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Prozess gegen Sylvia Tempel Prozess gegen Sylvia Tempel: Hat sich Ex-Jobcenter-Chefin bereichert?

Von Dirk Skrzypczak 14.03.2017, 06:00
Die ehemalige Chefin des Jobcenters in Halle, Sylvia Tempel.
Die ehemalige Chefin des Jobcenters in Halle, Sylvia Tempel. Winkler/Archiv Lizenz

Halle (Saale) - Als Richterin Karen Sachs am Freitag im Landgericht Halle ihr Urteil verkündet, ist die Angeklagte Silvia Tempel nicht im Saal, auch ihr Anwalt Uwe Berthold nicht. Dennoch nimmt sich Sachs 30 Minuten Zeit, ihre Entscheidung im Zivilprozess zu begründen.

19.000 Euro an Schadensersatz soll die einstige Leiterin des Jobcenters Halle an die Arbeitsgemeinschaft (Arge) SGB II zurückzahlen, die sich in der Liquidation befindet. Die Managerin soll sich über Jahre unrechtmäßig am Stammkapital der Arge bedient haben. Nach dem Urteil gehen die Meinungen auseinander.

Neuer Chef des Jobcenters: „Wir sehen uns vollumfänglich bestätigt“

„Wir sehen uns vollumfänglich bestätigt“, sagt Jan Kaltofen, Tempels Nachfolger auf dem Chefsessel des Jobcenters. Er hatte im September 2014 seinen Posten angetreten und nach einer internen Prüfung die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Tempel selbst akzeptiert den Schuldspruch nicht und kündigt über Anwalt Berthold an, in Berufung gehen zu wollen. „Wir halten das Urteil für falsch, warten aber die schriftliche Begründung ab.“

Mit Prozessen kennt sich die heute 55-Jährige aus, die einst als fähige Führungskraft in der Agentur für Arbeit galt. „Ihre Leistungen hatten für sie gesprochen. Deshalb ist sie auch die Leiterin des Jobcenters in Halle geworden“, sagt Kay Senius, Chef der Bundesagentur für Arbeit Sachsen-Anhalt-Thüringen. In die Schlagzeilen geriet Tempel mit der Gartenaffäre.

2012 hatten Ein-Euro-Jobber auf Tempels Grundstück im Mansfelder Land Teile der Ausstellung „Italienischer Garten“ aufgebaut

2012 hatten Ein-Euro-Jobber auf Tempels Grundstück im Mansfelder Land Teile der Ausstellung „Italienischer Garten“ aufgebaut. Eine weiße Balustrade mit Säulen wie zu Zeiten des antiken Roms. Zuvor waren die Exponate in der Neuen Residenz in Halle zu sehen gewesen.

Der zuständige Bildungsträger hatte nach Ende der Ausstellung mehrere Ein-Euro-Jobber mit Stücken der Gartenschau zum privaten Anwesen Tempels geschickt, die ihrerseits 600 Euro zahlte. Als die MZ die Geschichte öffentlich machte, wurde Tempel von der Agentur fristlos entlassen.

Anklage gegen Sylvia Tempel wegen Untreue und ein Freispruch vor dem Landgericht im Februar 2016

Es folgten eine Anklage wegen Untreue und ein Freispruch vor dem Landgericht im Februar 2016. Eine Mitarbeiterin des Bildungsträgers hatte letztlich die Verantwortung übernommen und Tempel entlastet. „Die Entscheidung, dass wir uns von Frau Tempel trennen, war richtig. Wir würden heute immer wieder so handeln“, sagt Senius. Wer ein Jobcenter leite, müsse integer sein.

„Es gibt eine rechtliche Seite, die das Gericht bewerten musste, und die moralische Komponente. Und da die Vorwürfe der Mauschelei lange nicht entkräftet werden konnten, war unsere Reaktion als Agentur richtig. Wer etwa Hartz-IV-Gelder kürzen muss, trägt eine hohe Verantwortung und braucht eine weiße Weste“, so Senius. Tempel freilich beharrte auf ihrer Unschuld und wollte in ein Dienstverhältnis zur Agentur zurück. Schon im November 2014 hatte das Arbeitsgericht die Kündigung der Agentur für unwirksam erklärt.

Im Brennpunkt nun: Die Abwicklung der Arge SGB II mit der Managerin als Liquidatorin

Die Agentur legte Rechtsmittel ein. Über zwei Jahre später gehen beide Seiten nun endgültig getrennte Wege. „Letztlich ist es in solchen Verfahren nicht unüblich, dass man sich auf einen Vergleich einigt“, sagt Senius. Wie hoch die Summe ist, die die Ex-Managerin von der Agentur kassiert, lässt Senius offen. „Wir haben darüber Stillschweigen vereinbart.“

Doch damit ist das Thema Tempel nicht erledigt. Im Brennpunkt nun: Die Abwicklung der Arge SGB II mit der Managerin als Liquidatorin. Bis Ende 2011 hatten die Stadt Halle und die Arbeitsagentur die Arge als gleichberechtigte Gesellschafter in Form einer GmbH betrieben. Das Stammkapital von 25.000 Euro kam von der Stadt. Doch dann schob der Bund den Arge-GmbH, von denen es nur wenige in der Bundesrepublik gab, einen Riegel vor. Das Jobcenter blieb bestehen, aber die GmbH musste abgewickelt werden.

Sylvia tempel hatte mit dem damaligen Wirtschaftsbeigeordneten der Stadt Halle unter vier Augen einen Vertrag geschlossen

Und nun wird es interessant. Die Managerin hatte mit dem damaligen Wirtschaftsbeigeordneten der Stadt, Wolfram Neumann, unter vier Augen einen Vertrag geschlossen. Zusätzlich zu ihrem regulären Gehalt sollte sie monatlich 400 Euro in bar vom Konto der Arge abheben dürfen - als Entlohnung für die Abwicklung der Gesellschaft. 11.200 Euro soll die Managerin zwischen 2011 und 2013 als Nebenverdienst eingestrichen haben.

Dass Tempel zwischenzeitlich erforderliche Jahresabschlüsse der Arge nicht aufstellte, brachte der Gesellschaft Strafzahlungen ein. Auch hier sehen die Kläger die ehemalige Jobcenter-Chefin persönlich in der Pflicht - wie das Landgericht auch. In der Addition kommen jene 19.000 Euro heraus, die Tempel nun aus ihrer privaten Tasche zahlen soll.

Vorgänge bei der Abwicklung der Arge beschäftigen zudem die Staatsanwaltschaft in Halle

„Man hätte eine Extra-Vergütung in einer Gesellschafterversammlung besprechen müssen. Einseitig kann man so etwas nicht festlegen“, sagt Kaltofen. Auch hätte Tempel die Zusatzeinahmen bei der Sozialversicherung angeben müssen, was sie nicht tat.

Die Vorgänge bei der Abwicklung der Arge beschäftigen zudem die Staatsanwaltschaft in Halle, unabhängig vom Zivilprozess. Sie wirft Tempel Untreue vor und hat bereits im November 2016 Anklage vor dem Amtsgericht in Halle eingereicht. Das Gericht prüft noch, ob der Fall verhandelt wird. (mz)