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Schüler-Boom Schüler-Boom in Sachsen-Anhalt: Reichen 650 neue Lehrer pro Jahr?

Von Stefan Sauer und Hagen Eichler 12.07.2017, 19:06

Berlin/Magdeburg - Eigentlich ist es eine wunderbare Nachricht: Die deutsche Bevölkerung wird jünger, die Geburtenzahlen steigen, die Zuwanderung tut ein Übriges. Jedenfalls ist die letzte „Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung“ des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2013 bereits heute überholt. Für die Schulen stellt das allerdings eine Herausforderung dar, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt.

Danach werden im Jahr 2025 rund 8,2 Millionen Kinder und Jugendliche eine Schule in Deutschland besuchen. Die Kultusministerkonferenz ging bei ihrer letzten Prognose von 7,1 Millionen Schülern aus. Und 2030 sollen es gut 8,6 Millionen sein. „Mit diesem Schüler-Boom hat kaum jemand gerechnet, jetzt besteht enormer Handlungsdruck“, sagt Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Viele Bundesländer müssten „komplett umdenken“.

Bertelsmann-Studie: Bis 2025 bundesweit 14.500 zusätzliche Schulklassen

War man bisher davon ausgegangen, dass niedrige Geburtenzahlen zu nachlassendem Bedarf an Schulgebäuden und Lehrern führen, so tritt nun das Gegenteil ein: Laut Studie werden bis 2025 bundesweit 14.500 zusätzliche Klassen gebildet werden müssen. 18.200 Lehrer müssten zusätzlich eingestellt werden, sofern die heutige durchschnittliche Klassengröße gehalten werden soll. Verglichen mit 2015 ergibt sich 2030 ein zusätzlicher Bedarf von 28.100 Klassen und 42.800 Lehrerinnen und Lehrern bundesweit. Das kostet Geld. 2030 werden für Schulgebäude und Personal Mehrausgaben von 4,7 Milliarden Euro nötig sein.

Grundlage der Berechnungen ist zum einen der Geburtenanstieg. 2014 und 2015 kamen zusammen gut 1,45 Millionen Babys in Deutschland zur Welt - fast 80.000 mehr als vom Statistischen Bundesamt 2013 angenommen. Für 2016 geht die Studie von einem Anstieg auf 781.000 Geburten aus. Die Prognose von 2013 hatte konstant 710.000 Geburten pro Jahr angenommen.

Regionale Unterschiede beim Schüler-Boom

Zudem wurden die Zuwanderungsprognosen übertroffen. Während die amtlichen Statistiker für 2014 und 2015 mit je 500.000 Zuwanderern gerechnet hatten, waren es 1,64 Millionen, darunter viele Kinder.

Der Mehrbedarf betrifft zunächst die Klassen 1 bis 10. Im Grundschulbereich werden laut Studie im Jahr 2025 bundesweit 2.360 Schulen und 24.110 Lehrkräfte fehlen. In der Sekundarstufe I mit den Klassen fünf bis zehn gehen die Schülerzahlen zunächst leicht zurück, um dann kräftig anzusteigen. 2025 werden gegenüber 2015 zusätzlich 1.000 Klassen und 1.700 Lehrkräfte benötigt, 2030 wächst die Lücke auf 27.000  Lehrer. Nur in der Sekundarstufe II nimmt die Schülerzahl zunächst ab: Von gut einer Million 2015 auf knapp 900.000 eine Dekade darauf. Nach 2027 steigt die Zahl dann wieder auf 927.000 an. Auch in den darauffolgenden Jahren ist mit einem Plus zu rechnen.

Nicht allein die Schulen sind unterschiedlich betroffen, auch die regionalen Unterschiede sind enorm. Für Berlin, Hamburg und Bremen sagen die Forscher den stärksten Anstieg voraus: Dort wird die Schülerzahl bis 2030 in allen Schulformen um fast 30 Prozent zunehmen. Indes sind die Stadtstaaten darauf vorbereitet, da sie ohnehin seit Jahren ein Bevölkerungswachstum verzeichnen.

Sachsen-Anhalts Bildungsminister sieht sich durch Studie bestätigt

Die Entwicklung in den westlichen Bundesländern folgt im Wesentlichen dem Bundestrend. Für die östlichen Bundesländer sagen die Forscher nur bis 2025 ein Plus voraus, in den Jahren danach leicht rückläufige Zahlen.

Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) sieht sich durch die Zahlen der Studie bestätigt. Vor zwei Wochen hatte er das Kabinett informiert, dass die Schülerzahlen vorerst nicht fallen, sondern voraussichtlich bis 2023 weiter ansteigen. Tullner rechnet mit einem jährlichen Bedarf von 650 neuen Lehrern, mehr als bislang geplant. „Die Bertelsmann-Studie stützt unsere Prognose, dass es vorerst keine demografische Rendite gibt“, sagte Ministeriumssprecher Stefan Thurmann.

Lehrergewerkschaft GEW forderte Konsequenzen aus der Studie

Nach dreimonatiger Pause tagte am Mittwoch erstmals wieder eine vom Bildungsministerium einberufene Expertengruppe. Dort gibt es Unmut, dass wichtige Aspekte bislang gar nicht diskutiert wurden, etwa der Bedarf der berufsbildenden sowie der freien Schulen. Bis zum Ende des Jahres soll ein Abschlussbericht beschreiben, in welchen Regionen Lehrer mit welchen Unterrichtsfächern benötigt werden.

Die oppositionelle Linke bekräftigte derweil ihre Forderung, noch vor Beginn des Schuljahres 1.000 Lehrer sowie 400 zusätzliche Pädagogische Mitarbeiter einzustellen.

Die Lehrergewerkschaft GEW forderte Konsequenzen aus der Studie. „Wenn das Land für gute Bildung einsteht, muss es bei der Personalplanung an Schulen und Hochschulen sofort und spürbar nachlegen“, sagte Landesvorsitzende Eva Gerth. Bildungsminister Tullner warf sie Schönrechnerei vor.

(mz)