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König Otto hält Einzug

Von Michael Jahn 19.02.2012, 21:03

Berlin/mz. - Peter Niemeyer, der rustikale Mittelfeldmann von Hertha BSC, spielte einst vier Jahre für Werder Bremen Fußball. Mit überschaubarem Erfolg. Und so kann er mit Otto Rehhagel, seinem neuen Trainer bei Hertha BSC, der gestern Mittag in Berlin unter einem ungeheuren Blitzlichtgewitter vorgestellt wurde, natürlich nicht mithalten, was Bremen und den Fußball betrifft. Rehhagel, inzwischen 73 Jahre alt, blieb einst 14 Jahre und sechs Monate der Chefcoach bei Werder, was noch immer eine außergewöhnliche Bestmarke in der Bundesliga darstellt.

Trotzdem scheint allein die Tatsache, dass er das grüne Werder-Trikot trug und die zahlreichen Großtaten von Rehhagel vom Hörensagen aus dem Weserstadion bestens kennt, Niemeyer zu einem Kronzeugen in Sachen des neuen Berliner Trainers zu machen. Und Niemeyer ist tatsächlich sehr angetan von der Entscheidung des Hertha-Managements, in schwierigen Zeiten auf diesen Altmeister der Trainerszene zu setzen. "Mehr Erfahrung geht nicht", sagte er, "der Mann kann der Mannschaft und dem Verein guttun. Wenn er den Raum betritt, füllt er ihn auch aus."

Leger und gut gelaunt

Gestern Mittag, bei der Präsentation von Otto Rehhagel auf dem Gelände von Hertha BSC, waren es aber zuerst einmal die rund 25 Fotografen, Dutzende von Kameramännern und 50 Journalisten, die den Medienraum ausfüllten und überfüllten. Rehhagel, leger gekleidet im dunklen Pullover und darunter einem dezent gestreiften Hemd, zeigte sich gut gelaunt und ohne seine bekannte Bissigkeit. Das kann daran liegen, dass der Trainer, der aus dem Ruhestand nach Berlin gelotst wurde, altersweise geworden ist, oder, weil noch kein Spiel unter seiner Leitung stattgefunden hat.

Zuvor war Rehhagel auf dem Flughafen Tegel wie ein Hollywood-Schauspieler, der zur Berlinale wollte, empfangen worden. Vier Polizisten und zwei Ordner, die Hertha BSC abgestellt hatte, schützten den Ankömmling, der mit seiner Frau Beate in Essen wohnt.

Rehhagels Affinität zu Kunst und Künstlern ist bekannt, deshalb verwunderte es nicht, dass er in seinen ersten Worten einen Künstler, "dessen Namen ich nicht nennen will", zitierte: "Ein Leben ist viel zu kurz. Ich brauche viel Spannung in meinem Leben." Und Rehhagel holt sich diese Spannung im geliebten Fußballgeschäft. "Wie immer habe ich meine Frau gefragt, ob ich nach Berlin gehen soll", sagte er und lachte. "Und ich habe auch meinen Sohn Jens gefragt. Der ist Jugendkoordinator bei Hannover 96 und Doktor der Sportwissenschaften. Also, ich bin auch mit den jüngsten Methoden der Trainingslehre vertraut."

Es war ein lockerer Hinweis an mögliche Kritiker, die glauben, dass Rehhagel längst viel zu weit weg vom aktuellen Fußballgeschehen sei. Im Juni 2010 hatte er seinen Job als Nationaltrainer Griechenlands nach neun Jahren und 106 Spielen aufgegeben. Sein letztes Bundesligaspiel liegt schon beinahe zwölf Jahre zurück. Am 30. September 2000 betreute er den 1. FC Kaiserslautern gegen Energie Cottbus. Das Duell endete 1:1.

Rehhagel polarisiert. Für seine Kritiker ist er ein Trainer von gestern, für seine Anhänger einer, der nie aus der Mode kommen wird. Vor allem aber ist er jemand, der schnell ein Gemeinschaftsgefühl herstellen kann. Und das benötigt sein neues Team besonders. Es werde "Tag und Nacht nur noch um Fußball gehen", sagte Rehhagel. "Wir haben zwölf Spiele und ein einziges Ziel, den Klassenerhalt. Dafür müssen die Spieler alles ausblenden, was außerhalb des Platzes passiert."

Calmund gab den Anstoß

Der 73-Jährige wird das Team gemeinsam mit Rene Tretschok und Ante Covic führen. Er freue sich, junge Kollegen an seiner Seite zu haben, "jeder kann vom anderen lernen". Das waren durchaus leise Töne, denn Rehhagel eilt ja der Ruf voraus, überall der alleinige Bestimmer gewesen zu sein. Von ihm stammt das Wort , er sei ein "demokratischer Diktator" - was immer das auch sein mag.

Herthas Manager Michael Preetz hatte erst in dieser Woche Kontakt zum Altmeister aufgenommen, am Donnerstagabend gemeinsam mit Präsident Werner Gegenbauer bei den Rehhagels in Essen zusammengesessen. Einen Tipp, ausgerechnet mit Rehhagel zu sprechen, hatte Preetz vom ehemaligen Leverkusener Manager Reiner Calmund erhalten. Der schwärmte über das Modell, junge Trainer aus dem eigenen Haus zu ergänzen mit einem Haudegen, der die Verantwortung übernimmt. "Der Otto Rehhagel", sagte Calmund, "der brennt noch wie eine Fackel für den Fußball. Der ist kein Magier, aber der ist in der Lage, die Hertha zu retten."

Preetz stattete Rehhagel mit einem Vertrag bis zum Saisonende aus. Dem Vernehmen nach soll der Coach eine Nichtabstiegsprämie in Höhe von 250 000 Euro erhalten. "Ich bleibe nur drei Monate", gab Rehhagel an. Man werde ihn ab sofort in Berlin nur noch "auf dem Platz und auf der Geschäftsstelle finden - und vielleicht ab und an in einem Café." Und weiter: "Ab sofort rede ich nur noch über Fußball."