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Analyse: Regierung jagt Zumwinkel vom Hofe

Von Tim Braune und André Stahl 15.02.2008, 21:58

Berlin/dpa. - Klaus Zumwinkel gehörte als Chef des ehemaligen Staatskonzerns Post zum inneren Machtzirkel. Am Freitag jagten ihn Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom Hofe.

Am Rande der Bundestagsdebatte zur Bankenkrise besprachen Merkel und Steinbrück am Morgen die Krise. Schnell waren sie sich einig, dass der Topmanager nicht mehr zu halten ist, und akzeptierten das Rücktrittsangebot. Doch der Schock über die mutmaßlichen Sünden des zuvor hoch geschätzten Post-Chefs wird überlagert von einem sich abzeichnenden Steuersumpf in Liechtenstein.

Womöglich hat eine «vierstellige Zahl» vermögender Deutscher Geld in das Fürstentum geschafft, um dem Fiskus zu entgehen, heißt es in Regierungskreisen. Darunter könnten neben Zumwinkel noch andere Prominente sein. Es handele sich um «bekannte und unbekannte Leistungsträger», sagte Steinbrücks Sprecher Torsten Albig. Die Namen sollen auf einer CD-ROM gespeichert sein, die in den Händen der Steuerfahnder ist. In den Kreisen wird für möglich gehalten, dass es sich um eine der größten Steueraffären überhaupt handeln könnte.

Bei den Verdächtigen dürfte an diesem 15. Februar der kalte Schweiß ausgebrochen sein. Albig gab einen Wink mit dem Zaunpfahl: Das Finanzministerium rate allen Betroffenen zur Selbstanzeige. Alle, die sich durch Steuerflucht ins vermeintlich verschwiegene Liechtenstein der Finanzierung des Gemeinwohls entziehen wollten, säßen einem Irrglauben auf. Dies hatte Zumwinkel am Donnerstagmorgen in seiner Kölner Villa zu spüren bekommen, als Staatsanwälte und Fahnder morgens an seiner Haustür klingelten. Beim Delikt Steuerhinterziehung versteht der Fiskus keinen Spaß.

Dabei hatte die rot-grüne Regierung unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder allen Steuerflüchtigen eine goldene Brücke gebaut. Von 2004 an galt für 15 Monate eine Amnestieregelung. Wer im Ausland verstecktes Schwarzgeld den Behörden meldete, musste zwar Steuern nachzahlen, ging aber straffrei aus. Die Hoffnungen von Schröder und seinem Finanzminister Hans Eichel (SPD) auf einen Geldsegen für die Staatskasse erfüllten sich nicht. Die Amnestie brachte statt 5 nur 1,2 Milliarden Euro ein. Dabei wurden im Ausland mindestens 100 Milliarden Euro vermutet.

Die Politik reagierte. Auf europäischer Ebene gilt seit Mitte 2005 die Zinsrichtlinie. Fast alle Mitgliedsstaaten informieren sich seitdem untereinander über die Zinserträge von Anlegern aus den anderen EU-Staaten. Viele schwarze Steuer-Schafe nutzten fortan Steueroasen wie Liechtenstein, Monaco oder die Schweiz - für die eine Übergangslösung gilt - als Schlupfloch. Pikant: Mitten in der Steueraffäre kommt nächste Woche Liechtensteins Regierungschef und Finanzminister Otmar Hasler nach Berlin.

Zu diesem Zeitpunkt ist Zumwinkel bei der Post schon Geschichte. Der Aufsichtsrat wird seinen Rücktritt offiziell am Montag beschließen. Merkel ist von dem Strippenzieher schwer enttäuscht: «Ich glaube, es geht mir wie vielen Menschen in Deutschland: Das ist jenseits dessen, was ich mir habe vorstellen können und was viele sich haben vorstellen können.»

Zumwinkel, der fast 20 Jahre Post-Chef war und aus dem Behördenapparat einen weltweit erfolgreichen Logistikkonzern schmiedete, hatte direkten Zugang zur Kanzlerin. Im Koalitionsstreit um den Post-Mindestlohn suchte die CDU-Chefin mehrfach den Rat des erfahrenen Wirtschaftsführers.

SPD-Chef Kurt Beck ging mit Zumwinkel, der den Sozialdemokraten nahesteht, hart ins Gericht. Staatsanwälte und Richter dürften keine Milde zeigen: «Von der Justiz erwarte ich, dass kein Deal gemacht wird. Das würde dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen - aus meiner Sicht völlig zurecht - tief widersprechen.» Beck und Merkel eint die Sorge, dass die Steueraffäre die Debatte um die Kluft zwischen Arm und Reich anheizt und der Linken frustrierte Wähler in die Arme treibt.