derzeit noch nicht beziffert werden. Bei den beschädigten Autos handele es sich sowohl um Fahrzeuge der Bewohner als auch von Nachbarn des Hauses.

Buttersäure-Angriff auf Haus der Identitären Bewegung: „Kontrakultur“ geht von linksextremen Tätern aus

Mario Müller von der Kontrakultur Halle, dem lokalen Ableger der IB, hat den Angriff aus nächster Nähe erlebt: „Ich war zum Zeitpunkt des Angriffs im Haus. Zuerst haben wir ein Bohren gehört, dann flogen bereits die Pflastersteine“, sagte er der MZ. „Vor der Tür bot sich uns zunächst ein chaotisches Bild: Überall lagen Steine, auf der Straße brannte es.“ Insgesamt sei alles so schnell gegangen, dass die Bewohner nicht hätten reagieren können. Wer hinter dem aktuellen Angriff steckt, ist für Müller klar: „Die Täter stammen zweifellos aus der linksextremen Szene.“ Dafür spreche, dass der österreichische Rechtsextremismus-Experte Jerome Trebin erst am Vortag einen Vortrag an der Martin-Luther-Universität gehalten hat und für Samstag eine Demonstration gegen das IB-Haus geplant ist.

Buttersäure-Angriff auf Haus der Identitären Bewegung: Bündnis „kickthemout“ prüft rechtliche Schritte gegen Beschuldigungen

Das Bündnis „kickthemout“, das zu der Demonstration am Samstag aufruft, sieht indes keine Verbindung: „Da es keinerlei Bekennerschreiben zu dem Angriff gibt, gehen wir nicht von einem direkten Zusammenhang aus“, so das Bündnis gegenüber der MZ. Gleichzeitig prüften die Aktivisten rechtliche Schritte gegen Beschuldigungen der Kontrakultur im Internet.

In einem Facebook-Post hatte sich der IB-Ableger zum Angriff geäußert - und diesen den Personen um das Bündnis angelastet: „Nach einem vom sozialdemokratischen Altpolitiker und Anwohner Norbert Bischoff initiierten ,Offenen Brief’ gegen das patriotische Hausprojekt haben die Initiatoren der für Samstag angekündigten Demonstration unter dem Titel ,Nazizentrum dichtmachen – Faschos, verpisst euch!’ das Schreiben offenkundig als Freibrief aufgefasst, zu handeln“, heißt es in dem sozialen Netzwerk.

Pflastersteine flogen auf Haus der Identitären Bewegung: Wurden Einwohner gezielt in Gefahr gebracht?

Philip Stein, Leiter des Projekts „Ein Prozent“, das das Objekt in der Adam-Kuckhoff-Straße angemietet hat, verurteilte den Angriff gegenüber der MZ: „Angesichts der Tatsache, dass mit rund 100 Pflastersteinen auf das einzig beleuchtete Stockwerk gezielt geworfen wurde, bewerte ich den Angriff als organisierten Versuch, das Leib und Leben der Bewohner in Gefahr zu bringen.“ Lediglich die speziell gesicherten Scheiben hätten verhindert, dass Bewohner schwer verletzt wurden. „Der Angriff war professionell vorbereitet und hatte definitiv organisierten kriminellen Charakter“, so Stein.

Protest und Angriffe: Stimmung im Viertel schaukelt sich hoch

Nach Ansicht der Initiative „Halle gegen Rechts“ ist der Angriff ein weiteres Zeichen, dass ein Miteinander von IB und Anwohnern nicht funktioniere. „Der Vorfall zeigt, dass das rechtsextreme Hausprojekt zu Auseinandersetzungen vor Ort führt“, sagte Sprecher Valentin Hacken.

Es müsse zudem damit gerechnet werden, dass die Gewalt von Rechts im Viertel weiter zunehme. „Die IB merkt, dass ihre Strategie, durch vermeintlich friedliche Aktionen wie das Verteilen von Willkommensbeuteln an Erstsemester neue Mitglieder zu gewinnen, auf Protest stößt“, so Hacken. „Ich glaube, dass der Frust darüber zu einer weiteren Radikalisierung und Gewalt führt.“

Anwohnerinitiative hatte sich mit Brief offen gegen das Identitären-Haus gewandt

Eine Anwohnerinitiative hatte sich erst kürzlich in einem Offenen Brief an die Bewohner des Hauses gewandt. Darin drückten sie ihre Sorge aus, dass die Ruhe und das Miteinander in der Straße durch die IB gestört werden könnten und erklärten, dass die Gruppe in der Adam-Kuckhoff-Straße nicht willkommen sei.

Ruhig dürfte es um das IB-Haus in der Adam-Kuckhoff-Straße sobald also nicht werden. Eingeschüchtert ist die IB aber nicht. Melanie Schmitz, eines der bekanntesten Gesichter der Identitären, kündigte im Internet an: „Wir sind motivierter denn je.“ (mz)