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Weg frei für die Lachse Weg frei für die Lachse: Fischtreppe in Dessau ist eröffnet

Von Thomas Steinberg 01.06.2017, 08:19
Fast wie im Urlaub: Olaf Hoffmann an der neuen Fischtreppe.
Fast wie im Urlaub: Olaf Hoffmann an der neuen Fischtreppe. Lutz Sebastian

Dessau - Der Weg ist frei, das Dessauer Muldewehr kein Hindernis mehr für Lachse und andere Fische, denn seit einer Woche strömt und plätschert Wasser die neue Fischaufstiegsanlage hinab.

Olaf Hoffmann hat eine genaue Vorstellung, wo er abgelichtet werden möchte und dirigiert den Fotografen so, dass hinter ihm ein Wasserlauf zu sehen ist. Der Fotograf feixt, man könne nun hier Urlaub machen, sich die Reise nach Bayern sparen.

Ignoriert man die allzu ordentlichen Ufer, die vom Wasser umspülten allzu präzise angeordneten Steine - man könnte tatsächlich meinen, an einem kleinen Gebirgsbach zu stehen. Nur dass dieser hier künstlich und gerade einmal 200 Meter lang ist.

Lachs war praktisch aus der Mulde verschwunden

Hoffmann, Mitarbeiter des Landesbetriebs für Hochwasserschutz (LHW), ist mit Dessaus jüngstem Gewässer vertraut. Als Projektleiter hat er die Arbeiten daran koordiniert. Und, wie er sagt, vor einer Woche den Hahn aufgedreht, also die beiden Schütze oberhalb des Wehres gezogen, durch die nun pro Sekunde vier bis sechs Kubikmeter Wasser strömen.

Zum Vergleich: bei Mittelwasser speist die Mulde rund 70 Kubikmeter pro Sekunde in die Elbe. Martin Luther, der sich, so scheint es, zu nahezu jedem Thema geäußert hat, soll in einer seiner Reden von den 4.000 Lachsen gesprochen haben, die man in einem Jahr aus der Mulde gezogen habe. Das ist, wie man weiß, lange her, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Lachs aus der Mulde praktisch verschwunden - er konnte die neu gebauten Wehre auf dem Weg zu seinen Laichplätzen nicht passieren.

120 Jahre lang änderte sich an diesem Zustand nichts, obwohl die Ursache des Problems bekannt war. Erst die im Jahr 2000 von der EU verabschiedete Wasserrahmenrichtlinie verordnete den Mitgliedsländern, unter anderem für einen guten ökologischen Zustand zu sorgen und zum Beispiel Fischen Hindernisse aus dem Weg zu räumen oder Umleitungen einzurichten. Eigentlich sollte das bis 2015 erledigt sein, jetzt gilt 2017 als Zielmarke. Nach Einschätzung der EU-Kommission liegt Deutschland auf Platz 22 der 27 Mitgliedsstaaten, wenn es um den Zustand der Gewässer geht.

Das Dessauer Muldewehr bringt nun einen deutlichen Pluspunkt. Denn stromauf sind wichtige Barrieren beseitigt - in Raguhn und am Muldestausee gibt es inzwischen Fischtreppen. Die Sachsen sind ebenfalls dabei, Fischblockaden wegzuräumen. Das letzte - oder wenn man so will: das erste - Hindernis blieb indes Dessau.

Pläne für ein Kraftwerk haben den Bau verzögert

Die Verzögerungen ergaben sich aus Sicht des LHW nicht zuletzt wegen der Pläne, am Wehr ein Kraftwerk zu errichten. Es gab Interessenten, die sich nicht wieder meldeten, die Wirtschaftlichkeit der Anlage blieb umstritten. Ein Konzept sah ein Kraftwerk vor mit einer Betontreppe als Fischaufstieg, stadtseitig angeordnet und so elegant und naturnah wie eine Tiefgarage.

Als sich kein Investor fand, übernahm der LHW die Bauherren-Rolle und entschied sich für ein bachähnliches Gerinne, das etwa zwei Meter Höhenunterschied überwindet und auch öffentlich zugänglich sein wird. Tabu und eingezäunt hingegen bleiben der Ein- und Auslauf des künstlichen Bachs.

Dessen Einlauf ist zweigeteilt, kann gegen die Mulde abgesperrt werden und nimmt zweimal im Jahr eine Reuse auf. Mit ihr soll aufwärts wandernden Fischen ein Zwischenstopp auferlegt werden, um sie zu zählen und so den Erfolg - oder Misserfolg - der Anlage einschätzen zu können.

Zwei unterschiedliche Einstiegsmöglichkeiten für die Fische

Unterhalb des Wehres gibt es zwei Einstiegsmöglichkeiten für Fische. Eine für die sich dicht ans Wehr wagenden Leistungsschwimmer unter ihnen – Lachse zum Beispiel. Schwächere Arten finden einen ruhigeren Zugang einige Meter stromab. Ob und wer den Aufstieg annimmt, wird sich zeigen müssen – in den Reusen.

Vorerst jedoch gehen die Bauarbeiten weiter. An der Aufstiegsanlage sind Flächen zu befestigen und stadtseitig soll das Wehr um etwa zehn Zentimeter erhöht werden, um den erhöhten Abfluss durch das neue Gerinne auszugleichen. Im Oktober, so der Plan, sollen die Arbeiten abgeschlossen sein, dann werden rund sieben Millionen Euro verbaut sein. „Wenn“, schränkt Hoffmann ein, „nichts dazwischen kommt.“ Ein Hochwasser hatte man schon in diesem Jahr. (mz)