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Berührendes Märchen: "Die andere Seite der Hoffnung"

23.03.2017, 09:29

Berlin - Nur wenige Regisseure haben eine so klare und prägnante Handschrift wie der Finne Aki Kaurismäki: Seine Filme sind wie etwa „Der Mann ohne Vergangenheit” oder „Le Havre” wunderbar ausgestattet im nostalgisch anmutenden Retro-Stil. Hinzu kommt ein Humor, der herrlich trocken und nüchtern daherkommt.

Deswegen muss man auch nur ein paar Szenen von Kaurismäkis Filmen sehen, um zu erkennen, von wem sie stammen. Genau so ist es nun auch bei seinem Drama „Die andere Seite der Hoffnung” - schon nach den ersten Einstellungen befinden sich die Zuschauer in einer typischen Kaurismäki-Welt.

Aus dem Kohlehaufen auf einem Frachtschiff schält sich vorsichtig ein Gesicht heraus. Es ist Khaled, ein Flüchtling aus Syrien. Als blinder Passagier kommt der junge Mann in Helsinki an und beantragt Asyl. Doch seine Hoffnungen auf einen Neubeginn werden schnell zerstört: Die finnischen Behörden wollen Khaled abschieben. Denn in Aleppo sei es gar nicht so gefährlich, erklären sie. Trotz der Kriegsbilder, die das Fernsehen von dort zeigt.

Es ist ein hoch aktuelles Thema, das der Regisseur hier auf seine ganz eigene Weise ein bisschen wie ein Märchen erzählt. Denn Khaled taucht unter und will illegal im Land bleiben. Dabei trifft er auf Wikström. Der Hemdenverkäufer hat gerade sein Leben umgekrempelt und ein kleines Restaurant gekauft. Ohne zu zögern bietet er Khaled Unterschlupf und lässt ihn bei sich arbeiten.

Die Behörden mögen zwar unmenschlich sein und auch eine Gruppe Neonazis lauert Khaled immer wieder auf. Doch der junge Syrer trifft auch auf zahlreiche Menschen, die ihm helfen. Ein Sozialdrama, wie sie etwa der Brite Ken Loach oder die belgischen Dardenne-Brüder regelmäßig vorlegen, ist Kaurismäkis Werk also nicht. Dafür verweigert sich der Finne allzu realistischen Darstellungen. Ohne an Eindringlichkeit zu verlieren, setzt er lieber auf die für ihn so unverkennbare Mischung aus Komik und Melancholie.

Dazu passen auch die schweren Tango-Klänge, mit denen Kaurismäki seine Geschichte unterlegt. Mal spielt sie ein Straßenmusiker vor dem Bahnhof, mal steht eine ganze Band in Wikströms Restaurant und versucht die Gäste zum Tanzen zu animieren. Hinzu kommt der Kaurismäki-typische Humor. Seine teilweise skurrilen Charaktere sind zwar wortkarg, ihre Dialoge und Handlungen dafür aber umso pointierter und direkter und sorgen genau damit für Lacher.

Wie etwa Khaled bei einer Restaurantdurchsuchung kurzerhand mit dem Hund auf dem Arm im Frauen-WC versteckt wird, weil da eh kein Mann nachschaut. Oder wie Wikström sich von seiner Frau trennt, indem er ihr den Ehering auf den Tisch mit dem Riesenkaktus legt - und sie den Ring kurzerhand in den Aschenbecher wirft. Es ist aus, muss man da noch mehr sagen?

Vor allem aber gelingt es Regisseur Kaurismäki nach seinem Drama „Le Havre” um einen schwarzen Flüchtlingsjungen in Frankreich erneut, drängende Fragen unserer Gegenwart anzusprechen, ohne seinen Optimismus zu verlieren. Auch mit „Die andere Seite der Hoffnung” zeigt Kaurismäki eine Utopie von einer Welt, wie sie trotz - oder wegen - aller politischen Widrigkeiten eigentlich existieren sollte. Sein Film, für den es bei der Berlinale kürzlich den Bären für die beste Regie gab, wird so zu einem Appell für Menschlichkeit und Miteinander.

Die andere Seite der Hoffnung, Finnland 2017, 98 Min., FSK o.A., von Aki Kaurismäki, mit Sherwan Haji, Sakari Kuosmanen, Ilkka Koivula (dpa)