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Hotel-Affäre der AfD Hotel-Affäre der AfD: Ex-Referentin spielt Hauptrolle in Politkrimi - und verliert

Von Jan Schumann 09.06.2017, 06:00
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Andre Poggenburg (l-r) und der AfD-Abgeordnete Daniel Roi und der stellvertretende AfD-Fraktionschef Matthias Büttner.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Andre Poggenburg (l-r) und der AfD-Abgeordnete Daniel Roi und der stellvertretende AfD-Fraktionschef Matthias Büttner. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Als es aus Lena K. herausbricht, schneiden ihre Worte wie Messer durch den Gerichtssaal. Minutenlang saß sie mit kerzengeradem Rücken auf der Stuhlkante, hörte die Worte ihres Anwalts und des Richters. Sie trägt schwarze Hose, schwarzen Blazer. Die Haare sind zusammengebunden. Dann verliert die junge Frau die Fassung, schleudert dem Richter entgegen: „Die Würde einer Frau....“ Weiter kommt sie nicht, weil ihr Anwalt sie unterbricht. Immer wieder redet er flüsternd auf Lena K. ein. Um 12.50 Uhr, als sie aus dem Gerichtssaal auf den Flur tritt, kann sie die Tränen nicht mehr halten.

Die Würde einer Frau. Auch darum geht es Lena K. am Donnerstag in dem Prozess vor dem Arbeitsgericht Magdeburg. In einem der größten Politkrimis der letzten Jahre in Sachsen-Anhalt spielt die Mittdreißigerin die Schlüsselrolle. Und: Es gibt viele Protagonisten, die in diesem Krimi die Würde verlieren könnten.

Hotelaffäre der AfD löst Krisen aus in Partei und Fraktion aus

Lena K. spielt die wichtigste Rolle in der sogenannten Hotelaffäre der AfD-Fraktion im Landtag. Jene Affäre, die über Monate hinweg immer neue Krisen entfachte. Die Geschichte begann im Spätherbst 2016: Lena K. arbeitete als Wirtschafts-Referentin auf Probezeit für die AfD-Fraktion. Sie lernte den Staßfurter Abgeordneten Matthias Büttner kennen, begleitete ihn im November auf eine Dienstreise nach Erfurt. Dort soll Büttner ein Doppelzimmer für beide gebucht - und K. sexuell bedrängt haben. Nach einer Anzeige der Referentin ermittelt die Staatsanwaltschaft mittlerweile wegen Vergewaltigung - doch K. arbeitet längst nicht mehr für die AfD.

Schon im Dezember wurde ihr gekündigt. Das Schreiben trägt die Unterschrift des Fraktionschefs André Poggenburg. Die Frage steht bis heute im Raum: Sollte mit K.s Kündigung möglicherweise etwas vertuscht werden?

Auch im Gerichtssaal hängt die Frage in der Luft. Lena K. klagt auf Wiedereinstellung. Markus Glietz, ihr Rechtsanwalt und Prozessbevollmächtigter, suggeriert mehrfach: Die Kündigung war nicht rechtens. Und immer wieder schwingt der Vorwurf einer möglichen Vertuschung mit.

Glietz will wissen, ob Fraktionschef Poggenburg eigentlich bevollmächtigt war, den Rauswurf allein durchzusetzen. Ja, sagt Gerhard Laux, Vertreter der AfD. Dafür sei kein Beschluss nötig, auch nicht durch die Fraktion. Doch zur Sicherheit habe es eben doch eine Abstimmung im Fraktionsvorstand gegeben, beteuert Laux. Das bezweifelt Lena K.s Anwalt. Sollte es so gewesen sein, „muss man sich ja fragen: Was ist vorgefallen, dass der Vorstand so eine Entscheidung fällt? Zumal in der Probezeit.“

AfD-Fraktionschef Poggenburg: Für Rauswurf gab es nur fachliche Gründe

Als die Affäre im Januar 2017 hochkochte, betonte Fraktionschef Poggenburg immer wieder: Für den Rauswurf gab es nur fachliche Gründe. Er sprach von „erheblichen fachlichen Beanstandungen“. Doch zeitgleich hatten AfD-Abgeordnete genau das Gegenteil erzählt, die Arbeit der Frau gelobt. Es kam zu heftigem internen Streit. Poggenburg-Kritiker wie Daniel Roi forderten eine Antwort auf die Frage, wieso der Frau gekündigt wurde. Viele Wunden dieser Zeit sind bis heute nicht verheilt.

Und im Prozess beteuert der AfD-Anwalt: Bis zum Zeitpunkt der Kündigung hatte Poggenburg keine Kenntnis davon, welche Vorwürfe K. gegen Büttner erhob. Als Lena K. das hört, beginnt sie sofort zu weinen.

Und tatsächlich gibt es Stimmen in ihrem Umfeld, die genau das Gegenteil behaupten: Sie habe Poggenburg schon am 23. November mitgeteilt, was sie in Erfurt erlebte. Der Fraktionschef bestreitet das vehement. Als der AfD-Anwalt Poggenburgs vermeintliches Unwissen erwähnt, brummt der Vorsitzende Richter Andreas Fiebig vielsagend: „Da müssen wir schauen, was wir davon halten.“

AfD Abgeordneter Matthias Büttner schweigt lange

In diesem Krimi gibt es auch Figuren, die lange schwiegen. Zu ihnen gehört Matthias Büttner. Es dauerte etwa einen Monat, in dem die Affäre kochte, dann attackierte er Lena K. In einer denkwürdigen Pressekonferenz stellte er sie als Stalkerin dar, bezichtigte sie mehrerer Straftaten: Verleumdung war dabei, auch Körperverletzung, Beleidigung und Volksverhetzung. Details nannte er nicht, aber in mindestens einem Punkt hatte er Recht: Urkundenfälschung.

Denn Lena K. erschlich sich den Job in der Fraktion mit einem gefälschten Zeugnis der Universität Bonn. Als Richter Fiebig das anspricht, widerspricht sie nicht. Der Fakt sei „unstrittig“ gewesen, so Fiebig später. Und so fällt das Gericht am Nachmittag sein Urteil. Der Rauswurf wegen dieser „arglistigen Täuschung“ ist rechtens. Auf alle weiteren Fragen, so der Richter, käme es dem Gericht vorerst nicht an. So bleibt das Ende dieses Krimis offen. Lena K. kündigt ihre Berufung an. (mz)

Matthias Büttner
Matthias Büttner
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