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Frauenchor Frauenchor: Nur dem Namen nach schon im verdienten Ruhestand

Von Grit Lichtblau 04.06.2004, 17:11

Roßlau/Dessau/MZ. - Begonnen hatte alles Anfang 1974, erinnert sich die heute 64-Jährige. Da habe es in der Schifferstadt bereits einen Frauenchor gegeben, der von einer Theaterkollegin geleitet wurde. Doch die war öfter krank, habe eine Hilfe gesucht.

"Anfangs wollte ich gar nicht", sagt Waltraud Thielemann, schließlich hätte sie mit zwei Kindern und dem Beruf als Chorsängerin eigentlich genug zu tun gehabt. Hinzu kam, dass sie ja damit quasi die Fronten wechselte. Bislang hatte man ihr im Theater immer gesagt wie sie zu singen habe, nun sollte sie es den Roßlauer Frauen vermitteln. Doch sie habe sich schnell hineingefunden und in den 80er Jahren dann den Chor allein weitergeführt.

Nur allzu gern denkt die in Dessau lebende Sängerin an die großen Auftritte. Ein- bis anderthalbstündige Konzerte seien keine Seltenheit gewesen. Diese hätten sie bis in die entlegensten Dörfer geführt.

Natürlich ist dabei auch so manch lustige Episode in Erinnerung geblieben. So habe man beispielsweise zur Faschingszeit in Großrosenburg einen Auftritt gehabt. In der Vorabsprache hätte sie nach einem Klavier gefragt. Das sei da, wurde ihr bestätigt. Umso größer war der Schreck vor Ort. Denn das Klavier entpuppte sich als so alt, dass als erstes der Deckel herunterfiel - entsprechend "schief" waren dann auch die Töne, die dem Instrument zu entlocken waren.

Wenn Waltraud Thielemann zurückdenkt, dann wundert sie sich manchmal über sich selber. Wie sie das alles geschafft hat. Da waren die Proben und Auftritte am Theater, die zwei Kinder, der Haushalt und der Roßlauer Frauenchor. Doch die Frage, warum sie sich neben all dem beruflichen Stress auch in der Freizeit noch so engagiert, die habe sie sich nie gestellt.

Natürlich hat es auch schwere Zeiten geben, sagt Waltraud Thielemann etwas nachdenklich. So sei die Mitgliederzahl zur Wendezeit so rapide zurückgegangen, dass man schon gar nicht mehr von einem Chor sprechen konnte. Inzwischen singen jedoch wieder 23 aktive Frauen mit.

Zum Repertoire gehören vor allem Volkslieder - alte wie neue. Nur allzu oft muss die Chorleiterin selber zu Notenpapier und Stift greifen und ein Werk dreistimmig machen, da es für reine Frauenchöre, wie der Roßlauer nun mal einer ist, recht wenig Notenmaterial gibt.

An Auftritten mangelt es auch nicht. So sind die Frauen gern gesehene Gäste in den Altersheimen und bei der Volkssolidarität. Auch beim traditionellen Frühlingssingen gehören sie inzwischen zu den Stammsängern. Dabei ist heute alles ein bisschen einfacher, denn seit drei Jahren ist sie im Ruhestand, der eigentlich keiner ist. Schließlich tritt sie noch immer sporadisch auf, derzeit probt sie für die Oper "Parsifal".

Die Frage, ob sie streng sei, beantwortet die Roßlauer Chorleiterin mit einem klaren nein, fügt dem jedoch ein "aber" hinzu. Ein bisschen Schärfe müsse schon sein, das wüssten die Frauen ihres Chores.

Obwohl Waltraud Thielemann keine Frau mit konsequenten Prinzipien ist, hält sie an einer Gewohnheit fest. Wenn es das Wetter erlaubt, dann radelt sie von ihrer Wohnung in der Nähe des Bauhauses zum Roßlauer Rundling in der Bernsdorfer Straße.

Dort hat der Frauenchor nach der Schließung der Awo-Begegnungsstätte in der Burgwallstraße ein neues Domizil gefunden. Jeden Dienstag ab 14.30 Uhr bringt Waltraud Thielemann die Roßlauer Frauenstimmen zum Klingen. Und natürlich steht die Tür für jede weitere Stimme, egal ob hoch oder tief, ganz weit offen.