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Nächster AfD-Austritt Nächster AfD-Austritt: Landtagsabgeordneter Gottfried Backhaus verlässt die Partei

Von Jan Schumann 17.10.2017, 22:03
Gottfried Backhaus.
Gottfried Backhaus. Maik Schumann/Archiv

Magdeburg - Der Landtagsabgeordnete Gottfried Backhaus hat seinen Austritt aus der AfD Sachsen-Anhalt erklärt. Am Dienstagabend bestätigte er der MZ, dass ihm "nach langer und reiflicher Überlegung" kein anderer Entschluss bleibe. In einer Erklärung prangerte Backhaus "Fehlentwicklung" und "totalitäre Tendenzen" im AfD-Landesverband an. "Ich kann diese Entwicklung mit meinem Gewissen nicht länger mittragen."

Seit langem gilt Backhaus' Verhältnis zu André Poggenburg, Chef der Landespartei und Fraktion, als extrem angespannt. Im Sommer hatte Backhaus seinen Posten als kirchenpolitischer Sprecher verloren. Der Abgeordnete hatte Poggenburg damals "Säuberungen" gegen unbequeme Fraktionsmitglieder unterstellt.

Backhaus verließ im Mai AfD-Fraktion im Zorn über Poggenburg

Zudem war Backhaus im Winter aus dem Amt des Kreisvorsitzenden im Saalekreis verdängt worden. Im Mai verließ er die Fraktion im Zorn über Poggenburg. Auch Sarah Sauermann und Jens Diederichs waren gegangen und hatten Deutschlands größte AfD-Landtagsfraktion von 25 auf 22 Mitglieder dezimiert. Diederichs war zudem aus der Partei ausgetreten.

Zuletzt lief ein Parteiausschlussverfahren gegen Backhaus. Er beklagt in seiner Stellungnahe fehlende Meinungsfreiheit in der AfD. "Jetzt erlebe ich, daß ich in der AfD sanktioniert werde, weil ich meine eigene Meinung habe und diese auch äußere", schreibt Backhaus. "Ich erlebte, daß ich als Abgeordneter des Landtages in meinen verbrieften Rechten und Arbeitsmöglichkeiten beschränkt wurde, initiiert durch den Fraktionsvorstand, was schließlich zu meinem Fraktionaustritt führte. Ich erlebe eine Art Gleichschaltung und die Unterdrückung des Mutes zur Wahrheit."

Tillschneider und Unterstützer hatte Backhaus aus dem Kreisvorstand gedrängt

Er geißelt das "harte und radikale Vorgehen der völkisch-national denkenden Parteimitglieder". Neben Poggenburg dürfte er damit auch AfD-Rechtsaußen Hans-Thomas Tillschneider meinen. Tillschneider und seine Unterstützer hatte Backhaus mit Macht aus dem Kreisvorstand gedrängt. Seitdem ist Tillschneider Kreischef.

Backhaus, der seit Mai fraktionsloses Mitglied des Landtags ist, schreibt: "Nicht ich bin von einer bürgerlich-konservativen Politik, welche im Programm der AfD festgeschrieben ist und Meinungsfreiheit als Grundessenz voraussetzt abgewichen, sondern die Führung der AfD in Sachsen-Anhalt."

Gottfried Backhaus verlässt AfD: Die Erklärung im Wortlaut

Nach langer und reiflicher Überlegung bleibt mir kein anderer Entschluß, als den Austritt aus der so hoffnungsvoll begründeten und begonnenen Bewegung, der Partei Alternative für Deutschland, zu erklären. Das fällt mir ausgesprochen schwer. Aber mein eingeschränkter gesundheitlicher Zustand läßt mir keine andere Wahl.

Der Name Alternative für Deutschland sagt aus, warum und wozu diese Partei einst gegründet wurde : Eine Alternative für die alternativlose Gestaltung der Politik der behäbigen Altparteien wurde nötigst gebraucht. Der Wahlspruch der jungen AfD im Gründungsjahr 2013 lautete „ Mut zur Wahrheit“. Seit dem Sommer 2013 arbeitete ich für die Stärkung der Bewegung. Im darauf folgenden Jahr wurde ich für die AfD Stadtrat in meiner Heimatstadt Mücheln. 2016 wählten mich die Bürger so zahlreich, daß ich das Direktmandat für den Wahlkreis Querfurt bekam. Insgesamt errang die AfD 15 Direktmandate in Sachsen-Anhalt – ein kleines politisches Erdbeben fand statt. 24,3% der Zweitstimmen erhielt die AfD. In manchem Dorf stimmten die Bürger zu über 40% für die AfD. Die ersehnte Opposition für die Landespolitik war geboren worden und hat neues Leben in das Parlament gebracht.

Was ist geblieben vom Mut zur Wahrheit?

Seit dem ich denken kann, gehe ich meinen eigenen Weg und trete für meine Überzeugungen ein. Dafür „durfte“ ich Repressalien in der DDR zu Hauf einstecken. Aber als Christ wußte ich immer, wer der wirkliche Tonangeber ist und hatte darin einen großen Halt.

Jetzt erlebe ich, daß ich in der AfD sanktioniert werde, weil ich meine eigene Meinung habe und diese auch äußere. Ich erlebte, daß ich als Abgeordneter des Landtages in meinen verbrieften Rechten und Arbeitsmöglichkeiten beschränkt wurde, initiiert durch den Fraktionsvorstand, was schließlich zu meinem Fraktionaustritt führte. Ich erlebe eine Art Gleichschaltung und die Unterdrückung des Mutes zur Wahrheit.

Die freie Meinungsäußerung muß laut Grundgesetz gewährleistet sein. Hier sehe ich eine Fehlentwicklung in unserem Landesverband der AfD hin zu totalitären Tendenzen und ich kann diese Entwicklung mit meinem Gewissen nicht länger mittragen.

Ich trete ein für eine bürgerlich-konservative Politik und bezeichne mich als rechtskonservativ bei gleichzeitiger Bejahung der Unterstützung Israels als Volk Gottes, resultierend auch aus deutscher Geschichte.  Nicht ich bin von einer bürgerlich-konservativen Politik, welche im Programm der AfD festgeschrieben ist und Meinungsfreiheit als Grundessenz voraussetzt abgewichen, sondern die Führung der AfD in Sachsen-Anhalt.

Das laufende Parteiausschlußverfahren, welches mein Kreisvorstand unter Führung des Dr.Tillschneider kurz nach meinem Schlaganfall gegen mich eröffnete, spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Dem sehe mit rechtsanwaltlichem Beistand relativ gelassen entgegen. Aber es ist bezeichnend für das harte und radikale Vorgehen der völkisch-national denkenden Parteimitglieder.

Die mir verbleibende Kraft möchte ich nicht für Grabenkämpfe innerhalb der Partei verbrauchen. Ich möchte mich weiterhin einsetzen für eine rechtskonservative Politik mit christlichen Nuancen für unser Vaterland. Mein besonderes Ziel dabei soll sein, Aufarbeitung -und Versöhnungsarbeit bezüglich der DDR-Diktatur zu befördern, damit auch endlich ein Denkmal für die Opfer und Verfolgten der sowjetischen Militäradministration und der DDR verwirklicht werden kann.

Langeneichstädt, den 17.10.2017

(mz)