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Air Berlin Air Berlin: Aufstieg und Fall des Joachim Hunold

Von Peter Berger 12.10.2017, 16:41
Joachim Hunold machte aus Air Berlin die siebtgrößte Fluggesellschaft Europas.
Joachim Hunold machte aus Air Berlin die siebtgrößte Fluggesellschaft Europas. AP

Düsseldorf - Irgendwann hat sich das gesunde Selbstbewusstsein des Joachim Hunold (67) in Selbstüberschätzung verkehrt. Berauscht vom eigenen Erfolg hat der Gründer und langjährige Konzernchef von Air Berlin eine Kette von Fehlentscheidungen getroffen – und damit sein Lebenswerk zertrümmert.

Und warum? Weil Hunold sich mit seinem Image als Ferienflieger, als Mittelmeer-Spezialist und Erfinder des Mallorca-Shuttles, das er sich seit 1991 aufgebaut hatte, nicht mehr zufriedengeben konnte. Er sei „besoffen von der eigenen Unfehlbarkeit“ gewesen, gepaart mit der „fehlenden Größe, Fehler rechtzeitig einzugestehen“, zitiert die „Wirtschaftswoche“ einen seiner Nachfolger.

Hunold wollte immer mehr, Air Berlin auf Augenhöhe mit der Lufthansa bringen. Dafür kaufte er groß ein, 2004 eine Beteiligung an der österreichischen Niki Air, zwei Jahre später übernahm er den Städteflieger Deutsche BA, wenig später die LTU. Der einstige Super-Unternehmer aus Düsseldorf, hemdsärmlig und um keinen Spruch verlegen, hielt das für gute Geschäfte. Dabei waren sie der Beginn eines rasanten Sturzflugs, weil es Hunold nie gelang, die Zukäufe in den Konzern zu integrieren. Sehr schnell wachsen, befeuert durch den Börsengang im Jahr 2006, das war sein einziger Antrieb.

Teurer Gemischtwarenladen

Air Berlin, ein teuer Gemischtwarenladen, musste plötzlich alles bedienen: Urlauber und Geschäftsreisende auf der Kurz-, Mittel- und Langstrecke. Die Verwaltung übermäßig teuer und ineffektiv, ein heftiger Streit mit den Gewerkschaften, der damit endete, dass die Piloten von Air Berlin am Ende nach dem teuren LTU-Tarif bezahlt werden mussten, ein ruinöser Preiskampf mit der Lufthansa und anderen Airlines um Marktanteile bei den Geschäftskunden: das Jahrzehnt der Krisen begann.

2008 landete Hobbyflieger Hunold mit Air Berlin zum ersten Mal in der Verlustzone. Der Chef blieb unverdrossen. Bei der Feier zum 30-jährigen Bestehen im April 2009 mit 2500 Gästen in Berlin versicherte er Bundeskanzlerin Angela Merkel, Air Berlin sei ein „krisengestähltes Unternehmen“, brauche weder Bürgschaften noch Subventionen.

Lizenz zum Geld drucken

Von wegen. Nur einmal noch, im Jahr 2012, gab es einen Gewinn – beflügelt durch den Einstieg der staatlichen arabischen Fluggesellschaft Etihad, der nur ein großes Missverständnis war, weil sich die Scheichs mit der patriarchalischen Art der Selfmade-Ikone nicht anfreunden konnten. Und mit Nachfolger, Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, schon mal gar nicht.

Joachim Hunold hat immer aus dem Bauch heraus entschieden. Der ehemalige Roadie bei Tourneen von Marius Müller-Westernhagen und Altstadt-Kellner hat sich vom Gepäck-Verlader am Düsseldorfer Flughafen in den 1980er Jahren bis zum Marketing-Direktor der gesamten LTU-Gruppe hochgearbeitet. Dort schied er 1990 nach einem Streit mit Friedel Neuber, dem Chef des Großaktionärs WestLB, aus – mit einer siebenstelligen Abfindung. Ein Jahr später stieg Hunold bei der amerikanischen Air Berlin mit 7,5 Millionen DM ein. Die Gesellschaft aus dem US-Staat Oregon, ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg, hatte damals zwei Maschinen für den Berlin-Verkehr. Deutschen Fluglinien war bis zur Wiedervereinigung der Direktflug nach West-Berlin untersagt.

Dieser Einstieg erwies sich schnell als Lizenz zum Geld drucken. Nach dem Fall der Mauer war der Weg frei und Hunold schlug zu, kaufte freie Slots in Schönefeld, Leipzig und Rostock. Seine guten Drähte zu Reiseveranstaltern aus LTU-Zeiten verhalfen Air Berlin zu einem rasanten Wachstum. Gestartet mit zwei Flugzeugen und 150 Mitarbeitern waren es zu Hoch-Zeiten etwa 8300 Beschäftigte und 151 Flieger. Im Sommer 2007 wollte Hunold zusammen mit anderen Managern der Flugbranche gar 50 neue Boeing Dreamliner bestellen.

Jetzt ist Air Berlin am Boden, der Ikarus aus Düsseldorf hockt auf mehr als zwei Millionen wertlosen Aktien und arbeitet für den Frankfurter Mittelstands-Finanzierer Rantum Capital im Bereich Transport und Touristik. „Wir verstehen Unternehmer, weil wir selbst Unternehmer sind.“ Das ist sein Motto – nachzulesen auf der Homepage des Unternehmens.